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Digital In Arbeit

Besser kein Spezialist

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Auch Österreich hat „High-Tech”-Betriebe. Vom Volksempfänger zur Hoch-Frequenz-Technik entwickelte sich die Kapsch AG. Die Unternehmer: Ein Humanist und ein Jäger.

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Auch Österreich hat „High-Tech”-Betriebe. Vom Volksempfänger zur Hoch-Frequenz-Technik entwickelte sich die Kapsch AG. Die Unternehmer: Ein Humanist und ein Jäger.

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„Ein Spezialist an der Spitze ist problematisch. Es ist wichtig, daß man den Uberblick hat. Wir haben ohnedies einen Techniker im Vorstand. Ich habe schon Probleme, wenn ich ein kompliziertes Stereogerät bedienen soll.”

Die Philosophie, die Vorstandsdirektor Wilhelm Kapsch präsentiert, ist zwar nicht unumstritten, beim Ausbau der 1892 gegründeten feinmechanischen Werkstätte zum 2,3-Milliarden-Schilling-Umsatz-Riesen der Elektroindustrie hat sie sich jedoch offenbar bewährt.

Allerdings hat sich Kapsch nach dem frühen Tod des Vaters zwanzig Jahre im Betrieb hochgedient und führt die Aktiengesellschaft nun mit seinem Cousin Karl Kapsch, der Ausbildung nach Mediziner.

Noch immer trägt das Unternehmen, das mittlerweile 2.300 Mitarbeiter beschäftigt, die Züge eines typischen Familienbetriebes. „Wir brauchen keinen Aufsichtsrat für unsere Entscheidungen” (Kapsch). Ein Syndikatsvertrag verhindert den Verkauf von Aktienpaketen an Familienfremde. Auch an die Börse will man nicht gehen.

Von den vier Unternehmensbereichen — Unterhaltungselektronik, Kondensatoren, Nachrichten- und Datentechnik — wächst die Nachrichtentechnik am stärksten. Hier wird der Großteil des Umsatzes mit der österreichischen Post getätigt.

Kapsch zeichnet mit Schrack, ITT und Siemens für die Digitalisierung des Telephonnetzes verantwortlich, die allerdings noch sehr in den Anfängen steht. Noch macht man mit der konventionellen Telefonie das Hauptgeschäft.

Die Entscheidung für Nachrichtentechnik fiel nicht von heute auf morgen. Ursprünglich wollte man in die Medizintechnik einsteigen. Die Unterhaltungselektronik-Produktion wurde bereits vor zehn Jahren aufgegeben. Kapsch ist hier Generalvertreter von Sharp: „Es wird praktisch nur mehr in Japan produziert.”

Mitte der siebziger Jahre begab man sich mit einigen Technikern in die Vereinigten Staaten und nach Kanada, um auf Messen eine geeignete Lizenz für die Digitalisierung des österreichischen Telefonnetzes zu erwerben. Man entschied sich für die Northern Telecom, den viertgrößten Konzern der Welt auf diesem Gebiet.

Wäre es nicht wie Wirtschaftsexperten empfehlen, besser gewesen, in diesem rasch wachsenden und sich ändernden Markt selbst in die Entwicklung einzusteigen, um teure Lizenzgebühren und wachsenden Technologie-Rückstand zu vermeiden?

Die Frage verursacht bei Kapsch Kopfschütteln: „Es wäre völlig unmöglich gegen die Japaner und Amerikaner konkurrenzfähig zu sein. Wir haben uns bewußt für eine Technologie entschieden, die kein Papiertiger ist, sondern bereits erprobt war.”

In der Digitalisierung sei Österreich, so Kapsch, keineswegs im

Hintertreffen: „In der Schweiz tut sich auf diesem Gebiet noch gar nichts und in Japan ist man von einer Vollendung auch noch weit entfernt.”

Bis zur Jahrtausendwende wird in Österreich die Umstellung dauern: „Dann allerdings wird der Telephonverkehr rascher und reibungsloser funktionieren.”

In Zukunft will man sich vor allem auf die Verbindung von Nachrichtentechnik und Bürokommunikation konzentrieren, wobei die Software (Bedienungsprogramme für Anwender) das größte Problem ist. Derzeit werden bereits zwei Systeme — Tel-Star für kleine und Data-Star für große Betriebe — angeboten: „Der Jammer ist, daß viele Firmen abwartend reagieren.” Noch im Februar soll allerdings im österreichischen Rundfunk die bisher größte digitale Telephonanlage installiert werden.

Gemeinsam mit Northern Telecom wurde außerdem die EDV-Gesellschaft „Data 100” gegründet, die Terminals (Bildschirmgeräte) im Zusammenhang mit digitaler Nachrichtentechnik vertreiben soll.

Weitere Schwerpunkte in der Zukunft sind Richtfunk- und Satellitenübertragungseinrichtungen. Aber, so Kapsch: „Man muß die Ambitionen der Techniker einbremsen und den Preis im Auge behalten.”

Jährlich werden regelmäßig 140 bis 150 Millionen Schilling investiert und elf bis zwölf Millionen an Dividende ausgeschüttet.

Nur acht bis zehn Prozent der Produktion gehen in den Export. Man plant jedoch, die Aktivitäten in den Oststaaten und in Afrika auszuweiten, was bei höher entwickelten Systemen auf den Widerstand der Lizenzgeber stoßen dürfte. Andererseits haben gerade hier Österreicher gute Chancen.

„Man muß auf allen politischen Registern spielen können”, faßt Kapsch zusammen: „Jagd und Kampf liegen mir. Ich schau nicht gern zu und rauche dicke Zigarren und seit ich mit 17 Jahren nach einem Schiunfall drei Wochen im Koma gelegen bin, kann ich nur sagen: ,Ich fürchte den Teufel nicht mehr.'”

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