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Hitler - ein Film ****

Vor wenigen Jahren hat der Deutsche Hans Jürgen Syberberg mit seinem Winifred-Wagner-Interview über Bayreuth und Hitler Tausende an den Fernsehschirm gefesselt. Es gab Anrufe, Proteste, Lob, Diskussionen in allen Medien.

Jetzt ist Syberberg mit einem neuen Monumentalfilm in die Öffentlichkeit gegangen. „Hitler - ein Film aus Deutschland“, in Cannes, Paris und London mit Euphorie aufgenommen, hatte in Wien „offizielle deutschsprachige Premiere“. Für die Bundesrepublik selbst hat der Autor das Werk gesperrt.

Ein langer, aber an keiner Stehe langweiliger Film in zwei Teilen über das Leben von Adolf Hitler. Ein Film, der anders als die bekannte Joachim-Fest-Version die psychologischen Momente des Nationalsozialismus und des „Führers“ aufgreift. Hitler wird nicht vordergründig und chronologisch als Politiker und Machtmensch dargesteht, sondern durch seine Psyche als Zwangsneurotiker und sexuell Gestörter. Ein Popanz, der stehvertretend für einen Mythos stand. „Hitler bekämpft man nicht mit Auschwitzzitaten und der Soziologie seiner Wirtschaft, sondern mit Mozart und Wagner.“ Diese These steht gewissermaßen als Motto über dem Film. Eine radikale These, die Syberberg auch konsequent durchzieht. Nicht die Nationalsozialisten und ihre Greueltaten, nicht die brutale Gewalt stehen im Vordergrund, sondern die Träume, die privaten Sehnsüchte und Ängste von Hitler und seinen Gefolgsleuten. '

Der Mythos Hitler wird in kleinen, starken Szenen vermittelt, die nie den Eindruck von Realität und historischer Wahrhaftigkeit weitergeben wollen, sondern einfaqh Studien sind. Studien einer Persönlichkeit, die unter dem Druck der Öffentlichkeit lebt. Hitlers Privatleben zum Beispiel, seine Beziehungen zu Frauen,, seine Existenzängste, die er mit närrischen Spielereien zu überwinden sucht, die plötzlich auftretende Leere, die er mit allen möghchen kindischen Zerstreuungen töten will.

Syberberg schildert das Ganze sehr distanziert, verfremdend. Die Schauspieler sind wie Masken oder Marionetten. Sie sohen karikieren und verfremden. Und meistens gelingt das auch sehr gut.

Da wird zum Beispiel über Himmlers Interesse an Astrologie und Buddhismus gesprochen, da tollt Hitler wie ein Hund im Raum umher, spielt er „verrückt“, da geben eine Reihe von Szenen den Eindruck von Lächerlichkeit wieder, hinter der sich Krankheit und seelische Zwänge verbergen.

Es wird auch keine „Geschichte“ im Sinne einer Handlung erzählt. Ausschnitte, wirr durcheinander oder nebeneinander gestellt, sollen wie Scheinwerfer ganz kurz und hell Situationen beleuchten, die „für sich sprechen“. Und zu diesen irrealen verfremdeten Szenen läßt Syberberg Originalzitate, Ausschnitte von Rundfunkreden, von Versammlungslärm einspielen. Realer Schrecken und schreckhche Visionen verdichten sich zu einem starken Eindruck.

Syberberg hat gewiß eine eigenwillige und kritisierbare Version des „Falles Hitler“ geschaffen, eine Version, die sehr subjektiv ist, jedoch konsequent wie kaum eine andere Darstellung dieses Phänomens die versteckten psychischen Motive beleuchtet und verstehen hilft, welche Momente mitentscheidend waren für ein Phänomen wie den Faschismus.

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