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LOB DER EITELKEIT

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Dafj Männer eitel sind, wissen wir. Es ist auch nicht weiter überraschend. Denn wenn man gezwungen ist, sich täglich ausgiebig im Spiegel zu besehen, dann mufj einen doch das aus dem Glas Hervorkommende endlich lieb und vertraut sein. Obwohl manche behaupten, sie könnten sich nicht mehr sehen. Das muh man nicht zu ernst nehmen. Irgendwie gefällt man sich doch. Und einen anderen findet man nicht. Jedoch ist die Eitelkeit der Männer grundsätzlich verschieden von der gleichbenannten Eigenschaft, die man den Frauen nachrühmt. Auch das hat seine Gründe. Eitelkeit ist das Selbstgefühl auf Grund wahrer oder eingebildeter Vorzüge, das unaufhörlich Bestätigung von aufjen nötig hat. Nimmt man es so, dann reduziert sich der Bestand der eitlen Männer. Denn was der Mann vor dem Spiegel oder auch sonst über sich empfindet, das ist eigentlich mehr Sfolz und nur bei einem Bruchteil der Herren abhängig von der äufjeren Bestätigung. Der Mann ist mit seinem Aussehen, mit seiner Leistung einverstanden, er ist stolz darauf, aber er legt keinen besonderen Wert darauf, dafj ihm das von andern gesagt wird. Oh, er läfjf es sich gefallen, auch er verfällt der Gefallsucht, was das gröbere Wort für Eitelkeit ist, aber er kann auch einen ganzen Tag lang ohne ein spezielles Lob seiner Frisur herumkommen. Es gibt sogar Typen unter den Männern, denen es lästig ist, wenn sie gelobt werden. Von Zeit zu Zeit tut freilich eine hymnische Kompresse gut.

Wer nun aber behaupten möchte, die Frauen seien eitel, der ist erst recht im Irrtum. Denn was die Frauen tun, das ist Selbstbehauptung. Ihre Eitelkeit kommt aus einer ganz anderen Seelenlage, sie sind sozusagen klinisch indiziert für den Gefallbazillus, sie müssen gefallen, wenn sie gefallen sollen, oder umgekehrt: Es ist nachgewiesen, dafj die Frau, die Bewunderung verspürt, auch schöner, vielleicht gar erst schön wird. Ihre Eitelkeif ist ein biologisches Phänomen. Es ist der gleiche Fall wie mit der Mode, die ihre Abhängigkeit vom anderen Geschlecht mit der gleichen Berechtigung leugnet und bejaht. Eine schöne Frau, auf eine einsame Insel verschlagen, würde bald keine schöne Frau mehr sein, Oder doch: wenn sie ihr Spiegelbild im umgebenden Meer beobachten könnte. Denn auch dieser imaginäre Partner wäre schon ein Anreiz für sie, während ein Mann, der sich nicht rasieren mühte, wahrscheinlich kaum je in Wochen der Schiffbrüchigkeit auf den Gedanken käme, sich zu bespiegeln. Beobachten Sie ihn doch, meine Dame, wenn er im Vorübergehen einen Blick in den Spiegel wirft. Bei ihm ist das keine Natur-cufjerung, es hat etwas Gewaltsames, eigentlich Fremdes. Er ist plötzlich ein anderer, er setzt eine bedeutende3rVtiene auf, umfafjtforschend se'iri'Hä'äV,'afe'iit 'ffüerf'der Krawatte und wendet sich dann von seinem Bildnis mit einem schwungvollen Augenaufschlag weg, den- Sie- ihm ruhig als Eitelkeit- auslegen .können.Würdeer ihr reizendes Antlitz im Spiegel hinter sich aufscheinen sehen, so könnten Sie ein verlegenes Erschrecken aus seinem Gesicht herauslesen, es würde die männliche Spannung verlieren und einen knabenhaften Ausdruck von Ertapptheit annehmen. So wenig eitel ist er nämlich.

Sie hingegen tun, was in Ordnung ist, und taucht nun ein Störenfried auf, so lächeln Sie im bezaubernd zu, oder, wenn Sie wider Erwarten nichts von ihm wissen wollen, so nimmt Ihr Antlitz den Ausdruck indignierter Hoheit an. In keinem Falle sehen Sie einen Grund, sich bei dem unerwünschten Zuschauer zu entschuldigen.

Gerechterweise müssen wir freilich noch von den Männern sprechen, die wirklich eitel sind, die Komplimente herausfordern und sich aufblähen. Diese Männer sind ein wenig komisch, und damit sie es selber nicht merken, müssen sie sich ihres Wertes selbst versichern und versichern lassen. Sie sind im Grunde keine unangenehmen Zeitgenossen. Wenn man ihnen die Luft behutsam abläfjt, bleibt meistens ein recht praktikabler Rest übrig.

Somit ist nur noch die Frage offen, warum eigentlich die Eitelkeit einem moralischen Verdikt unterliegt. Sie ist bei den Frauen biologisch notwendig und dient ihnen und uns zur Freude; sie ist bei den Männern seifen akut und selbst dann meist liebenswert. Muh man denn immer auf die Extreme und Exzesse ausgehen? Ein schönes Mädchen, das nicht eitel ist, läht etwas vermissen, und ein gufaussehender Mann, der sich selbst nicht mag, ist unerträglich. Also kommen wir auf ein Lob der Eitelkeit hinaus.

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