Als vor Jahrzehnten das Femsehen eingeführt wurde, priesen wir es mit den glücklichsten Erwartungen. Nun vrärde uns eine neue Welt in unsere Wohnung eingeschleust werden.Ja, die Welt ist in unser Heim gekommen, gewiß, aber was für eine? Eine Welt, die es leider gibt, die aber nicht die ganze Welt ist; eine Welt, deren Mißwuchs entgegenzuarbeiten wäre, wenn man ein aufrechter Mann von Geschmack wäre.Zugegeben, es gibt mitunter wirklich ergreifende Szenen, humane Stücke. Aber das Gros dient sodomitischen Greueln, befaßt sich nicht so gern mit Menschen und Menschlichem, als mit dem
„Die älteste Kirche Wiens in Gefahr”, schrieb vor kurzem eine Wochenschrift, deren Namen wir diskreter Weise nicht nennen wollen. Ein kulturhistorisches Kleinod würde durch den Verkehr im zehnten Bezirk ständig erschüttert und erfordere dringend eine Sanierung, aber die Behörden kümmerten sich nicht darum.In der Tat, eine kleine Sensation. Wenn man bisher einen Wiener befragt hatte, welches die älteste Kirche Wiens sei, antwortete er „Natürlich die Ruprechtskirche, laut Dehio angeblich 740 gegründet, in jedem Fall aber urkundlich 1161.” Und da soll es jetzt eine noch ältere
Es scheint, als ob Worte, denen Flügel wachsen, noch einmal zu flattern begönnen und dann für immer erstarrten. „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan” sagt man, aber man müßte richtig sagen: „seine Arbeit”. In dieser Form ist das geflügelte Wort erstarrt, nicht anders als dasjenige von den „Tagen von Aranjuez”, die allgemeiner Aussage nach „vorüber” sind -oder vorbei? - während sie für ihren Schöpfer einfach „zu Ende” waren.Ein merkwürdiger Vorgang ist bei der Morgenluft geschehen, diejemand wittert. Die sanfte Kühle, Sas Heraufdämmern des Tages hat in unserer
Nettes Kaffeehaus. Man kann dort auch einen kleinen Imbiß nehmen, der Kellner ist höflich und dienstbereit. Wir gehen gerne hin. Beim Abschied sagt der Kellner mit einer leichten Verbeugung: „Danke fürs Essen.” Man staunt. Was soll das? Weshalb bedankt er sich dafür, daß wir gegessen haben, wir haben doch nicht um seinetwillen gegessen? Ein kleiner Imbiß, gut zubereitet. Man versteht es nicht. Sicher meint er es gut, aber Anlaß zu einem Dank dafür, daß wir gegessen haben, hatte er gewiß nicht abzustatten.Genug: die Szene ist erfunden, um eine ebenso unverständliche aufs Tapet zu
Ein Spruch aus dem Kirchenlatein sagt: Ex umbris et ima-ginibus ad veritatum - aus dem Dunkel und den Bildern zur Wahrheit. Aus dem Dunkel der Bilder zur Wahrheit, kann man ergänzen, nämlich aus der Schwerverständlichkeit der Gleichnisse muß man sich zur Einsicht des Glaubens durchkämpfen. Man kann die Lehre nicht einfach wörtlich nehmen, man muß nach ihrem Sinn forschen, man muß manches abstrahieren, weil jeder Vergleich auch inkompatible Elemente hat, die nicht zu seiner Aussage gehören. So ist dieser Satz wohl gemeint, aber er hat einen anderen, noch eingänglicheren Sinn. Aus dem
Nähern wir uns der Plane, so sehen wir aus weiter Ferne die beiden Stadtberge sich höflich erheben, deren einen das Kleinod von Salzburg krönt. Die Stadt selbst mag wie ein kostbares Schachspiel erscheinen, mit ihren ziselierten und gleichsam geschnitzten Türmen, Aufbauten, Springern und Läufern. Der Dom dominiert darin mit ei- nem freudigen Weiß, die Kirche der Universitas erinnert an flockige Magnolienblüten. Sie ist ein könig- liches Spiel, diese fürstliche Stadt am Ufer einer jetzt grau-grünen Salzach.Ein Blick vom schmalen Steg am untern Lauf orientiert: Am linken Ufer drängt
Haben Sie die Stimme ihres Schutzengels schon einmal gehört? Betretenheit pflegt dieser Frage zu antworten, oder Achsel- zucken. Für uns alle ist in Kinder- zeiten der Engel selbstverständli- cher Begleiter gewesen, aber unter Erwachsenen kann man nur schwer darüber reden. Engel sind unbe- weisbare Wesen, unsichtbar und zudem oft ein Gegenstand fürch- terlicher künstlerischer Versuche.So ist zwar unserem Verstand das Geheimnis der Atome klar gewor- den und die Beherrschung der Überschallgeschwindigkeit gelun- gen, aber von höheren Wesen wis- sen wir so wenig wie das Tier von uns; schon
Unerschöpflich sind die Bil der, nen der Häuser glänzen läßt - der Mensch hätte schon längst alles zunichte gemacht.Eifrig bestrebt wie ein Maul- wurf, der blind zur Erdober- fläche hinauf wühlt, um dort vom Gärtner getötet, von Hunden totgebissen zu v/er- den, kennt der Mensch kein besseres Bestreben, als die Pracht seiner Heimat zu ver- unglimpfen, harte Straßen durch Haine zu ziehen, Beton über feuchten Boden zu gie- ßen, Wälder zu erlegen und Berge abzutragen, Almen durch hektischen Skilauf zu zerstören und Katarakten das Wasser abzugraben. Was wir heute sehen, ist kaum
