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Internationale Clique hat die Hand im Spiel

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Mit Vehemenz bestreitet Wiens sozialistischer Gesundheitsstadtrat Alois Stacher, daß die roten Stadtväter der Bundeshauptstadt im Oktober grünes Licht zur Errichtung einer Abtreibklinik am Wiener Fleischmarkt per 1. Jänner 1980 erteilt hätten (FURCHE 38 und 44/1979). Vielmehr hätte man „nur“ ein Ambulatorium für Schwangerenhilfe erlaubt. Stacher weiß nur zu gut, warum er in die Wortklauberei flüchtet: Denn er kennt wie kein anderer den jetzt geleugneten Geschäftszweck.

Niemand anderer als Stadtrat Stacher referierte am 23. Oktober in der Wiener Landesregierung über das Fleischmarkt-Projekt mit dem von Semmelweis-Klinikchef Alfred Rok- kenschaub beschriebenen Zweck der „Schaffung eines Modells einer Einrichtung, mit deren Hilfe dem Gesetz auch hinsichtlich der Fristenregelung Genüge getan werden kann“. Womit die Hilfe, die Schwangeren angeboten wird, hinlänglich beschrieben ist.

Auch die ebenfalls von Rockenschaub ausgearbeitete und unterzeichnete Betriebsbeschreibung für die Abtröibklinik am Fleischmarkt, fein säuberlich in die Stacher-Unter- lagen eingeordnet, läßt nichts an Eindeutigkeit zu wünschen übrig.

Nach der Aufnahme der Patientin, wird dort der Behandlungsgang beschrieben, geht diese in die Warteräume. In der Folge werden dann die notwendigen Laborbefunde erhoben, dann kommt die Patientin in das Beratungszimmer, wo „Gruppenoder Einzelberatung“ stattfindet.

Spätestens bei dieser Textstelle hätten dem Polit-Mediziner Stacher die Grausbirnen aufsteigen müssen: Er, der eine anonyme statistische Erhebung in Sachen Abtreibung für diskriminierend hält, gab jedoch zur Gruppenberatung bedenkenlos seine Zustimmung. Dem vifen Stadtrat unterstellen zu wollen, er hätte die Motivation für eine derart „rationalisierte“ Beratung nicht erkannt, wäre unseriös. Denn natürlich muß auch Stacher klar gewesen sein, daß ein kommerzielles Abtreib-Untemeh- men „Umsatz“ machen muß, um Gewinn machen zu können.

Die Möglichkeit, daß eine Frau nach der Beratung die Klinik verläßt,

wird in der Beschreibung des Behandlungsganges dann auch überhaupt nicht mehr in Ffrwägung gezogen. Vielmehr wird die Patientin sofort in einen der zwei zur Verfügung stehenden Behandlungsräume gebracht oder auch in einen Warteraum - wenn der Andrang zu groß ist.

Beide Behandlungsräume, heißt es in der Folge wörtlich, „sind für Curetagen nach modernen Gesichtspunkten ausgerüstet“, nämlich mit je einem Gynäkologenstuhl, sowie zwei Vakuumpumpen vom Typ Berkley, ein VC V und ein VC II.

„Nach dem ärztlichen Eingriff wird die Patientin in einen Ruheraum gebracht“, danach über den Umkleideraum in einen Erholungsraum, und nach zwei bis drei Stunden verläßt sie das Ambulatorium.

Obwohl die penible Rockenschaub-Beschreibung eindeutig unzweideutig ist, gibt sich Alois Stacher kurzsichtig. Daher wollte er auch nie die enge personelle Verflechtung zwischen der Semmelweis- und der Abtreibklinik am Fleischmarkt wahrhaben. Daher kann er sich auch nicht um den Patientinnenstrom kümmern, der von der Rockenschaub-Klinik in die Arme der Rok- kenschaub-Mitarbeiter am Fleischmarkt gegen einen Aufpreis von 1.000 Schilling je Abtreibung weitervermittelt wird.

Somit ist es auch purer Zufall, daß die als Ambulatorium für Schwange- renhilfe bezeichnete Abtreibklinik Stacher und seinem Parteifreund Rockenschaub in gleicher Weise hilft: Wederder Wiener Gesundheitsstadtrat noch der Vorstand der Semmelweisfrauenklinik der Stadt Wien haben ein Interesse daran, daß das Frauenspital durch extrem hohe Ab- treibziffem auffällt.

Aus dieser Interessenlage heraus kann die am Fleischmarkt angesiedelte Gesellschaft für Schwangeren- hilfe Ges. m. b. H. Kapital schlagen: mit offiziellem Einverständnis.

Geschäftsführer dieser Gesellschaft und noch von zwei weiteren, teilweise verquickten Unternehmen im Haus Fleischmarkt 26 (FURCHE 44/1979) ist der 45jährige Engländer Douglas Frank Moore. Moore ist zwar an der Donau weitgehend unbekannt. Er war ja auch, obwohl dreifach Geschäftsführer in Österreich, noch nie hierzulande gemeldet. Um so bekannter ist er in London: als cleverer Geschäftsmann in einem Fir- men-Imperium, das in Sachen Abtreibung einen einschlägigen Ruf genießt.

Wien - ein Abzweiger für Abtreiber: eine internationale Clique hat hier die Hand im Spiel.

Konnte - oder wollte - Stacher als Stadtrat diesbezüglich keine Erkundigungen einziehen? Oder weiß er gar ohnehin Bescheid?

Was durch journalistische Recherche möglich ist, wäre durch amtliche Prüfung erst recht möglich. Damit müßten nicht nur für Stacher, sondern auch für Gesundheitsminister Herbert Salcher genügend Anhaltspunkte zum Einschreiten vorliegen. Die FURCHE wird jedenfalls auch 1980 am Ball bleiben: als Widersacher der Geschäftemacher.

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