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Dezember, Monat der Besinnung

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Wiewohl das Land im fahlen Dämmer liegt, die Wiesen ausgelaugt oder unter einem feinen Linnen, die Tage ausgezehrt nach Helligkeit rufen, dunkel der Morgen aufbricht, ist die bestimmende Farbe des Dezembers das Tannengrün. Die erhabene Zwölfzahl der Apostel verbindet sich in ihm mit der Dezimale der Römer, denen er gegen die Natur der zehnte Monat war.

Zehn ist zwölf und zwölf ist zehn, und alles ist eins. Die Zauberformel sagt: es wird wieder heller werden, wenn sich der Jahreskreis schließt.

Die Menschen nehmen das Licht vorweg, gießen Gold und Glanz in ihre Häuser, auch Straßen und Plätze erstrahlen, wenn es Abend wird. Des Monats Zwie-falt auch hier, Licht gegen Dunkel, das es nicht verscheuchen kann, und bei den Menschen Hast gegen schöne Besinnlichkeit. Ferner Kinderglaube regt sich in den Herzen, damals, als Goldfäden vereinzelt auf dem Teppich zu finden waren, ein geflügeltes Kind am Fenster vorbeihuschte und süßes Klingeln ein Wunder ankündigen wollte.

Bei aller Extraversion, die grassiert, immer noch eine Spur von Verinnerlichung: die Menschen lernen, wenn auch oft nur unter der Konvention, das Freudemachen, das Schenken wieder. Man erfährt, was es heißt, beschenkt zu werden; auch da wacht Kindliches auf, die Spannung, was denn in dieser Schachtel, jener Emballage versteckt sein mag. Geben statt Raffen.

Spürst du nicht etwas wie Frömmigkeit? Ist das Christfest nicht das ferne Wirken einer Nacht vor hunderten Jahren? Es raunt und raspelt im Haus, Geheimnisse erleuchten die Mienen, es gibt etwas, was über den Alltag hinausträgt in eine längstvergessene Region, in eine Wunderwelt. Es knallen die Peitschen der Perchten, Dämonen den Garaus zu machen.

Irgend etwas ist anders in diesen kahlen Tagen, es läßt sich nicht fassen. Wie lange noch, und der Schnee verbirgt sich in der Erde, aus dem Gebüsch zittern Vogelstimmen, Hundsveilchen schrek-ken über Nacht aus dem Winterschlaf auf, Säfte quillen. Wie lange noch? Es heißt, Geduld üben, sie wird belohnt.

Fernab ein Bellen gegen die eisige Luft. Und dann wieder strotzendes Glockenläuten, das die Herzen emporhebt. Gott wiegt den Erdball in seiner Hand. Und alle Jahre wieder schickt er das Christuskind.

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