Wer vom Schicksal geschlagen wird, sucht sich zu verbergen. Eine Spur von diesem Schamgefühl empfindet wohl jeder, der einen Gegenstand verloren hat; er ist gestraft; die Sache ist ihm, über den Verlust hinaus, peinlich.Sofort stellt sich auch Skepsis bezüglich der Redlichkeit aller übrigen Erdenbewohner ein: es ist sinnlos, sagt sich der Verlustträger, im Fundamt nachzufragen. Würde er selbst die Mühe auf sich nehmen, eine auf der Straße aufgelesene Kleinigkeit dorthin zu tragen, in langer Reihe zu warten, bis er dran- kommt, die Protokollierung über sich ergehen zu lassen? Wie nahe
Ein älterer Herr trat in einen Wiener Elektroladen, um Batterien für seinen Radioapparat zu erwerben. Außerdem suchte er nach einer kleinen Spezialzange. Diese wurde ihm vom Verkäufer mit den Worten vorgelegt: „ Das ist eine sehr gute Zange. Die hat noch nie jemandem etwas getan." Als der alte-re Herr sich nun bemühte, die Batterien einzupassen und nicht damit zurande kam, nahm ihm ein Nebenstehender den Apparat aus den Händen und brachte das verzwickte Kunststück schnell zustande. „Gewußt wie", sagte er und lehnte jeden Dank ab.Eine kleine Alltagsszene. Der Verkäufer
So einsam sind wir unter unseren Freunden geworden, so sehr uns allein überlassen, daß sie sich auch von uns verlassen fühlen müssen: alle Verantwortung gehört jetzt dem einzelnen; wie er seine Bahn zog, so bleibt sie eingegraben, nichts enthebt ihn seiner Taten. Die Zukunft verjüngt sich, ist schon klein geworden, es gibt kein Zu-rück; das Versäumte ist verspielt, das Getane geschehen: lautlos ertaubtWie die Waage verzweifeln mußl Die Schale fällt; das Leere hat Gewicht. Was ist geschehen? Was bleibt?Das Licht der Kerze ist treu. Das Licht der Erinnerung, ihm verwandt, rundet die
Wir gehen ins Holz. Der Mann neben mir hat die Axt geschultert, die Bandsäge trägt er wie einen Stutzen unter dem Arm, er steigt den Hohlweg bedächtig hinan. Der Wald duftet mit der animalischen Intensität eines Rindes. Winzige Erdbeeren blinzeln aus schützenden Blättern hervor, Schwämme riechen wir, Humus, Zinnkraut, Farn, diesen eigentümlich fahlen Duft. An dieser Lichtung hat der Mann im vorigen Jahr gearbeitet. Sie ist sein Werk, er schlug sie aus dem Gehölz. Die umstehenden Bäume neigen sich der Sonne zu. Ihr Ehrgeiz trügt sie, da sie der werdenden Mißgestalt nicht achten und
Wenn Heinrich Heine in seinem geradezu weltbekannten Gedicht „Loreley“ von einem alten Märchen spricht (nicht: uralten übrigens), das ihm nicht aus dem Sinn komme, so ist er dabei einem weniger bekannten Irrtum unterlegen: es gibt keine Märchenfigur dieses Namens. Vielmehr geht es um eine Romanfigur aus Brentanos „Godwi“, der er den Namen Lore Lay gegeben hatte. Aber die Geschichte war so schön, daß sie eine gewisse Unsterblichkeit erlangte, variiert wurde und letztlich in ein „Handbuch für Reisende am Rhein“ als Rheinsage aufgenommen wurde.Das und manches andere, etwa Mark
Die Ehe ist eine Leistung, über der mit Recht der Segen eines Sakramentes liegt. Aus dem Freudentaumel der ersten Tage geht sie in die mühsame Gewöhnung und in den Alltag über, der erst beweisen wird, ob sich hier zwei Menschen gefunden haben, die als Einheit stärker sind.Sie sind zu einer so innigen Gemeinschaft in den meisten Fällen nicht vorbereitet; das Hinreißende des Entschlusses zur Ehe und damit zu einer körperlichen und seelischen Erfüllung hat ihnen oft genug ein anderes Bild vorgegaukelt, als es die Realität auch im glücklichsten Fall bieten kann. Aus der lieblichen
Ist es Nepotismus — also schlaue Begünstigung von Verwandten, wie sie ein Renaissancepapst übte, um sich Gefolgschaft dadurch zu sichern, daß er seine Neffen (nepotes) und andere Verwandte in hohe Ämter bugsierte —, ist es also im Grunde unerlaubt, daß ein Rezensent das Buch einer Kusine, das ihm wichtig zu sein scheint, zum Gegenstand seiner Betrachtungen macht? Auf die Gefahr hin, daß er in diesen Ruf kommt (ohne ein Renaissancepapst zu sein), möchte hierOas Buch der Marietheres Waldbott „Es steht ein Berg in Afrika“ angezeigt werden, das allein schon seiner Herkunft nach
Schnee fällt auf die Häupter meiner Freunde, die älteren aber beginnen gar aus dem Kreis zu treten, heute und gestern und morgen hör ich von einem, dem die Bürde letzter Verantwortung auferlegt wurde - wie sie Unzählbare auf sich genommen haben, gern oder ungewollt, schnell oder in langen Nächten. Immer wieder ficht es mich an: dem Guten doch ein Wort der Anteilnahme zu sagen; als vermöchten seine geschlossenen Augen die bläulichen Lider zu durchblicken, als wäre er unter uns und bedauerte den, der seines Namens war. Ich spreche noch mit ihm, da läßt er mich stumm stehen. Aber die
Noch ehe der Dirigent den Taktstock gehoben hat, weiß das Orchester, ob es mit ihm wird leben können. Für den Zuhörer verhält sich das anders. Er ist bereit, sich der Musik hinzugeben, aber er muß vorher einen Zustand von Sammlung erworben haben, dem die Zerstreuung am besten dienlich ist: er sieht zuerst den Dirigenten an. Wie wird er den Einsatz geben, wie das Pianissimo meistern?Er ist ein neuer Mann, der zur heutigen Matinee im festlichen Anzug das Podium betreten hat, ängstlich, wie es scheint, vor dem anspruchsvollen Orchester, und ernst vor seiner verantwortungsvollen Aufgabe.
