6964810-1985_10_01.jpg
Digital In Arbeit

Der Tod für Schönheit?

Werbung
Werbung
Werbung

Die Erzeuger und Vertreiber kosmetischer Präparate geben sich in Osterreich momentan äußerst zugeknöpft. Inhalt und Zusammensetzung ihrer Gesichtsund Hautcremes werden wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Das hat — neben dem Produkt- und Markenschutz — wohl auch einen aktuellen Grund.

Seit ein Reporterteam des Magazins „Ikarus” — als Vertreter eines imaginären französischen Kosmetikkonzerns getarnt — in einem Wiener Spital tote menschliche Embryos ankaufte, gehen die Wogen der öffentlichen Erregung hoch: Abgetriebene Embryos als Handelsware und Grundstoff für Schönheitsmittel — das darf doch nicht wahr sein!

Die zuständigen Behörden und Politiker beeilten sich, den „Embryohandel” als bedauerliche, einmalige Fehlleistung zweier Prosekturgehilfen darzustellen. Mit der fristlosen Entlassung der beiden habe die traurige Angelegenheit ihr Ende gefunden. Und außerdem: Alle in Österreich bei Abtreibungen „anfallenden” toten Föten würden ordnungsgemäß „bestattet”. Der Handel, aber auch das medizinische Experimentieren mit Embryos sei gesetzlich strengstens verboten (siehe auch „Der Mensch als Ersatzteillager”, Seite 5).

Doch schon vor Jahresfrist hat ein Buch das Gesundheitsministerium auf den Plan gerufen. Zwei französische Journalisten. veröffentlichten ihre jahrelangen Rechercheergebnisse über die „Händler ungeborenen Lebens” in Buchform. Einer der Hauptabnehmer von Abtreibungsembryos sei danach die französische Kosmetikindustrie.

Und weil in Österreich ein nicht unerheblicher Teil der Kosmetikartikel aus Frankreich importiert wird, wurden in einer Sonderprüfung alle in Österreich zugelassenen Kosmetikprodukte überprüft.

Uberprüfende Behörde war die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung. Das Ergebnis: In Österreich sind keine Kosmetika im Verkauf, die „nicht verkehrsfähig” sind, also nicht angeboten werden dürfen, weil sie verbotene Substanzen enthalten.

Nur: Collagen steht nicht auf der einschlägigen Verbotsliste. Und um Collagen geht es im konkreten Fall, vor allem um das sogenannte Humancollagen. Diese— in jedem menschlichen Körper vorhandene Zellsubstanz - sorgt unter anderem für die Straffheit der Haut. Der Collagengehalt der Haut ist bei der Geburt eines Menschen am höchsten. Und Präparate mit eben diesen biochemischen Aktivwirkstoffen aus Embryonenzellen können, so meinen einige Wissenschafter, trockene Haut und Falten verschwinden machen.

So entschieden manche Kosmetikwissenschafter auf die „verjüngende” Wirkung des Collagen setzen, genauso entschieden wird dies von vielen Hautärzten bestritten.

Dennoch werben verschiedene Kosmetikhersteller für ihre Produkte auch hierzulande mit dem Hinweis, ihre Gesichtscreme enthalte natürliches Collagen. Ein Beispiel: „Eubos-Creme mit Collagen”, hergestellt von der Dr. Hobein & Co-Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Wie aber die österreichische Vertriebsfirma der „Eubos-Creme mit Collagen”, die Cilag Ges. m. b. H., nach Rücksprache mit dem Hersteller freimütig mitteilt, werden für dieses Produkt ausschließlich Kalbstierhäute zur Collagengewinnung verwendet.

Einer der größten Hersteller pharmazeutischer und kosmetischer Produkte in Österreich, die Schering AG, verzichtet bei der Herstellung ihrer Kosmetikserie „Viviane” überhaupt auf jede Collagensubstanz. Bei Schering verweist man auch darauf, daß alle Produkte aus dem Haus „bis zum letzten Bestandteil” deklariert werden.

Ein solcher Offenbarungseid ist in der Kosmetikbranche allerdings nicht die Regel. Dennoch legt man in der Sektion Kosmetikindustrie der Bundeswirtschaftskammer für die fast 60 Industriebetriebe, die im Bereich Kosmetik tätig sind, die Hand ins Feuer: Zu-* mindest die industriellen Kosmetikhersteller verwendeten keine Embryo-Collagene.

In der mit der Kontrolle von Kosmetikprodukten befaßten Dienststelle des Gesundheitsministeriums hat man die aktuelle Diskussion über die angebliche Verwertung von menschlichen Embryos in der Kosmetikindustrie jedenfalls zum Anlaß genommen, die Kosmetikverordnung nochmals zu präzisieren.

Während die „Verwertung” von Embryonen in Kosmetika - zumindest in Österreich — auf einhellige Ablehnung stößt, beim Einsatz von embryonalem Zellgewebe in der medizinischen Forschung scheiden sich auch schon wieder die Geister. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung werden bei der Entwicklung bestimmter Impfstoffe menschliche Embryonalzellen benötigt, zum Beispiel für die Herstellung von Interferonen, jener körpereigenen Abwehrsubstanz, von der man sich Wunder bei der Krebsbekämpfung erwartet.

Ob abgetriebene Föten der Wissenschaft oder der Schönheit „dienen”: Ihre „Verwertung” deutet auf ein beachtliches Wertedefizit.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung