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Kleines Denkmalspiel
Die FURCHE gibt dem Feuilleton von nun an regelmäßig Raum. Vignette von Erwin Bra- ijnd zwar wie es sich gehört, unter dem Strich. So schreiben Otto F. Beer, Ladislav Mnacko, Piero Rismondo, György Sebestyén, Hans Weigel, Erik G. Wickenburg und andere mehr.
Das Denkmal, die Denkmale. Oder die Denkmäler? Wer würde denn von Merkmälern sprechen? Nun, das Denkmal hält es eher mit der kuriosen Form,
es ist überhaupt ein Gegenstand sui generis, zumeist ästhetisch wenig befriedigend, aber einem offenbar unstillbaren Bedürfnis der Menschen seit Bestehen der Welt genügend: eine Form kollektiver Repräsentation.
Vereinzelte Denkmäler sind auch schön, etwa der statuarische Colleoni in Venedig. Den Ausnahmen stehen numerisch hochüberlegene Denkmalaisen gegenüber; steinernes Zuckerwerk, Tragant, Obeliskenblickfânger. Schwer für den modernen Menschen, das Denkmaleins zu erlernen. Mißtrauisch sieht man jedem neuen Denkmal entgegen.
Warum eigentlich? Es ist doch ganz nett, so einen Denkmalanstoß zu bekommen und sich eines vergangenen Großen, vielleicht sogar im Anblick seines Angesichts, zu erinnern. Übrigens kann sich Wien rühmen, sogar einmal einem Lebenden selbst sein steinernes Konterfei dargeboten zu haben, nämlich dem Dichter Anzengruber. Weniger rühmlich die Sache mit dem Franz-Joseph-DFenkmal, welches bekanntlich heimlich nächtens aufgestellt werden mußte.
Von neueren Denkmälern wäre in erster Linie vis-â-vis dem Johann Strauß,
welcher seit Jahrzehnten erfolgreich dagegen angeigt, von seiner Entourage zur FKK-Kultur gezwungen zu werden, der Franz Lehâr zu erwähnen, frisch besamt, wie eine Stadtgartenverwaltungsaufschrift mitteilt. Und: „Betreten verboten“. Ja, wobei könnte man ihn denn betreten als bei der Abfassung einer herrlichen Melodie?
Das Betretensverbot bezieht sich aber natürlich auf die Gesamtanlage, die ihrerseits dem Schutze des Publikums empfohlen ist, was Karl Kraus sprachlich dahin gedeutet hat, daß sie also das Publikum zu schützen hätte, da sie seinem Schutze „empfohlen“, dazu bestimmt sei. Sehr originell ist der Marmorbruch am Oberkörper Lehârs eigentlich nicht, hingegen zeigen zwei andere Mahnstätten einen neuen Aspekt: - früher schuf ein Bildhauer das Denkmal, hier aber ging es nicht ohne Architekten.
Das ist wie beim Theater, man braucht einen Regisseur und nicht nur einen Spielleiter. Beim Renner-Denkmal machte er leider - man verzeihe den Kalauer - das Rennen. Der bekannte Stahlplastiker Hrdlitschka schuf den Kopf des Staatsmannes hellblinkend in wohl fünffacher Lebensgröße und ziemlich naturalistisch. Diesen pflanzte nun der Architekt, wir nennen ihn nicht gern, kurzhalsig auf einen schwarzen Kubus von Tischhöhe, rund
herum stellte erzwölfStahlschienenwin- kel auf, die nach innen zeigend einen Kreis hoch oben über dem Haupt des Staatsmannes tragen. Monate, Jahrkreis? Krönung? Der Eindruck eines Käfigs ist nicht von der Hand zu weisen. Ein Denkmalheur.
Hingegen war bei dem gegenüberstehenden Denkmal für Julius Raab vorwiegend.der Künstler am Werk, Toni Schneider-lOfanzell. Der Architekt, auch vorhanden, wurde zurückgedrängt. Hier wird das franziscojosefini- sche Ziergitter des Volksgartens durch ein aus Bronze geformtes Tor unterbrochen, dessen Mittelpunkt ein Porträt Raabs trägt. Das durchscheinende Bronzetor gibt einen luftigen Durchblick zu den dahinterstehenden Bäumen frei und verarbeitet deren Astgabeln zu einem künstlerischen Motiv, welches immer wieder auf die Kreuzsymbolik eingeht. Man kann da vieles hineinsehen, es regt zur Meditation, zum Denken an: - ein Denkmal.
Wie man weiß, stehen die beiden Denkmale einander am Ring gegenüber, gleichsam in Opposition. Das ist nicht ohne tieferen Sinn. Aber auch das: - beide Männer vereinte der Wunsch nach einem glücklicheren Österreich. Deshalb soll man ihrer dankbar gedenken. Denn ist nicht, - was sie wollten, - aus Österreich inzwischen eine Insel der Seligen geworden? Denk mal an!
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