Wie viele tausend zierlichster Sternchen ein winziges Schneekristall enthält, hat die mikroskopische Forschung gezeigt; welche Unsummen davon erst eine zarte Schneeflocke bilden, bedenkt keiner, der dieses Wunder lautlos vom Himmel sinken sieht — alles dämpfend, auch die Herzen zur Ruhe bettend. Es würde aber schon genügen, sich des entzückten Ausrufs eines kleinen Afrikaners zu erinnern, der auf einer Europareise den ersten Schnee sah und ihn als das erlebte, was er ist: ein Sternenfall.Uns freilich ist der Schnee zur Piste geworden, aber auch diese Rutschbahnen sind, ganz im Anfang,
Aus der Perspektive der Logen ist das Orchester ein Auf und Ab aus Dunkel und Licht, aus Haar- und Schattenstrichen der musikalischen Kalligraphie; näher betrachtet erweist es sich als pointillistisches Bild einzelner Arbeitsplätze, über denen der Herr und Meister der Kapelle thront, er allein in stärkere Glanzeffekte getaucht und darum ein wenig geblendet von sich selber.Er winkt in die kühle Dunkelheit hinab, seine Haare flattern bei energischen Tempi, die er mit seinem Stab aufwühlen möchte. Das Haupt des Dirigenten zuckt mit rot durchleuchteten Ohren über die Balustrade empor und
Das Land ruht sanft, mit seichten Lidern, im Schimmer der Nacht; unbewegt sind Hügel und Flur; der ewig ferne Hund selbst ist verstummt. In einem einzigen Fichtenhain rumort es sonderbar. Zischen, Fauchen, ächzender Wind toben hier, inmitten aller Stüle ein Windbrand, dessen Prasseln auf eine kleine Insel beschränkt bleibt. Woher der Sturm, wohin sein Weg, wo ist er?Mit Furcht und lang getragener Melancholie gehen wir vorüber.ergriffen von der Verlorenheit des Landes in der Nacht und von der rasenden Unruhe eines Einsamen in solchem Frieden. Wie dieser eine Flecken sich isoliert, so haben
Einige von uns haben noch die Zeit erlebt, wo es in den Romanen hieß: „Er nahm Hut und Stock und verließ das Haus.“ Heute ist diese Vorstellung kaum mehr nachzuvollziehen. Das ist eine der Umwälzungen, die vor aller Augen vor sich gehen und darum kaum bemerkt werden.Der Gent vor achtzig Jahren, damals „Gigerl“ genannt, war ohne eine Art kurzer Bambussäule unmöglich. Der Stock war keineswegs eine Gehhilfe, sondern ein Attribut der Vornehmheit, sogarder Wohlerzogenheit, dessen auch der soignierte Herr, der schon in das Alter eingetreten war, wo man sich übertriebener Diskretion in
Die Erde ist hart und starr, eisiges Klirren versilbert die Luft: Man blickt zurück auf das Vergangene, ist voll guter Vorsätze. Und siehe, manchmal öffnet der Himmel seine Augen, haltloses Blau schwebt höher und höher, geheimnisvolle Verheißung. Versöhnlichkeit ist über die Stadtgebreitet, die Autos schleichen wie Panther über den samtenen Schneeboden, Stimmen sind in der Luft, die zu Menschen gehören, deren Kommen unhörbar war. Die Stadt scheint wie verzaubert. /Von weit her läuten Glocken wie in einem Bergdorf, die man sonst nie vernommen hatte.Nun scheint die Erde tief Atem zu
Wir hätten auf den glatten Straßen von Kellerdüften umschmeichelt in den Urlaub fahren können, wenn unsere Behörden cleverer wären und die Chance beim Schopf gepackt hätten, die enormen Vorräte an Gly-kolwein, die sie unter strengem Verschluß halten, auf nützliche Weise loszuwerden.Ganz so streng war der Verschluß übrigens nicht, denn Herrn Toni Kohlbacher, Inhaber einer Räumgerätefirma in Tirol, war es doch möglich, auf dem Umweg, den die bekannten Hintertürin erschließen, zu der nötigen Menge des kostbaren (wertlosen) Materials zu kommen, das ihm seine Idee verwirklichen
Wiewohl das Land im fahlen Dämmer liegt, die Wiesen ausgelaugt oder unter einem feinen Linnen, die Tage ausgezehrt nach Helligkeit rufen, dunkel der Morgen aufbricht, ist die bestimmende Farbe des Dezembers das Tannengrün. Die erhabene Zwölfzahl der Apostel verbindet sich in ihm mit der Dezimale der Römer, denen er gegen die Natur der zehnte Monat war.Zehn ist zwölf und zwölf ist zehn, und alles ist eins. Die Zauberformel sagt: es wird wieder heller werden, wenn sich der Jahreskreis schließt.Die Menschen nehmen das Licht vorweg, gießen Gold und Glanz in ihre Häuser, auch Straßen und
Daß Flöhe zur Gattung der Schmetterlinge zählen, wird niemand glauben wollen. Es spricht ja auch nur ein einziger Umstand dafür, daß nämlich ihre weißen Larven, wenn sie aus dem Ei gekrochen sind, sich - nach elf Tagen — verpuppen und — wiederum nach elf Tagen — aus dem Kokon als kleine Flöhlein herauskommen. Weshalb gerade elf Tage? - Weshalb nicht?Flöhe sind also keine Schmetterlinge, aber vielleicht gehören sie zur Gattung der Grillen? Die Wissenschaft vom Floh, die übrigens noch erstaunlich schlecht entwickelt ist, hat nämlich herausbekommen, daß Flöhe am Bauch eine
Sturm fährt durch die Wälder. Das Kunstwerk Baum, dieses ästhetische Phänomen, zugleich eine phantastische biologischchemisch-physikalische Anstalt, wehrt sich in geschwächter Position gegen den Feind. Junge und Alte fallen dem scharfen Herbstwind zum Opfer, mehr noch aber fallen unter dem Zugriff der Menschen, die kein Erbarmen kennen.Der Anblick einer Eiche auf einsamer Flur, wie sie mit strotzenden Wurzeln den Regen aus der duftenden Erde zieht, einer Windmühle gleich betrieben von der wärmenden Sonne, ist großartig. Feinste Kapillaren heben den mineralischen Saft im Innern des
Vergebens bemühte sich der Portier des kleinen Hotels, einer stockheiseren Dame begreiflich zu machen, daß kein Zimmer mehr frei sei; je weniger sie sich verständlich machen konnte, um so lauter glaubte er mit ihr reden zu müssen. Auf mich, der währenddessen im Hintergrund wartete, warf er über die Gläser seiner Brille einen sympathisierenden Blick. Er betrachtete mein Touristenkostüm, bezog den Rucksack in die Rechnung ein und sagte beiläufig: „Unter dem Dach könnte ich Ihnen ein Platzerl freimachen - aber Bett haben wir keines drinnen.“Ich war ihm dankbar. Nicht allein, weil
Es würde lohnen, amtliche Verordnungen daraufhin durchzugehen, wieweit in jeder von ihnen verborgene und in der Geläufigkeit aufgelöste Vergleiche enthalten sind. Man sagt das so und schreibt es einfach hin, ohne sich Rechenschaft abzulegen, ja, zu einem Teil, ohne auch nur zu ahnen; wieviel Elemente der Kunstsprache man unbesehen anwendet — wenn etwa ein Urteil „erfließt“. Aber man sollte den kleinen Ausflug ins Innere der Sprache nicht scheuen, der dadurch besonders interessant wird, daß er eigentlich in die Prähisto-rie und nicht so sehr in die landschaftliche Breite führt.Man
Wie glücklich war ich damals, als die Krähen im Abendrot über dem Dorf kreisten! Die Glocken sangen aus voller Brust, fern hörte man Amseln. Es ist lange her. Es war vorgestern.Jeder hat auf Erden seinen Engel und seinen Teufel. Und die Identität ist nicht immer auszumachen; mitunter bewirkt der Teufel das, was bekehrt, und der Engel wendet sich ab.•Es genügt nicht, das Gute zu wollen. Das Gute muß auch wollen.•Wir kommen wieder, die Landschaft ist dieselbe, und wir sind dieselben. Aber die gleichen sind wir beide nimmermehr.Manchmal muß Gott mit dem Stiefelknecht nach uns
Es scheint, als ob Worte, denen Flügel wachsen, noch einmal zu flattern begännen und dann für immer erstarrten. „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan“, sagt man, aber man müßte richtig sagen: „seine Arbeit“. In dieser Form ist das geflügelte Wort erstarrt, nicht anders als dasjenige von den „Tagen von Aranjuez“, die allgemeiner Aussage «ach „vorüber“ sind, während sie für ihren Schöpfer einfach „zu Ende“ waren. Wer hätte das gedacht?Ein merkwürdiger und in seiner Art seltener Vorgang ist bei der Morgenluft geschehen, die jemand wittert. Die sanfte Kühle,
Die bebrillte Germanistin, bekannt für ihre Liebe zum Dialekt, lächelte nur unhörbar, als sie die neueste Verordnung vorgelegt bekam: „Sie werden's ge so weit bringen, den Adel als a ganzer weg zu verordnen.“ Diese sowohl semantisch wie inhaltlich rätselhafte Äußerung aufzudröseln, soll ein kleines Amüsement sein.Also: Das „ge“, nicht zu verwechseln mit dem animatorischen „Geh“ (Geh, Alte, schau), scheint nur in einigen Alpenländern üblich zu sein. Es ist ein Suffix mit der Bedeutung „wohl“ oder „vermutlich. Man interpoliere: „Sie werden's wohl so weit
Sie wissen ja, meine Liebe, wie das ist, wenn ein Mann sich verliebt: Ehe und Häusliches treten in den Hintergrund, die Erziehung der Kinder bleibt mir, der Gattin, überlassen, und wenn ich etwas einwende, dann sagt er bloß geistesabwesend: Du hast eben kein Verhältnis. Er meint damit: zu technischen Dingen. Denn die Verliebtheit, von der ich spreche, bezieht sich auf das Auto, das er mit einer Zärtlichkeit umgibt, die mich eifersüchtig machen könnte. Es wird gehätschelt und gestreichelt, und alles andere bleibt lie-gen, wenn der braven Susi etwas fehlt. „Susi first“ ist die
Es gab einmal eine poetische Belanglosigkeit, deren einzige scheue Absicht es war, Freude zu bereiten. Man kaufte in einem Pa-piersäckchen zu flachen Pillen gepreßte Dörrgräser, die der Teetrinker vergnügt auf seinem Getränk schwimmen ließ: Teeblumen, die sich in reizenden Formen aus dem amorphen Pillenzustand entfalteten. Aber nun ja. Man hat für Poesie keinen Sinn mehr, was soll's? Die Mehrzahl der Menschen, und wir leben bekanntlich in den Segnungen der Demokratie, gewinnt ihr keinen Reiz ab und läßt es gelten, daß der Hauch, der einem beim Betreten eines Blumenladens
Seit Tagen schon riß ein eisiger Wind an der Gesichtshaut der Passanten, die Alleebäume zitterten, man hätte „keinen Hund vor die Tür gejagt“. An einem solchen Tag sah ich eine magere Frau mir entgegenkommen, in einem verschlissenen Mäntel. Man ist nicht sehr aufmerksam bei diesem beißenden Wetter, verhüllt sich, eilt dahin, um bald in die Wärme zu kommen, dennoch fiel mir auf, wie arg mitgenommen diese Frau, wie grau ihr Gesicht und wie schmerzvoll ihr Ausdruck war. Sie trug kein Tuch um ihren faltigen Hals, ein dünner Uberwurf schlotterte um ihre Glieder. Und da ich, in mich
Regie ist, wenn ... Aber nein, fangen wir noch einmal an: Regieführen heißt, in sorgfältiger Manier das Gedankengebäude eines Dramatikers den Zuschauern vor Augen zu führen. Oder doch nicht? Vielleicht heißt Regie, die bemerkenswerte Leistung des Regisseurs ins Licht setzen, wozu sich auch gute Autoren eignen.Kurz und gut: Das Burgtheater lacht sich einen Regisseur an, der aus dem Text seines Autors die Notwendigkeit herausliest, was von keiner wie immer gearteten Anmerkung des Verfassers gestützt wird: einen Geschlechtsakt auf die Bühne zu bringen. Dieser wird, brutal naturalistisch,
Eine sanfte Lampe strahlte über die Häupter der zwei Menschen ihr stilles, fast ziseliertes Licht aus; durchsichtig wie Mückenflügel küßte es den Scheitel der blonden Frau — war denn nicht dieses schlichte Gelock einst wallend blond gewesen, unter einem breitgeränderten und flatterhaften Strohhut hervorquellend? In einem fernen, fernen Park mit noch wintertrüben Weihern, daran sich der Gärtner Geringes zu schaffen machte.Der Sinnende ihr gegenüber erschrak vor der plötzlich berufenen Spiegelung im bläulich bepuderten Glasschein der Jahrzehnte; er ging noch einmal Arm in Arm mit
Die Schubladen von Biedermeierkommoden bestehen eigensinnig auf ihrem Recht, vom Menschen beidhändig aufgezogen zu werden. Den frischgebügelten Smokinganzug über den linken Arm geworfen, schwarze Masche und Strümpfe über die Schulter, die Lackschuhe in der Hand, versuchte der Hausherr vergebens, nun mit der Rechten allein das dazugehörige festliche Hemd aus der Kommocte zu holen.Kräftig zog er am rechten Haken, worauf sich die Lade heillos verspießte, dann drückte er mit dem linken Knie dagegen, worauf ihm Krawatte und Strümpfe von der Schulter rutschten, schließ-v lieh griff er
