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Todsichere Partner

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Die österreichische Abtreibungswirklichkeit liegt im Dunkel der Dunkelziffern. Skrupellose Spekulanten machen dabei ihre ebenso dunkeln wie zwielichtigen Geschäfte mit der Fristenlösung. Die FURCHE hat in den vergangenen Wochen einiges ans Licht gebracht: den Versuch, in Wien zwei Kliniken für Fließband-Abtreibungen zu errichten; und die Art, wie Privatgeschäftsvermittler Abtreibem Kundinnen zutreiben (FURCHE 38/1979 und 3911979). Offen blieb die Frage, wer wessen Partner ist. Hier die Antwort.

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Die österreichische Abtreibungswirklichkeit liegt im Dunkel der Dunkelziffern. Skrupellose Spekulanten machen dabei ihre ebenso dunkeln wie zwielichtigen Geschäfte mit der Fristenlösung. Die FURCHE hat in den vergangenen Wochen einiges ans Licht gebracht: den Versuch, in Wien zwei Kliniken für Fließband-Abtreibungen zu errichten; und die Art, wie Privatgeschäftsvermittler Abtreibem Kundinnen zutreiben (FURCHE 38/1979 und 3911979). Offen blieb die Frage, wer wessen Partner ist. Hier die Antwort.

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Es sind - im wahrsten Sinn des Wortes - todsichere Partner, die sich auf Wiener Boden zur Vermarktung der Fristenlösung gefunden haben. Der eine besorgt das Werben, der andere das Sterben. Und so tarnt sich die Abtreib-Clique geschickt vor dem Gesetz.

„Dem Arzt ist verboten”, bestimmt- nebst grundsätzlichem Werbeverbot - der § 9 des Ärztegesetzes, „für die Zuweisung von Kranken an ihn oder durch ihn eine Vergütung, gleich welcher Art, zu versprechen, sich oder einem anderen zusichem zu lassen, zu geben oder zu nehmen. Rechtsgeschäfte, die dieses Verbot verletzten, sind nichtig) Leistungen, die entgegen diesem Verbot erbracht worden sind, können zurückgefordert werden.”

Der Gesetzgeber wollte mit dieser Bestimmung den Tatbestand des

Anbotes von Provisionen für Zuweisung Kranker, die Zahlung und Entgegennahme von Provisionen so exakt herausstellen, daß - so die Absicht - „eine Übertretung des Verbotes sicher erkannt und auch geahndet werden kann”.

Ein frommer Wunsch, der die Geschäfte der Zu- und Abtreiber nicht im geringsten stört, sondern sie im Gegenteü zusammengeführt hat.

In einem Fall sind Vermittler und Abtreiber nur rund 30 Taximinuten voneinander entfernt. Dies ist der Fall der „Libera”-Privatgeschäfts-vermittlung, die in Zeitungsinseraten ihre Zutreiberdienste feilbietet (FURCHE 39/1979).

Es ist Freitag, der 29. September, im Jahr des Kindes, ein sonniger Herbstnachmittag. Ein Taxi stoppt in der Einfahrt zum Haus in der Wiener Webgasse 6. Amtliches Kennzeichen: W 41.424. Angefordert wurde es von der „Libera”.

Vier Frauen - im Alter zwischen 25 und 35 Jahren - steigen in den Mercedes ein. Und ab geht die Post.

26 Minuten später hält das Taxi W 41.424 vor dem Haus in der Wiener Taborstraße 11b. Die vier Frauen steigen aus.

26 Minuten haben die Frauen verändert. In der Webgasse im sechsten Wiener Gemeindebezirk noch selbstsicher und gelassen, sind sie nun nervös und unsicher. Ihr Blick ist unruhig: Nur nicht gesehen werden!

Daher verschwinden sie auch schnell im Hauseingang und gehen dann - langsam und mit kleinem Handgepäck - in den zweiten Stock. Dort klingeln sie an der Tür Nummer 12 und werden eingelassen.

Etwa vier Stunden später verlassen sie wieder das Haus. Mit Handgepäck. Aber ohne Kind. Von der Narkose noch leicht benommen, haben sie nur einen Wunsch: Schnell fort von hier.

Das hat eine Momentaufnahme dessen, was sich hier in der Wiener Taborstraße tagtäglich mehrmals Woche für Woche abspielt.

Auf Tür Nummer 12 in diesem Haus befindet sich das „Ärzteinstitut MAIRO”, ein Privatambulatorium. Inhaberin ist eine gewisse Frau Dr. Ingrid Mainz, als ärztlicher Leiter fungiert der in Stockerau niedergelassene Chirurg Dr. Anton Roßkopf.

Mainx selbst ist ein ebenso kurioser wie interessanter Fall. Telefonbuch und Ärzteverzeichnis weisen sie als praktische Ärztin aus, mit Sitz nicht nur in Wien, sondern auch in Niederösterreich, nämlich in Hainburg. Für das Türschild zum MAI- RO-Institut dürfte ihr das zu wenig eindrucksvoll gewesen sein: Dort nämlich gibt sie sich als „Facharzt für Phlebologie” (Lehre von den Venen) aus.

