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Die fatalen Kapseln

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Das Theater der Jugend präsentiert seinein Publikum „Die Befristeten“ von Elias Canetti, in der Inszenierung von Hermann Kutscher im Theater im Zentrum. Die Aufführungen finden vom 7. bis zum 17. Mai statt.

„Die Befristeten“ wurden von Canetti 1952 geschrieben. Das Stück fällt in die Zeit, in der sich Canetti mit dem Problem von Masse und Macht beschäftigte, daher auch das Grundthema: Fatalismus als Massenphänomen, das Verhältnis von Masse und Macht in ihrer Beziehung zum Tod.

Das sind freilich thematisch hohe Anforderungen, die Canetti hier seinem Stück und damit auch den Schauspielern stellt. — Das Thema ist denn auch dramatisch schwer zu bewältigen. Den Grundtenor des Stückes bildet dieser Satz aus den Aufzeichnungen Canettis: „Der Augenblick des Uberlebens ist der Augenblick der Macht.“ Ort der Handlung ist eine abstrakte Seelenlandschaft, in der das Gleichnis von der Begrenztheit des Lebens abläuft. Canetti zeigt hier an einer Fiktion, wie Überzivilisation die Todesangst eliminiert.

Jeder Mensch bekommt bei seiner Geburt eine Kapsel, in der festge-

halten sein soll, wie lange er lebt. Die Lebensdauer seines Mitmenschen kann jeder an dessen Namen ablesen, das jeweilige Alter ist Geheimnis der Persönlichkeit und ta-buisiert. Der Kapselan als Vertreter des Staates weiß als einziger das Datum von Geburt und Tod. Der „Augenblick“ (damit ist der Augenblick des Todes gemeint) ist zum wichtigsten Bezugspunkt des Individuums geworden. Die Fixiertheit auf ihn ist stärker als die Liebe zum Partner und zum eigenen Kind. Das Leben ist zum ökonomisch verwertbaren Ablauf geworden, das jeweilige Alter ist der Maßstab der Werthierarchie. Einzig Fünfzig entlarvt die Totalität eines auf Selbstbetrug und Willkür aufgebauten Systems, indem er seine Kapsel öffnet und leer findet.

Es spielen Peter Weihs (Fünfzig), Rudi Schippel (Kapselan), Gerhard Mörtel (Freund), ferner: Roger M-ur* buch und Hans Henning Heers, Friederike Dorff und Eva Pilz. Das Ensemble erbringt eine gute Leistung, was bei der Schwierigkeit des Stücks nicht einfach ist. Eva Pilz zeichnet sich durch besondere Einfühlung aus. Für ein junges Publikum ist Canetti natürlich nicht leicht verständlich.

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