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Dionysische Feier

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Man muß es verkosten. Man muß sich durch dieses Buch hindurchkosten- nicht nur durch die Fülle der herrlichen Abbildungen, die fürs erste dazu verlocken, sondern auch durch den lexikalen Teil von A bis Z, der jeden, der Bücher nicht zu überfliegen pflegt, sondern sie zu genießen versteht, staunen machen wird ob der Menge dessen, was er - obgleich vielleicht Weintrinker und Österreicher obendrein - über Wein, Weinbau, heimatliche Weingebiete, Weinsorten, Weinpflege, Weingeschichte immer noch nicht weiß.

Für den lexikalen Teil sowohl wie für die Feuilletons, die ihn auflockern und die den Leser zum Verweilen einladen, ist ein ganzes Kammerorchester von Fachleuten aufgeboten. György Sebe-styen dirigiert es. Dirigiert vom Cembalo aus. Er gibt nämlich die Einsätze und steuert Kadenzen bei. Die Kadenzen zu diesem und jenem Stichwort bedürften nicht der bescheidenen Kennzeichnung mit „GS“, denn man erkannt, behaglich schmunzelnd, Sogleich jene unnachahmliche Sebestyen-Diktion, die unfehlbar in einer Pointe endet. (Manche davon vielleicht erst auf den zweiten Blick durchschaubar.)

Dazwischen wird solo konzertiert. Sebesty6n beginnt mit einer „Weinreise Richtung Mähren“ (ins Germanische also, jenseits des römischen Limes), er lädt ein in einen „Weingarten im Burgenland“, er verweilt „Staunend im Steirischen“ (wo der Schilcher möglicherweise schon vor den Römern wuchs), er bewährt sich als „Kavalier der Südbahnstrek-ke“, unternimmt eine „Dionysische Wanderschaft durch die Wachau“, singt das „Lob des Weinhauers“ und endet - wie denn auch anders? - mit der „Zeit des Rausches in Wien“.

Nicht zu vergessen freilich Ludwig Prokop, der in seinem Beitrag „Wein und Gesundheit“ das „und“ betont, Josef Fröhlich, der weiß, was es mit dem Wiener, dem Wirt und dem Wein auf sich hat, Helmut Rome, der einen kleinen „Wegweiser der großen Weine“ bietet, Hans Haushofer, der viel zur „Kulturgeschichte des Weinkellers“ zu sagen hat, Olaf Bockhorn, der den „Weinkeller in der Volksarchitektur“ beschreibt, Franz Hieronymus Riedl, der das

himmlische, mediterranladi-nisch-germanische „Törggelenim Weinland Südtirol“ gebührend lobpreist, und Günther A. Pozdi-na, der die am Ende doch aller-wichtigste Frage beantwortet, die Frage „Wie soll man Wein verkosten?“

Darauf nämlich kommt es an. Wie man den Wein verkostet, wie man dieses Buch verkostet. Dieses Buch, das nicht zu einem stumpfsinnig wüsten jammervollen Bacchanal verleitet, sondern zu einer dionysischen, beschwingten Feier einlädt, zum Rasten in kühlen Kellern und zu beschwingtem Wandern, zu Freude und lichterfüllter Heiterkeit, zu sehr umfangreichem Wissen und, von György Sebestyens Hand sorglich geführt, zu maßvollem und sehr nachhaltigem Genießen.

DAS GROSSE OSTERREICHISCHE WEINLEXIKON. Herausgegeben von György Sebenstye'n. Mit 292 Abbildungen, davon 55 in Farbe, und 31 Karten. Verlag Fritz Molden, Wien-München-Zürich-Innsbruck, 1978. 291 Seiten, Subskriptionspreis bis 31. Dezember 1978 öS 580-, dann öS 640,-.

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