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Die Staatsquote wächst weiter

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Der heutige Staat ist nicht nur finanziell, sondern auch in seiner sachlichen Fähigkeit überfordert, die von ihm erwarteten Problemlösungen auch tatsächlich zu leisten. Eine der Gretchenfragen an die politischen Kräftegruppierungen ist heute und wohl für die absehbare Zukunft daher die Frage nach dem Umfang der dem Staat auf die Dauer wirklich zumutbaren Aufgaben. Sicherlich lassen sich diese nicht quantifizieren, es ist jedoch der Anteil des Staates am Wirtschaftsgeschehen ein wichtiger Gesichtspunkt, zu dessen Quantifizierung als Kennziffern verschiedene „staatswirtschaftliche Quoten“ dienen, deren Aussagekraft von der jeweiligen konkreten Fragestellung abhängt.

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Der heutige Staat ist nicht nur finanziell, sondern auch in seiner sachlichen Fähigkeit überfordert, die von ihm erwarteten Problemlösungen auch tatsächlich zu leisten. Eine der Gretchenfragen an die politischen Kräftegruppierungen ist heute und wohl für die absehbare Zukunft daher die Frage nach dem Umfang der dem Staat auf die Dauer wirklich zumutbaren Aufgaben. Sicherlich lassen sich diese nicht quantifizieren, es ist jedoch der Anteil des Staates am Wirtschaftsgeschehen ein wichtiger Gesichtspunkt, zu dessen Quantifizierung als Kennziffern verschiedene „staatswirtschaftliche Quoten“ dienen, deren Aussagekraft von der jeweiligen konkreten Fragestellung abhängt.

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In Österreich steht die Steuerquote im Vordergrund. Das ist der Anteil der Abgaben an die öffentliche Hand, einschließlich Kammerumlagen, Sozialversicherungsbeiträge und Fondsbeiträge, am Bruttonationalprodukt. Die Steuerquote wird regelmäßig im Amtsbehelf zum Bundesfinanzgesetz imKapitel IV „DerBundeshaushaltim Rahmen der öffentlichen Haushalte und der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung“ veröffentlicht. Gemäß dem Amtsbehelf zum Bundesfinanzgesetz 1978 ist die Steuerquote von 36 Prozent (1969) auf schätzungsweise 40 Prozent (1978) gestiegen - unter Einbeziehung inzwischen erfolgter Steuererhöhungen wird ein Anwachsen der Steuerquote für dieses Jahr auf über 42 Prozent erwartet.

Die Steuerquote zeigt an, wie hoch der Anteil am Bruttosozialprodukt ist, der zunächst durch die staatliche Abgabeneinhebung dem privaten Sektor entzogen und auf den Staat übertragen wird. Damit kommt jener Teil der Staatstätigkeit nicht zum Ausdruck, der im Kreditwege finanziert wird. Seit die Defizite der Gebietskörperschaften beachtliche Dimensionen erreicht haben und wohl auch für die nächsten Jahre die Budgetvolumina bestimmen werden, gibt das Verhältnis der Staatsausgaben zum Bruttosozialprodukt ein aussagekräftigeres Bild. Freilich umfaßt auch die „allgemeine Staatsquote“ nicht die gesamte staatliche Tätigkeit in der Wirtschaft; dazu gehören noch die Dispositionen der staatseigenen Unternehmungen, im weiteren Sinne auch noch die einkommensumschichtenden (z. B. so-

zialpolitischen) staatlichen Vorschriften.

Die Staatsquote zeigt aber immerhin auf, welcher Teil des Bruttonational-produktes über ein Organ der öffentlichen Hand ausgegeben wird, auch wenn solche Ausgaben letzten Endes teilweise den Haushalten (z. B. Transfereinkommen) oder den Betrieben (z.B. Subventionen) zugeführt und damit letztlich im nicht-staatlichen Sektor ausgegeben werden.

In der Bundesrepublik Deutschland wird wegen der größeren Aussagekraft über das Anwachsen des Staatseinflusses der Staatsquote große Aufmerksamkeit geschenkt. Das hat die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag unter der Führung des Vorsitzenden ihres Arbeitskreises für Haushalt, Steuern, Geld und Kredit, Dr. Hansjörg Hä-fele, veranlaßt, an den Bundesminister für Finanzen eine Anfrage über die bisherige und die zu erwartende Entwicklung auf diesem Gebiet zu richten.

