"Das Problem ist die Schuldenpolitik“

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Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, über die Notwendigkeit von Reformen, die "Bremse“ Sozialpartnerschaft und die Unteilbarkeit des Liberalismus.

Seit 2012 ist Georg Kapsch, CEO des Telekommunikationskonzerns Kapsch AG, Präsident der Industriellenvereinigung. Im Gespräch warnt er vor einem Nachlassen der Reformanstrengungen auf nationaler wie europäischer Ebene, auch wenn die Talsohle der Krise durchschritten sei. Sich selbst bezeichnet der 54-Jährige als wirtschafts- wie gesellschaftspolitisch Liberalen.

FURCHE Spezial: Sie sind seit Oktober 2012 Chef der Industriellenvereinigung. Was sehen Sie als die größten Herausforderungen für ihre Organisation für 2014?

Georg Kapsch: Zweifellos wird die Wahl zum Europäischen Parlament im Mai für uns ganz wichtig sein. Es muss darum gehen, Europa aktiv wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen zu rücken und zu zeigen, wie entscheidend die europäische Ebene auch für den heimischen Wirtschaftsstandort ist - Stichwort Reindustrialisierung. Auf nationaler Ebene werden wir als Vertretung der österreichischen Industrie der neuen Bundesregierung mit unserer Expertise zur Verfügung stehen, wenn es darum geht, die richtigen Rahmenbedingungen für einen nachhaltig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort zu schaffen. Und wir werden diese Rahmenbedingungen auch weiterhin nachdrücklich einfordern!

FURCHE Spezial: Wie ist generell Ihre Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Jahren. Die Krise wurde schon mehrmals öffentlich zu Grabe getragen und ist dann wieder auferstanden. Was denken Sie?

Kapsch: Wir haben langsam die Talsohle durchschritten. Auch laut unserer jüngsten IV-Konjunkturumfrage ist nach sechs Quartalen ein Ende der Stagnation in Sicht. Ein Grund zum Ausruhen ist das aber sicherlich nicht. Im Gegenteil: Für einen nachhaltigen Aufschwung müssen genau jetzt die strukturellen Weichen gestellt und die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Das ist ein klarer Auftrag insbesondere an die Bundesregierung.

FURCHE Spezial: Haben wir die richtigen Lehren aus dem Konjunktureinbruch gezogen. Ist etwa Basel III der richtige Weg oder bedeutet er im Endeffekt weniger Kreditkapital für Unternehmer?

Kapsch: Ein gutes Umfeld und Klima für die Unternehmensfinanzierung sind unverzichtbar für betriebliche Expansion und Investitionen. Vor dem Hintergrund der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise ist es notwendig, die Finanzierungsmöglichkeiten für die Industrie zu verbreitern, regulatorische Überbelastungen für Unternehmen und Kreditwirtschaft zu streichen und einen transparenten, schlanken, berechenbaren Rechtsrahmen im Sinne bestmöglicher Compliance durch die Rechtsanwender sicherzustellen.

FURCHE Spezial: Sie sind ein Kritiker des Pensionssystems und drängen hier auf einschneidende Reformen. Warum?

Kapsch: Allein, dass jemand sagt, "die Pensionen sind gesichert“, ist lächerlich. Jeder weiß, dass sie nicht gesichert sind, auch die Bevölkerung weiß das. Wenn wir Generationengerechtigkeit wollen, muss das Pensionssystem grundlegend geändert werden. Durch Wegreden und zusätzliche Belastungen wie ein Bonus-Malus-System werden die Probleme nicht gelöst werden.

FURCHE Spezial: Wird sich der Staat in Zukunft leisten können, was er sich bisher geleistet hat oder braucht es einen Paradigmenwechsel auch in der Politik?

Kapsch: Einsparen, Ausgaben reduzieren, den Staat auf seine Kernaufgaben zurückführen: das muss der Weg sein. Wir können es uns sicher nicht leisten, zusätzliche Kosten zu verursachen und diese durch neue oder erhöhte Steuern zu finanzieren. Es ist volkswirtschaftlich und empirisch bewiesen, dass jene Länder, die in schwierigen Situationen gespart haben, nachher ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum gehabt haben. Es geht doch immer nur um eines: um Arbeitsplätze, Arbeitsplätze und nochmals Arbeitsplätze. Zu glauben, dass diese durch zusätzliche Steuereinnahmen oder Strafzahlungen von Unternehmen geschaffen werden, ist ein grundlegender Irrglaube.

