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Fleischmarkt-Klinik: Nomen est omen

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Alfred Rockenschaub hatte in der Debatte um die Fristenlösung seine SPÖ-Partei- genossen nicht im Stich gelassen: Er war das ärztliche Aushängeschild der Abtreib- Propagandisten. Dafür ließen die Wiener Rathaussozialisten jetzt Rockenschaub nicht im Stich: Sie gaben am Dienstag der Vorwoche in einer turbulenten Sitzung der Wiener Landesregierung grünes Licht für die Abtreib-Ges. m. b. H. (FURCHE 38/1979), als deren Schirmherr Rockenschaub auftritt. Damit kann die Gesellschaft nun die Fristenlösung kommerziell - im wahrsten Sinn des Wortes - gewinnbringend ausschlachten.

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Alfred Rockenschaub hatte in der Debatte um die Fristenlösung seine SPÖ-Partei- genossen nicht im Stich gelassen: Er war das ärztliche Aushängeschild der Abtreib- Propagandisten. Dafür ließen die Wiener Rathaussozialisten jetzt Rockenschaub nicht im Stich: Sie gaben am Dienstag der Vorwoche in einer turbulenten Sitzung der Wiener Landesregierung grünes Licht für die Abtreib-Ges. m. b. H. (FURCHE 38/1979), als deren Schirmherr Rockenschaub auftritt. Damit kann die Gesellschaft nun die Fristenlösung kommerziell - im wahrsten Sinn des Wortes - gewinnbringend ausschlachten.

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Die Vorgeschichte ist bekannt: Im April wurde die „Gesellschaft für Schwangerenhilfe Ges. m. b. H.“ bei der Wiener Gesundheitsbehörde mit dem Antrag vorstellig, in der Wiener Innenstadt, im Haus Fleischmarkt 26, eine private Krankenanstalt einrichten zu dürfen, wobei als Zweck ungeschminkt „die Schaffung eines Modells einer Einrichtung, mit deren Hilfe dem Gesetz auch hinsichtlich der Fristenregelung… Genüge getan werden kann“, genannt wurde.

Bisher ordinierte am Fleischmarkt 26 - einschlägig einträglich - Silvia Schneider, Anstaltsärztin an Rockenschaubs Semmelwfeis-Klinik. Und auch Rockenschaub- Oberarzt Artur Pfalzner ist in der Schneider-Ordination mit von der Abtreiber-Partie.

Schneider teilt sich das Dach aber auch mit einem kleinen Firmenimperium. Firma Nummer 1 ist die oben erwähnte „Gesellschaft für Schwangerenhilfe Ges. m. b. H.“, die sich den „Betrieb von Ambulatorien für Schwangerenhilfe im Sinne des Wiener Krankenanstaltengesetzes“ zum Firmenzweck erkoren hat.

Gesellschafter dieses Unternehmens ist - neben dem Wiener Rechtsanwalt Heinz Barazon - die Firma Nummer 2: die „Ordinationsleasing-Gesellschaft m. b. H.“, die zwecks „Leasing von Ordinatibfi'š- einrichtungen … sowie von eingerichteten Ordinationen und Kliniken an Ärzte“ formell von Barazon und seiner Wiener Anwaltskollegin Brigitte Birnbaum gegründet wurde.

Firma Nummer 3 teilt sich mit Schneider nicht nur das Dach, sondern auch die Wiener Telefonnummer 52 96 31: Das amtliche Telefonbuch 1979/1980 weist unter diesem Anschluß eine gewisse „Moore & Co. Ges. m. b. H.“ mit der Anschrift Fleischmarkt 26 aus. Ruft man die Firma, landet man direkt in der Ordination Schneider.

Wobei das Telefonbuch mit der jüngsten Entwicklung nicht Schritt gehalten hat: Die Moore-Firma hat sich zwischenzeitlich in eine „Med- Leas Ärztebedarf, Beratungs- und Leasing Gesellschaft m. b. H.“ umbenannt, die Ärzte zwecks Leasing von Ordinationen mitsamt Personal beraten will

Gemeinsam ist allen drei Firmen nicht nur die Prokuristin Margit Knöbl, sondern auch die Person des Geschäftsführers: Das ist der 45jäh- rige Engländer Douglas F. Moore, gleichzeitig alleiniger Gesellschafter der „Med-Leas“.

Moore führt zwar diese drei Firmen in Wien - wie, das ist ein Geheimnis. Nicht genug, daß er, wie ein Notariatsakt anläßlich einer Firmengründung festhält, „der deutschen Sprache nicht kundig ist“, wafer auch - nach Auskunft des Zentralmeldungsamtes der Bundespolizeidirektion Wien - im zurückliegenden Vierteljahrhundert hier nie mit einem Wohnsitz gemeldet.