Um diese Stunde gähnte die Straße leergekehrt, weit und breit war kein Fahrzeug zu sehen. Aber als der ältere Herr trotz Rotlicht für Fußgänger die Kreuzung überqueren wollte, hielt ihn eine sanfte Stimme zurück: „Tun Sie's nicht, es wäre eine Sünde.“Eine Sünde? Was für ein seltenes Wort, längst aus dem Vokabular des menschlichen Umgangs gestrichen — und in diesem Fall doch wohl zu pathetisch! Eine minimale Gesetzesüberschreitung, nicht mehr, und insofern, nun ja, eine kleine, läßliche Sünde.Gewiß, sagte die Stimme unbewegt, gewiß, aber wo die Begriffe fehlen, breitet
Anders als heute war das Baibieren und Köpfe-schön-Garnieren im Mittelalter nur ein Teilanwendungsgebiet der Friseure; sie wußten Zähne zu ziehen und kleine Operationen vorzunehmen, womit sie in die Nähe der verachteten Chirurgen gerieten. Ihr Handwerk galt als unehrlieh, obwohl doch damals bestimmt das Frisieren von Bilanzen noch nicht üblich war. Es muß wohl davon etwas Abschätziges hängengeblieben sein, sonst würde man heute nicht den Versuch machen, den redlichen Beruf mit gekräuselten Bezeichnungen wie Hairstylist, mindestens aber Coif-feur zu umschreiben, und ausschließlich
Eine tapfere Nacht. Nun war ihr schwarzer Mantel dünngeschabt, Licht schneite durch das brüchige Gewebe des Himmels herein. Nicht der Morgen graute, die Nacht verfiel. Es war, als herrschte über uns unendlicher Glanz, der nur schüchtern durchkommen konnte, aber an wenigen Stellen funkelnd sichtbar wurde: in Sichelform, alsDoppelstern, als Hauch eines Tierkreisbildes. Ein alter Mann schob einen Piachenwagen mit unseren Koffern. Sein längliches Gesicht wurde unter dem alten Hut von einer Wollhaube umrahmt. Als wir an der Haltestelle des Autobusses angekommen waren, machte er aufseufzend
In Wien sind die starken Männer wieder unterwegs, auf dem Heumarkt fallen gewaltige Fleischkolosse übereinander her und beweisen dabei eine erstaunliche Elastizität. Beim Freistilringen ist, wie der Name schon sagt, jeder Griff erlaubt, was bei den Zuschauern auf den Tribünen Lustschauer erregt und sie denEintrittspreis in das Spektakel vergessen läßt. Allem Anschein nach sind aber auch die stärksten Männer nicht gegen findige Gewandtheit gefeit, was vor mehreren Jahren zum Siegeslauf des kleingewachsenen siamesischen Meisters ,J3o-Ga-Tshi” führte und außerdem der Wiener Polizei
Leider hatte der Kutscher der Großmama gewechselt. Er saß steif und unbekannt auf dem Bock der schwarzglänzenden Karosse mit den Lipizzaner-Schim-meln und betrachtete die aus dem Zug steigende Familie teilnahmslos wie eine beliebige Reisegesellschaft. Erst nachdem die Mutter ihn angesprochen hatte, lüftete er schwach den Rosettenzylinder, sprang elastisch auf die Erde herunter und leitete gemessen die Verstauung des Gepäcks.Ich durfte wieder neben ihm auf dem Kutschbock sitzen, und schrecklich gern hätte ich die Zügel in die Hand genommen, wie es schon manches Mal geschehen war; ich
Wenn demnächst in einer schönen Gegend ein Bach aufwärts fließen sollte, dann täte er's gewiß im Interesse des Fremdenverkehrs. Da es aber dergleichen noch nicht gibt, muß sich der örtliche Kommerzgeist etwas anderes einfallen lassen. Zum Beispiel könnte man einen berühmten Mann hernehmen, der zufällig seinen dreihundertsten Geburtstag hat und ihn vor das Werbemobil spannen.So hat sich, man liest es mit Vergnügen, die Stadt Salzburg Johann Sebastian Bach vorgeknöpft, den mit Mozart, wenn schon nicht viel, so doch der Umstand verbindet, daß er auch Musiker war. Und hat zu seinen
Es geht ihm ans Leben. Mit zitternden Blättern fühlt der Baum die Zähne der Motorsäge an seinem Stamm, er bebt, und mit einem brechenden Aufschrei sinkt er zur Erde nieder. Ringsum die Freunde stehen betroffen, stumm. Ängstlich flattern Vögel auf, ihr Haus ist zerstört, ein Riese ist gefällt, ein Baum gestorben, umsLeben gebracht. Die Holzfäller zeichnen einen letzten Gruß in sein Fell, loben die Geometrie ihres Werks und wollen den Vorwurf der Umstehenden nicht hören. Das hier ist ihr Tagewerk, das sie mit Kraft und Genauigkeit erfüllen. Keine Henkerarbeit, ganz gewiß.Aber wer
Wie das Lexikon zu wissen meint, ist eine Klamm eine „tief eingeschnittene Schlucht mit glatt ausgewaschenen Wänden" und heißt in der Schweiz gelegentlich Schlauche, was nicht ganz ohne Nebensinn ist, da die Begehung einer Klamm oft recht strapaziös sein kann. Es gibt aber — so im Salzburgischen — auch sanfte Klammen, etwa die Glasenbach- und die Tiefen-steinklamm. Hier scheint die Ableitung der Bezeichnung ,JZlamm" aber mit dem lateinischen „dam = heimlich" zu tun zu haben, denn es führen zwar von der Hauptstraße her dankenswerte Schilder in die Richtung dieser Klammen, aber
Im August verwandelt sich das Tiroler Bergdorf Alpbach in einen menschlichen Ameisenhaufen. Die Zahl der kämpfenden Ameisen, also der hochgelehrten Professoren aus aller Welt, die oft recht aggressiv zu Werk gehen, ist wie im Ameisenstaat begrenzt, die Arbeitsameisen aber gehen in die Hunderte und rekrutieren sich aus allen möglichen Staaten, oft sogar aus ganz fernen Ländern.Diese Alpbacher Wochen des „Europäischen Forums"feiern nun in diesem Jahr ihr vierzigjähriges Jubiläum, wie aus großen Transparenten im Ort mit den Jahreszahlen 1945 -1984 hervorgeht.Da allerdings horcht der
Man kann sie von früh bis spät im schönen Wiener Stadtpark gehen sehen, ohne daß sie sich auch nur einen Meter von der Stelle bewegt. Sie steht, und geht doch, und wenn sie steht, dann geht sie nicht. Mit einem Wort, es ist die Normaluhr. Wenn sie aber läuft, dann geht sie auch; geht und läuft in einem.Alle ihre Zifferblätter zeigen weltoffen in eine andere Windrichtung, und das drückt sich auch in den Zeiten aus, die sie angeben. Der Osten bleibt ein wenig zurück, hingegen geht der Westen vor, fortwährend vor, man weiß nur nicht, gegen wen, und der Erfolg ist auch gering genug —