Bundesminister der Finanzen Hans Matthöfer hat in seiner Anfragebeantwortung im April mitgeteilt, daß die Steuerquote in der Bundesrepublik von 32,2 Prozent (1960) auf 40,4 Prozent (1977) angewachsen ist, die Staatsquote in der selben Zeit von 32,5 Prozent auf 47,3 Prozent (Graphik 1).

Dabei ist hervorzuheben, daß der Anteil der Sozialversicherüngsbei-träge an der Steuerquote immer größer wird: Von 9,2 Prozent des Bruttonatio-nalprodukts (neben einem Anteü von Abgaben an die Gebietskörperschaften in der Höhe von 23 Prozent) im Jahre 1960 auf 14 Prozent (26,3 Prozent Gebietskörperschaften) im Jahre 1977. In der Zusammensetzung der Staatsquote ist der Anteü der Defizite der Sozialversicherungsinstitute von 8,7 Pro-

zent (Defizite der Gebietskörperschaften 23,8 Prozent) im Jahre 1960 auf 15,1 Prozent des BNP (Defizite der Gebietskörperschaften 32,4 Prozent des BNP) im Jahre 1977 angestiegen.

Auch für Österreich ist der wachsende Anteil der Sozialversicherungsbeiträge in der Steuerquote charakteristisch: Er ist von 20,4 Prozent (1969) auf 23,6 Prozent (1977) aller steuerähnlichen Einnahmen der öffentlichen Hand gestiegen.

Für Österreich wird derzeit noch keine Staatsquote berechnet, da dies insofern nicht ganz einfach ist, als Doppelzählungen vermieden werden müssen, die etwa dann entstehen würden, wenn man die Defizite der Sozialversicherungsträger, die vom Bund gedeckt werden, mit den Defiziten der Gebietskörperschaften addieren würde. Eine grobe Vermeidung von Doppelzählungen kann aber dadurch erreicht werden, daß lediglich die Defizite der Gebietskörperschaften berücksichtigt werden. Diese dürften für 1978 ungefähr 7 bis 8 Prozent des Brut-tonationalproduktes ausmachen, so daß die Staatsquote in Österreich rund 50 Prozent erreichen wird.

Die Entwicklung der Steuerquote und der auf einer groben Schätzung beruhenden Staatsquote in Österreich 1973 bis 1977 (1978) zeigen die Graphiken 2 und 3. Es muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß - wie ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Finanzen über die Aussagekraft staatswirtschaftlicher Quoten vom 30. Juli 1976 nachdrücklich betont - die verschiedenen staatswirtschaftlichen Quoten (vor allem die Staats-, Steuer-und Verschuldungsquoten) international nicht ohne weiteres vergleichbar sind.

In der Bundesrepublik Deutschland etwa werden die Abgänge der Sozialversicherungseinrichtungen im allgemeinen noch aus ihren Reserven gedeckt, so daß die Addition ihrer Defizite mit denen der Gebietskörperschaften bei der Errechnung der Staatsquote gerechtfertigt ist (der Finanzminister hätte solche Einschränkungen auch sicherlich geltend gemacht).

Die Kenntnis und laufende Beobachtung der Staatsquote ist unter den verschiedensten Gesichtspunkten von großer Bedeutung und dient der Transparenz des politischen Geschehens auf einem sehr wichtigen Gebiet Sicherlich ist eine Budgetsanierung nur dann wirklich durchführbar, wenn sie auch sehr wesentlich bei der Ausgabenseite ansetzt und von allen nach Kräften unterstützt wird, die mit dem bisherigen Anwachsen des Staatseinflusses nicht einverstanden sind. Die Finanzpolitiker der CDU/CSU betrachten das schnelle Ansteigen der Staatsquote einschließlich der steuerlichen Uberbelastung des Staatsbürgers als den entscheidenden Ansatzpunkt für eine effiziente, glaubwürdige und Alternativen anbietende Oppositionspolitik, in deren Rahmen auch die Milderung der inflationsbedingten Progression der Einkommensteuer ihren widerspruchsfreien Raum hat.

Aus allen diesen Gründen wäre es sehr wünschenswert, wenn auch in Österreich nicht nur die Steuerquote sondern auch die Staatsquote laufend berechnet und beide regelmäßig publiziert würden.

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