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Ein Liebender der Musik

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Ein großer Musiker, ein großer Österreicher ist von uns gegangen: Josef Krips. Er starb an Lungenkrebs, erlag der Todeskrankheit, gegen die er lange und heroisch gekämpft hatte, bis sie ihn im Sommer, mitten aus seiner Pariser Aufführungsserie von Mozarts „Cosi fan tutte” heraus, auf sein Sterbelager im Genfer Kantonsspital niederzwang.

Josef Krips war einer der wenigen echten Wiener Dirigenten, kein Wahlwiener, kein „Eingewienerter”, sondern ein hier geborener (am 8. April 1902), aufgewachsener, zum Musiker gereifter. — Schon als Kind sang der Arztsohn mit Vater und Geschwistern im Chor der Karmeliterkirche, als Gymnasiast beherrschte er nicht nur das Klavierspiel, sondern geigte auch „nebenbei” im Orchester der Wiener Volksoper, an die ihn sein Lehrer Weingartner neunzehnjährig als Korrepetitor und Chormeister berief, wo er auch bäld am Dirigentenpult stand. — Weitere Stationen waren Aussig, Dortmund und Karlsruhe, das den Vierundzwan- zigjährigen zum jüngsten deutschen GMD machte. In der zweiten Ära Weingartner leitete er bereits Mozartaufführungen an der Wiener Staatsoper, dirigierte , die „Verkaufte Braut” mit der Nowotna und Richard Tauber, die „Ariadne” mit Vera Schwarz.

Das NS-Regime bereitete der öffentlichen Tätigkeit von Josef Krips ein Ende: offiziell in einer Sektfabrik dienstverpflichtet, gingen Ensemblemitglieder der Wiener Staatsoper inoffiziell bei ihm ein und aus, um zu korrepetieren und zu lernen.

Am 1. Mai 1945 stand Josef Krips in der ersten, von der russischen Kommandantur befohlenen Aufführung nach dem Krieg am Pult der Wiener Volksoper und dirigierte Mozarts „Figaro” mit Hilde Konetzni, Irmgard Seefried und Sena Jurinac, mit Alfred Poell und Alois Pernerstorfer. Nun konnte er sich mit dem ihm eigenen (und nicht selten auch gefürchteten) Elan und Fanatismus in die Aufbauarbeit stürzen. Mit O. F. Schuh und Caspar Ne- her, Franz Salmhofer und Egon Hilbert als Helfern und mit Künstlern wie den schon genannten, wie der Cebotari, der Li pp, der Güden, Schäffler, Dermota, Kunz (und vielen anderen) schuf er das „Wiener Mozartensemble” der Nachkriegszeit, das heute längst Legende ist.

Man hat es ihm für’s erste wenig gedankt. 1950 ließ man ihn ziehen, nicht ohne ihn vorher ausgiebig gekränkt zu haben. Krips „revanchierte” sich mit einer glänzenden internationalen Karriere. Als er dann — als Gast — wieder in seine Heimatstadt zurückkehrte, überschüttete man ihn mit Lobeshymnen, Titeln, Orden und sonstigen Ehrungen — als hätte man ihn nie hinausgeekelt.

In einem Interview hat Josef Krips einmal gesagt: „Bei jeder Aufführung muß auch noch etwas Gnade dabeisein … Wenn nicht auch die Liebe zur Musik mitschwingt, hat es keinen Sinn. Diese Liebe macht es wirklich aus.” Diese echten Liebenden sind es, die uns im heutigen „Musikbetrieb” so sehr fehlen. Im Falle von Josef Krips ist der Verlust ein besonders schmerzlicher.

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