Uber den Begriff „Entelechie" waren wir einander in die Haare geraten, aber nicht maligne wie Kampf hähne, sondern akademisch, enharmonisch: mein Freund, hochaufgeschossen, augenumschattet, weltoffen, katholisch, und ich, auch nicht gerade ein Agnostiker. Ich wollte unter Entelechie das Wirkende verste-hen, vergleichbar dem Autostar-ter, der den Motor anwirft. Wohingegen mein Freund in ihr die Seele schlechthin sehen wollte und daraus etwas wie einen Gottesbeweis abzuleiten versuchte. Was braucht es denn einen solchen, meinte ich, man muß doch bloß aus dem Fenster schauen, um im
Tag für Tag schaut das Bild das Sechsjährigen auf mich herab, der kleine Mann trägt eine prächtige Ulanenuniform mit hellblauer Offiziersbluse, mit weißen Aufschlägen, in der linken Armbeuge hält er den eckigen Tschako mit Roßschweif. Dazu winzige Lackstiefelchen, und über die stolz gereckte Brust spannt sich ein Band, das die Silberbüchse f ür den Kämmererschlüssel hält. Wen überrascht’s, daß der Porträtierte mit seinen nur halbgeöffneten Augen von gewässertem Blau, die noch vom Hauch seiner früheren Welt wissen, ein wenig hochmütig dreinblickt, nicht ahnend, was ihm
Staunend starrte der kleine Junge vom Straßenrand zu uns herüber. Als wir die Ventile des gewaltigen Motors freigelegt hatten, wollte er wissen, was das sei. Das Nächstliegende wäre gewesen, Ihn mit der Bemerkung abzufinden, daß er das doch nicht verstehe. Weniger bequem war es, ihm den Gang eines Ottomotors leicht faßlich zu erklären: daß dieser immer wieder einen Schluck Benzin nehme, welches in seinem Innern angezündet werde, worauf er es schnell wieder ausspucken wolle, weil’s ihm zu heiß sei. Und da mache er eben seinen Mund auf und lasse das Benzin wieder heraus — der Mund
Hoch im Blau sind Orgelklänge“, hat Georg Trakl die schöne Stadt Salzburg besungen, und er hatte recht mit seiner hymnischen Begeisterung. Zudem konnte der Glückliche noch den Blick von der Stadtbrücke nach der Müllner Kirche und in den Himmel hinauf schweifen lassen, ohne daß er von den Rie-senlettern in Gelb gestört worden wäre, die ein auf dem Mönchsberg liegendes Nobelrestaurant aufdrängen, dazu überschattet von dem gegenständlichen Bau, der ebenfalls in auffallender Farbe prangt.Welche Stadtväter da mitgewirkt haben, weiß heute niemand mehr, und hoffentlich haben sie
Mit frommen Lidern wandelte die Zeit in die westlichen Tiefen des Gebirges, müde nicht, sondern froh, und voll der Last des Tages im kühlen Abendlicht. Matt und glücklich die Wiesen, schattenrißhaft die Konturen der fernen Berge. Sie schnitten ein gezacktes Muster an den Rand des wolkenlosen, einfarbigen, flimmernd gelben Himmels.Leichter Abend, Flaum der Sterne! „Wenn aber die Himmlischen haben gebaut, still ist es auf Erden …“; das Tönen der Farben klingt ab, in den Schlaf geküßt ist das grelle Weiß der Kirchturmwand, lieblich erblindet das bunte Fenster, entklungen der Ruf des
Das Theater in der Josefstadt hat seinen Zyklus von Uraufführungen junger Autoren mit Hellmut Butterwecks „Das Wunder von Wien" fortgesetzt.In Wien, lange nach dem Zweiten Weltkrieg, taucht ein Rabbi auf, der Tote - Naziopfer - zu erwecken vermag. Er bedarf dazu nur der Unterschrift von 36 Einwohnern, welche Zahl nicht ohne Absicht aus dem Alten Testament gewählt ist. Dort sind es 36 Gerechte: was aber hier die Liste füllt, das sind Wiener, die zwar einem guten Impuls folgen, sich dann aber bald den Erfordernissen des Tages zuwenden. Werden diese Wiederbelebten zuerst freudigst
Immer wieder heißt es umlernen, mit der Zeit gehen - und sie ist eine tüchtige Marschiererin. Da hatte man doch seine Mitbürger in den österreichischen Erblanden immer als ein fröhliches, friedliches, höfliches Völkchen rühmen gehört und war auch gern bereit gewesen, nur das Beste von ihnen zu halten. Doch siehe da: der Fortschritt marschiert.Heimkehrend aus dem Ausland — sagen wir aus dem Urbanen Hamburg -, muß man sich erstwieder zurechtfinden. Die erste Straßenszene stellt ein Wachmann, der eine junge Fußgängerin bei dem Versuch, die Straße noch schnell bei Lichtwechsel zu
Schauen Sie sich das an—zitierte, wohl unwülkürlich, die ältere Büroleiterin den unvergeßlichen Kabarettisten Karl Farkas -, daß es sowas noch gibt.Sie war mit dem morgendlichen Einlauf an den Schreibtisch des Herrn Regierungsrates getreten, übrigens ein wunderschönes Biedermeiermöbel, wie es einst auch Grillparzer diente, der im Büro sejne Dramen verfaßt und das ganz natürlich gefunden hatte. Mit dem Ausdruck der Verwunderung also überreicht die Dame dem Vorgesetzten die Morgenpost: was sie so erregte, war der Umstand, daß auf der Adresse eines Gesuches der Regierungsrat mit
Schlösser und Burgen sind nicht nur schöne Kulissen, sondern auch Zeugen hoher Kultur. Kann man sie im Geiste unserer heutigen Lebensform nutzbar machen?
Noch ehe der Dirigent den Taktstock gehoben hat, veiß das Orchester, ob es mit ihm wird leben können. Für den Zuhörer verhält sich das anders. Er ist bereit, sich der Musik hinzugeben, aber er muß vorher einen Zustand von Sammlung erworben haben; er sieht zuerst den Dirigenten an. Wie wird er den Einsatz geben, wie das Pianissimo meistern?Er ist ein neuer Mann, der zur heutigen Matinee die Bühne betreten hat, ängstlich, wie es scheint, vor dem. anspruchsvollen Orchester, und ernst vor seiner verantwortungsvollen Aufgabe. Die Noten füllen sein Gehirn, er muß darin die Klarinette wie
Wir gingen das Ufer entlang, wo Fischer saßen; in einem Netzkäfig, halb im Wasser, sah man die Beute, einige unbewegliche Fische und einen größeren schillernd-weißen Leib, dessen Kiemenflossen von Blut trieften; der Fisch lag platt auf dem Wasser, die Seite nach oben gedreht, himmelängstlich anzusehen, beengt und halb verstummt, aber gerade deshalb voll der kreatürli chen Sprache, die den Menschen im Menschen ruft.