Diesen wohlklingenden Titel gibt es in Österreich nicht nur nicht, Mainx ist auch kein anderer Facharzttitel von der österreichischen Ärztekammer verliehen worden.

Auch in Sachen Fristenlösung wußte sich die Krampfademdoktorin Mainx frühzeitig zu helfen. Bereits 1976 bemühte sie sich mit Erfolg bei der Wiener Gesundheitsbehörde um die Errichtungsbewilligung für ihre Abtreibe-Klinik, wobei freilich der eigentliche Zweck im Ansuchen nur indirekt angesprochen wurde: „diagnostische und therapeutische Cur- retagen und ähnliches” wollte man machen, mit dem „Ähnlichen” verdient man jetzt das große Geld.

Das freilich muß Mainx allerdings nicht nur mit Roßkopf, sondern auch mit dem Stockerauer Gynäkologen Kurt Kettner und dem Wiener Narkosearzt Alfred Meznik teilen.

Und irgendwie wird auch die Zu- treiberfirma „Libera” mitnaschen. Wie, das interessiert abtreibungswillige Frauen wenig, eintreibungswillige Steuerfahnder sollte es aber durchaus neugierig machen. Denn um das Gesetz und die verbotene Provisionszahlung zu umgehen, kassiert die „Libera” sofort das Geld bei den Patientinnen, rund 5000 bis 6000 Schilling im Schnitt.

So rollen Millionen. Offiziell, vielleicht auch unter der Hand. Eine von der „Libera” an MAIRO vermittelte Kundin, mit der die FURCHE ein Gespräch geführt hat, konnte sich bei bestem Willen nicht daran erinnern, bei diesem Geschäft etwas in die Hand bekommen zu haben. Auch keinerlei Zahlungsbestätigung. Ihr einziges Erinnerungsstück ist ein MAIRO-Merkblatt, wie sie sich nach der Schwangerschaftsunterbrechung zu verhalten habe.

Wie die „Libera” bietet auch die Wiener Privatgeschäftsvermittlerin Edeltrud Rustwurm via Inserat stellvertretend für Abtreiber „Soforthü- fe” bei Schwangerschaft an (FURCHE 39/1979). Vielleicht weniger perfekt, aber ebenso tödlich.

Mutter und Tochter Rustwurm werken im ersten Stock im Haus Adamsgasse 27 (Wien-Landstraße) vereint. Der Kalender zeigt den 28. September, als am Vormittag eine vermeintliche Patientin das Büro betritt. Die junge Rustwurm grüßt und lächelt: ein „Opfer”. Ihre Augen verändern sich dabei nicht. Es ist das Lächeln einer Verkäuferin.

Abtreibung wird angeboten und verkauft.

Auf dem Schreibtisch liegt ein Päckchen Visitkarten. Und derName auf der Visitkarte kommt auch ins Gespräch: Dr. Kurt Troger, der - wie die Rustwurm-Tochter sicher nicht unbeabsichtigt fallen läßt - auch Grenzfälle „macht”.

Auch der Transport wird angeboten, sogar, weil sicherheitshalber, mit dem eigenen Wagen.

Der Gynäkologe Troger wohnt in der Wiener Taborstraße, wenige Häuser vor dem MAIRO-Institut. Offiziell hat er seine Ordination in der Gärtnergasse im dritten Bezirk der Bundeshauptstadt. Aber wenige Minuten von den Rustwurms entfernt, in der Seidelgasse 28, ebenfalls in Wien- Landstraße, hat er noch einen Sitz. Jene Adresse, auf die die Vermittlerin verwiesen hat.

Am Haustor nur neutral als Dr. K. Troger avisiert und als einzige Hauspartei mit Gegensprechanlage ausgerüstet, finden die Frauen, die hier kommen und gehen, auf Tür 4 im ersten Stock den, zu dem sie gebracht werden sollen: Rustwurms Geschäftspartner.

Wobei diese Geschäftsverbindung jetzt doch in Schwierigkeiten geraten könnte: Sollte nämlich die Gewerbeberechtigung der Rustwurm-Firma durch die Kammer für nichtig erklärt werden, so würde sich ihre weitere Vermittlung ausschließlich auf die Umgehung des § 9 Ärztegesetz beschränken. Ob das hier in Österreich ein erlaubter Geschäftszweck sein darf, müßte doch die zuständigen Stellen zum Nachdenken veranlassen.

Grundsätzlich nachdenken sollte erst recht der Gesetzgeber: Wenn er diese Geschäftsmacherei mit der Fristenlösung nicht gewollt hat, darf er nicht weiter Zusehen, sondern muß einen Riegel vorschieben. Dies wäre innerhalb kurzer Frist zu lösen.

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