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Der ganze Hemingway

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Es war höchste Zeit für eine Taschenbuchkassette mit den gesammelten Werken von Ernest Hemingway, darauf haben viele Menschen gewartet, Hemingways deutscher Verlag, Rowohlt, brachte sie nun endlich auf den Markt. Ansehnliche Verkaufsziffern sind zu erwarten.

Es ist allerdings dem Hemingway-Leser gegenüber ziemlich instinktlos, eine solche Kassette ausgerechnet mit der Einleitung desjenigen auf den Markt zu werfen, dessen Hemingway-Demontage „Tod eines Jägers“ nicht nur Hemingway-Bewunderer, sondern auch viele Hochhuth-Freunde abgestoßen hat. Bekanntlich kam es genau so, wie wir in unserer Rezension der Salzburger Aufführung prophezeiten: Der „Tod eines Jägers“ kommt nun mit großer Star-Besetzung auf den Broadway, und was man in Europa mit viel gutem Willen vielleicht für die mutige Attacke auf ein Idol halten konnte, entpuppt sich nun als geschickte Ausnutzung der amerikanischen Haut-Hemingway-Welle. Denn in den USA, wo man, freilich wie auch sonstwo, stets eines Tages zerfetzen muß, was einem einmal gefallen hat, ist Hemingway im Moment out. (Die nächste Wiederentdeckung kommt so sicher wie der nächste Sommer, nur nicht so bald.)

Hochhuths Vorwort beginnt mit den denunziatorischen Worten „Der Selbstmörder Ernest Hemingway war in diesem Jahrhundert einer der vom Schicksal meistverwöhnten Sterblichen“ - aber immerhin, er benützt die Gelegenheit, den ziemlich miesen Eindruck, den sein Stück gemacht hat, ein wenig zu verwischen und den -wahrscheinlich sogar richtigen - zu erwecken, von Hemingway fasziniert zu sein.

Als Anhang des zehnten Bandes gibt es außerdem eine äußerst detailreiche, informative ,J_iebens- und Werkchronik“ von Martin Christadler und eine ausführliche Bibliographie Hemingways und seiner Werke von Ruth und David Clayton. Darauf wird allerdings im ersten Band nirgends hingewiesen, was so aussieht, als könnte die Produktion vielleicht schon begonnen haben, als man entdeckte, daß es mit diesem Kommentar von Hochhuth denn doch nicht getan war.

Der Rest ist Hemingway, 10 Bände mit insgesamt an die 3500 Seiten, auf knappstem Raum und mit wenigen Lücken, die man verschmerzen kann. Das gesamte Lebenswerk dieses Mannes, der ein Lebensgefühl seismographisch registrierte, übersteigert personifizierte und weitergab, das heute kaum mehr nachvollziehbar ist. Hemingway gehört einer anderen Zeit an, und es ist müßig, ihm vorzuwerfen, daß er war, der er war- denn wo wären die giftigen Früchte dieses seines Soseins? Bei einem Dichter wie ihm hat Hochhuths Entlarvungs-Masche keinen Sinn. Jedenfalls keinen anderen als den, einen Broadway-Erfolg zu produzieren.

Die Kassette enthält „Sturmfluten des Frühlings“. „Fiesta“, „In einem anderen Land“, „Haben und Nichtha-ben“, „Wem die Stunde schlägt“, „Uber den Fluß und in die Wälder“, „Der alte Mann und das Meer“, „Inseln im Strom“, zwei Bände Erzählungen, „Die fünfte Kolonne“, „Tod am Nachmittag“, „Die grünen Hügel Afrikas“, „Paris - ein Fest fürs Leben“ und die „49 Depeschen“. Also den gesamten bekannten Hemingway, nicht nur den Dichter, sondern, in ausgewählten Reportagen, auch den Journalisten. (Rowohlt-Verlag, Reinbek bei Hamburg 1977,10 Bände in Kassette, etwa 3500 Seiten, öS 600-.)

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