Andrzej Kusniewicz, einer der bekanntesten polnischen Dichter, längst im englischen und französischen Sprachraum geschätzt, ist mit seinem Roman „König beider Sizilien“ erstmals ins Deutsche übersetzt worden (eine vorzügliche Leistung von Klaus Staemmler). Sehr spät, denn dieses 1970 entstandene Buch geht Österreich an.Die Handlung, eine präzise, aber doch symbolisch zu verstehende Geschichte des Kavallerieregiments, das nach dem zwitterhaften, längst toten Königreich Sizilien benannt ist, spielt in den letzten Jahrzehnten der Monarchie, in Graz und Wien, in Fchčrtemplon, in
Der Weinheber hatte schon recht mit dem G’frett, das wir provozieren, wenn wir nicht gerade eines mit irgendwas haben. Schon ehedem schlurfte man in der Stadt fallweise durch Schneematsch oder plätscherte durch Wasserlachen. Aber es gab eine Möglichkeit, trockenen Fußes ans Ziel zu gelangen. Versuchen Sie heute einmal, in einem Schuhgeschäft Galoschen zu verlangen …Und was für ein G’frett sind die jetzt so aktuellen Bälle. Wer allein in full dress auf so ein Fest geht, wird auch allein und frustriert wieder Weggehen. Sollte er gewagt haben, eine unbekannte Dame zum Tanz
Die FURCHE gibt dem Feuilleton von nun an regelmäßig Raum. Vignette von Erwin Bra- ijnd zwar wie es sich gehört, unter dem Strich. So schreiben Otto F. Beer, Ladislav Mnacko, Piero Rismondo, György Sebestyén, Hans Weigel, Erik G. Wickenburg und andere mehr.Das Denkmal, die Denkmale. Oder die Denkmäler? Wer würde denn von Merkmälern sprechen? Nun, das Denkmal hält es eher mit der kuriosen Form,es ist überhaupt ein Gegenstand sui generis, zumeist ästhetisch wenig befriedigend, aber einem offenbar unstillbaren Bedürfnis der Menschen seit Bestehen der Welt genügend: eine
Österreich ist ein herrliches Land, eine Augenweide sind seine kleinen Städte, und für den Magen ist überall gut gesorgt. Da gibt es ein vielgerühmtes Restaurant in Mautem bei Krems mit einem einladenden großen Parkplatz davor. Da dieser aber in der prallen Sonne liegt, hat sich ein ausländisches Auto in den Schatten der an ihm entlanglavfen- den Straße geflüchtet. Entzückt flanierten die Insassen durch die Stadt, doch folgte ihnen die Nemesis auf dem Fuß. Österreich ist nicht nur ein herrliches Land, es versteht sich auch auf Fremdenwerbung. Was den Fremden folgt, ist der im Ort
Eines ist bei den verschiedenen Theatergesprächen und Tagungen der letzten Zeit nicht aufs Tapet gekommen: Daß alle Regisseure, tutti quanti, moderne und alte, Lindt- berg ausgenommen, dazu verhalten werden müßten, sich einmal auf den Olymp ihres Theaters zu begeben, um festzustellen, welche Passagen aus der Flüsterproduktion ihrer Darsteller bis dahin dringen. Ganz kraß war es bei Schaaf gewesen, der im Burgtheater Frau Jesserer, ohnehin keine Leuchte der sprachlichen Artikulation, so leise und dazu dem Zuschauerraum abgekehrt sprechen ließ, daß von ihrem Part in Schnitzlers „Der
Ein Stein, den man in ein Bassin wirft, kräuselt die Wasseroberfläche, doch die Wellen verebben bald. Er aber sinkt zu Boden und bleibt da unten störend liegen. Das Gleichnis gilt für eine Maßnahme der Bundestheaterverwaltung, die, wie man hört, den heroischen Versuch unternommen hat, zu sparen. Ein Ukas von oben fiel da in die spiegelnde Oberfläche, sank zu Boden und landete unten. Oben, wo Regisseure für ein paar Textänderungen allabendlich siebentausend Schilling einstreichen — obwohl doch dergleichen Änderungen zu ihrem Metier gehören würden — spiegelt die Fläche bald
Würde jeder nach den Regeln echter Courtoisie leben, das Dasein wäre last ein Paradies. Es ist heute viel mehr nooh als früher ein Übereinkommen. Man kann den Begriff der Höflichkeit auf einen simplen Nenner bringen: sie lebt vom Nebenmen-sdhen, ist umgekehrter Egoismus. Was du willst, daß man dir tu, das füge einem andern zu. Der Blick auf den Partner schafft die Grundlage für das eigene Verhalten. Faustregel: Höflich bist nicht du, das ist der andre. Auf ihn schau, dann hast auch du es besser. Wahre Höflichkeit ist nicht das Einhalten von Regeln, sondern zweckbewußte Rücksicht.
Große kompilatorische Emsigkeit und offensichtlich ein heißes Bemühen zeichnen das Buch „Verhexte Muttersprache“ von Richard W. Eichler aus, welches sich im Untertitel für den Interessierten noch als Abhandlung über „Das Deutsch von heute — Spiegel der Torheiten“ empfiehlt. Es ist erfreulich, daß sich immer wieder Sprachdenker und Sprachforscher finden, die dem guten Deutsch nachspüren, man denke nur an Engel, der «nst viele Bücher darüber verfaßt hat, oder an den Linzer Autor Stummer, der zwar selbst kein großes Deutsch schreibt, aber den Sprachdummheiten ernstlich
Kein Zweifel, daß der namhafte Schriftsteller Josef Mühlberger, den unsere darin so große Zeit aus dem Böhmischen ins Württembergische verschlagen hat, die Predigten jenes schwäbischen Pastors kennt, der dadurch berühmt geworden ist, daß er sie gitarrespielend und in Versen hielt. Denn sein neues Buch „Denkwürdigkeiten des aufrechten Demokraten Aloys Hasenörl“ läßt diesen aufrechten Demokraten nach einer abenteuerlichen Laufbahn zum Grabprediger — und dabei bekannt werden. Allerdings, an der Wiege war's ihm nicht gesungen worden, aber die schon erwähnte große Zeit war in
Ein recht origineller Bursche, dieser Mr. Shoemaker, der einen Trip ins alte Europa macht, feinfühlig bis zur Unhöfhenkelt, mit sich selber un-eins und immer auf der Suche, dabei trotz seinen Jahren von großer Wirkung auf die Frauen, aber untreu, unstet — nun, er ist kein Amerikaner, sondern ein Herr Schuster aus Wien, der in den Staaten sein Glück gemacht und sich als Schriftsteller betätigt hat. Manchmal fragt man sich, ob der Autor, Siegfried Freiberg, hier autobiographische Züge einfließen ließ? Es hat eigentlich nicht den Anschein. Und das ist wichtig: denn er hat eine Figur
Zunächst meint man, was in diesem kleinen Bändchen mitgeteilt wird, seien nur Farben zu einer Kinderlandschaft, Erinnerungen, zart hingetupft, Blätter, die im Wind der Zeit von den Bäumen tropfen; dieser Garten im elterlichen Haus, die Eiben, unter denen einzuschlafen gefährlich äst, weil man nimmer aufsteht, Vater, Mutter, der Bruder und die alte, immer schon alte Anna. Doch dann verdunkelt sich der Himmel der Kindheit, ein greller Blitz erhellt ihn, die zerstörerische Leidenschaft des Vaters tritt zutage, die sich auf den Sohn vererbt, welcher endlich dem Drogenmißbrauch verfällt.