Für all das konnten - oder wollten? - sich die Wiener Stadtväter nicht interessieren. Ihnen genügte für die Genehmigung der Abtreibeklinik die Unterschrift Alfred Rockenschaubs auf der Zwecks- und Betriebsbeschreibung.

Gegen den Widerstand der Stadtschwarzen wurde mit SP-Mehrheit die Anstaltsordnung genehmigt, nach der die Klinik nach den Grundsätzen eines Kaufmannes zu führen ist (§ 4). Womit auch hinlänglich klargestellt ist, mit welcher Absicht der Anstaltszweck, nämlich die „Durch-

führung von Schwangerschaftsabbrüchen unter Berücksichtigung der Bestimmungen § 96 ff Strafgesetzbuch“, verbunden ist.

Die bisherige Massenabfertigung in der Ordination Schneider am Fleischmarkt - nomen est omen -, wird auf Fließbandabtreibungen umgestellt. Dies wird unter der verantwortlichen ärztlichen Leistung von - Johannes Pollak geschehen. Auch Pollak ist - versteht sich - derzeit Anstaltsarzt bei Rockenschaub, i

Die enge personelle Verflechtung von Fleischmarkt und Semmeiweis- klinik macht sich schon heute bezahlt: Überaus häufig werden Patientinnen vom Spital an die Fleischmarkt-Adresse verwiesen. Dieser heiße Tip kostet die Patientin einen glatten Tausender. In der Semmel-

weisklinik zahlt man für den Schwangerschaftsabbruch mit Narkose 2500 Schilling, nach der freundlichen Vermittlung muß die Frau bei Schneider 3500 Schilling auf den Tisch blättern.

Dieses Geschäft, haben die Abtreiber erkannt, ist noch ausbaufähig, wenn mit der Umwandlung der Schneider-Ordination in einen Ges. m. b. H.-Betrieb das Werbeverbot des Ärztegesetzes umgangen werden kann. Obwohl sich der designierte Gesundheitsminister Herbert Saldier entschieden gegen derartige Abtreibkliniken ausgesprochen hat (FURCHE 42/1979), fanden seine Wiener Parteifreunde das durchaus in Ordnung.

Das große Geschäft, an das die Abtreib-Ges. m. b. H. nach der Zustimmung der Wiener Rathaussozialisten nun herangehen möchte, steht freilich unter einem unguten Stern. Der Gynäkologe und Fristenlösungsgegner Wolfgang Müller-Hartburg, Primär in Eisenstadt, hat nämlich bei der Staatsanwaltschaft Wien gegen Silvia Schneider und Artur Pfalzner Strafanzeige wegen Verletzung des § 96 ff Strafgesetzbuch erstattet.

Wenn ; nämlich eine Abtreibung ohne vorhergehende ärztliche Beratung oder auch ohne ausdrückliche Einwilligung der Schwangeren vorgenommen wird, so ist der Schwangerschaftsabbruch strafbar. Begeht jemand die Tat gewerbsmäßig, steht darauf eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Müller-Hartburg wurde am 21. Oktober aktiv, nachdem ihn zuvor seine Patientin Gertrude S. (Name und Adresse sind der Redaktion bekannt), eine frühere Fleischmarkt- Kundin, ausdrücklich von der ärztlichen Schweigepflicht • entbunden hat.

„Herr Dr. Artur Pfalzner hat an meiner Patientin… am 14. Juni 1978 in den Ordinationsräumen der Frau Dr. Silvia Schneider… eine Abtreibung (einen Schwangerschaftsabbruch) vorgenommen, der eine ärztliche Beratung nicht vorangegangen ist“, schreibt Müller-Hartburg in seiner Strafanzeige.

Die Strafanzeige richtet sich auch gegen Schneider, weil diese Abtreibung in ihren Ordinationsräumen „und daher wohl unter deren ärztlichen Letztverantwortung durchgeführt“ wurde, begründet der Gynäkologe seine doppelte Stoßrichtung.

„Frau Gertrude S. hat mir gegenüber auch die Frage aufgeworfen“, heißt es in der Strafanzeige zudem wörtlich, „ob die gegenständliche Abtreibung nicht letztlich ohne ihre Einwilligung vorgenommen worden sei. Laut Bericht der Frau S. hat nämlich die Ordination Dr. Schneider sowohl bei der telefonischen Voranmeldung wie auch nach dem Eintreffen der Patientin am 14. Juni 1978 das Einverständnis der Patientin mit der Abtreibung niemals eingeholt… Auch die Äußerung 'der schon auf dem Operationstisch liegenden Patientin, daß sie ,am liebsten wieder heruntersteigen möchte1, wurde nicht beachtet, vielmehr wurde die Patientin unmittelbar nach dieser Äußerung für die Abtreibung narkotisiert.“

Wenn diese in der Strafanzeige angeführten Anschuldigungen zutreffen sollten, könnten die Abtreiber leicht über jene Paragraphen stolpern, auf denen sie ihr Geschäft aufgebaut haben.

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