FURCHE Spezial: Das politische Konstrukt der Währungsunion ist mit der Budget- und Wirtschaftskrise deutlich in die Kritik geraten. Denken Sie, der gemeinsam mit den Teilnehmern der Troika eingeschlagenen Weg der Schuldenbekämpfung ist der richtige? Sollte man mehr für die Realwirtschaft tun?

Kapsch: Die Realwirtschaft muss in der Finanzwirtschaft einen starken, verlässlichen Partner haben. Die gemeinsame Währung ist nicht das Problem, sondern die Schuldenpolitik einzelner Staaten, die es leider versäumt haben, beizeiten Reformen einzuleiten, um ihre strukturellen Defizite in den Griff zu bekommen. Um diese Reformen kommt man daher jetzt nicht länger herum. In der Krise hat sich zudem in ganz Europa die Industrie als stabilisierender Faktor erwiesen. Insbesondere deshalb gibt es auch in ganz Europa Bestrebungen hinsichtlich einer Reindustrialisierung, die man nun konsequent vorantreiben muss.

FURCHE Spezial: Was halten Sie von der mit dem Begriff "Nordeuro“ verbundenen Idee der Auflösung der Währungszone?

Kapsch: Ich halte grundsätzlich nichts von einem Nord-Euro. Je mehr Länder in der Eurozone sind, umso stabiler sind die Währungs-Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Die Krise der Euroländer rüttelt nicht an der Sinnhaftigkeit der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion - im Gegenteil. Der gemeinsame Währungsraum hat sich in der Krise bestens bewährt, gerade Österreich profitiert massiv vom Euro.

FURCHE Spezial: Gibt es für Sie eine Alternative zur europäischen Integration?

Kapsch: Alleine schon das Denken an ein Ende Europas würde für Europa insgesamt und die Staaten Europas - auch für die großen Staaten - das Ende des Wohlstandes bedeuten. Als Industrie ist uns die Notwendigkeit europäischer Lösungen bewusst, die wir daher auch massiv von der Politik einfordern. Entscheidend ist eine noch viel engere politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Eine Europäisierung der Energiepolitik wäre etwa ein Gebot der Stunde, wenn wir wettbewerbsfähige Energiepreise sicherstellen wollen.

FURCHE Spezial: Wie sehen Sie die Rolle der Sozialpartnerschaft in Österreich?

Kapsch: Die Sozialpartnerschaft in ihrer heutigen Form hat sich überlebt. Sie wird nämlich zum Teil nicht mehr im Sinne des Ausgleichs zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen gesehen, sondern hat sich zu einer Art "Staat im Staat“ und einer Reformbremse entwickelt.

FURCHE Spezial: Nun gab und gibt es einen heftigen Schlagabtausch zwischen der Regierung und den Lehrergewerkschaften über ein neues Dienstrecht, ganz allgemein aber über die Bildung der Zukunft. Welche Meinung vertreten Sie da?

Kapsch: Ein neues Lehrerdienstrecht ist prinzipiell zu begrüßen, auch wenn es nach wie vor Verbesserungsbedarf gibt. Das Problem dabei ist aber, dass das Pferd wieder einmal von hinten aufgezäumt wird. Wir beginnen mit einem Lehrerdienstrecht, noch bevor wir überhaupt konkrete Bildungsziele oder Bildungsstrukturen definiert haben. Das Grundproblem ist, dass die politischen Akteure die gesamte Bildungsdiskussion mit einer ideologischen Last befrachten, anstatt eine grundsätzlich notwendige Reform des Bildungssystems in Angriff zu nehmen.

FURCHE Spezial: Sie sind Ihrer persönlichen politischen Anschauung nach ein Liberaler. Was fehlt der österreichischen Gesellschaft an liberalem Gedankengut. Wie könnte das Land davon profitieren?

Kapsch: Ja, ich bin ein Liberaler im gesellschaftspolitischen und wirtschaftspolitischen Sinn, denn Liberalismus ist für mich unteilbar. Parteipolitisch bin ich, insbesondere in meiner Funktion als Präsident der Industriellenvereinigung, äquidistant.

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