Hobbys gibt es viele, aber daß einer nichts Besseres zu tun weiß, als den Modellen berühmter literarischer Werke nachzuspüren, dem Wetzlar Werthers, wie es heute ist, Prousts Combray (eigentlich Illiers), der eingestürzten Brücken am River Kwai und bei San Luis Rey; dem Mogersdorf des Cornetts Rilke, ist schon bemerkenswert. Und das ohne einen saftigen Verlagsauftrag, ein fach aus persönlichem Interesse, mit nicht geringen finanziellen Opfern, da er doch schließlich auch in Hongkong und Vietnam zu forschen hatte, nach Lesbos reisen mußte und nach Zypern.Solche Literaturbeflissenheit
Joseph Kyselack, 1795 bis 1831, Registraturakzessist in Wien, dürfte der einzige Mensch sein, der es durch Schreiben zu Ruhm gebracht hat, ohne sich der Mühe unterzogen zu haben, Bücher, oder auch nur Artikel oder sonst etwas zu verfassen. Wir wollen uns aber gleich berichtigen: er hat ein Buch herausgegeben, es ist unter dem Titel „Skizzen einer Fußreise durch Österreich, Steiermark, Kärnten etc.“ im Jahre 1825 erschienen. Aber Ruhm hat ihm das nicht gebracht, obwohl manches an der Sache originell war. Allein schon der Einfall, zu Fuß zu reisen. Er kam damit, wie er beschreibt, oft
Das alte Landhaus war bis oben gefüllt mit Gästen, es bog die Balken von der bewahrten Vitalität und Lebenskraft, die hier, neu ins Bewußtsein gehoben, von morgens bis abends deutlich genug zum Ausdruck kam. Der bejahrte Gärtner, ein kurz angebundener, fast schroffer Mann, ließ unter den vielen Großen und Kleinen, die sein Gras mit Füßen traten und mit Liegestühlen bedachten, nur den breitköpfigen Jungen aus Westfalen gelten. „Uwe", hörte man die Mutter des ziemlich ungeratenen Bengels oft von ihrem Liegestuhl aus rufen, „Uwe, Uwe", und damit beschied sie sich, während jener
Franz war ratlos ins Freie gegangen. Als er durch die Türe trat, überfiel ihn die Nacht. Die Nacht rauschte, ohne daß eine Spur von Wind sich erhoben hätte. Daß es so still war, machte sie so laut. An der Horizontlinie blitzte es verschüchtert auf. Dann ereignete sich eine silbrige Detonation. Heere platzten aufeinander, und in ihrer Mitte erstrahlte die blendend bleiche Unendlichkeit, der Mond. Plötzlich war alles begriffen, was bisher nur belebt gewesen war, es gab Figuren und Silhouetten. Die zerrissenen Bäume ächzten gen Himmel, und ganz nahe von Franz blickte ein Brunnen ihn
Dafj Männer eitel sind, wissen wir. Es ist auch nicht weiter überraschend. Denn wenn man gezwungen ist, sich täglich ausgiebig im Spiegel zu besehen, dann mufj einen doch das aus dem Glas Hervorkommende endlich lieb und vertraut sein. Obwohl manche behaupten, sie könnten sich nicht mehr sehen. Das muh man nicht zu ernst nehmen. Irgendwie gefällt man sich doch. Und einen anderen findet man nicht. Jedoch ist die Eitelkeit der Männer grundsätzlich verschieden von der gleichbenannten Eigenschaft, die man den Frauen nachrühmt. Auch das hat seine Gründe. Eitelkeit ist das Selbstgefühl auf
Man sagt das so einfach, ohne sich viel vorzustellen; man weiß genau, was man damit sagen will. Aber sehen wir doch einmal genauer hin: was heißt denn das, tanzen?Ein Herr umfängt eine fremde Dame in aller Oeffentlichkeit, der Herr Professor die Kom-merzialrätin. Niemals wäre dergleichen möglich, wenn nicht dazu die Musik spielen würde. Die Musik aber fordert zur Bewegung heraus. Und da die menschliche Bewegung in erster Linie eine Fortbewegung ist — ob ein Fortschritt, das bleibt offen —, so bewegen nun die beiden innig Umschlungenen heftig ihr Gehwerk.Sie drehen sich miteinander
Es geschah in Ankara. Von I. C. Moyzisch. Verlag .Die Quadriga“, Frankfurt am Main 1950, 208 SeitenZunächst die Tatsachen: durch einen scheinbaren Zufall werden einem untergeordneten Beamten der deutschen Botschaft in Ankara die einmaligen Chancen einer „Großaktion“ des zwischen den Fronten tätigen Geheimdienstes in die Hände gespielt. Der Kammerdiener des englischen Botschafters, ein Albaner, bietet aus Geldgier oder aus Rachsucht gegen die englischen Mörder seines .Vaters Photokopien der geheimsten Dokumente wie des Protokolls der Konferenz von Teheran aus dem Safe des
Der Frack bedeckte die kräftig-unter-etzte Gestalt eher, als daß er sie verhüllte; das Kleidungsstück dezenter Zurückhaltung war unbegreiflich zu etwas Flatterndem verwandelt, mit Schwänzen, Spitzen, Schößen und Umschlägen. Speckig-blondes Haar lag gescheitelt auf kantiger Schädeldecke und endete noch oberhalb der Ohren in einem schlecht durchbluteten Hautwulst; so also war die äußere Erscheinung des Pianisten beschaffen.Nach einer knappen Verbeugung setzte er sich an sein Instrument, maß es mit kurzen Blicken und verpaßte ihm ein paar heftige Akkorde. Die Zuhörer verwandelten
Auf dem Unterschied zwischen einem funkelnagelneuen und einem vornehmen Anzug könne man Klavierspielen, behauptete mein Bekannter immer, der, auf dem Lande lebend, in der örtlichen Kleidung seinen Jägern und Holzknechten sehr ähnlich war, allerdings in einer schwer definierbaren Weise dennoch von ihnen geschieden blieb. Er wollte weder neu vom Schuster kommende Schuhe besitzen, noch einen Anzug tragen, der frisch vom Schneider kam; wie . er es anstellte, daß seine Sachen, die endlich doch einmal geliefert sein mußten, vom ersten Augenblick an das Cachet einer leichten und eleganten