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Fröhlicher Frühling

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In diesem Frühling ist ja alles anders. Da bricht selbst in noto- risch pessimistischen alternati- ven Gazetten der blanke Opti- mismus aus. Und einzig und allein die Organisatoren von österlichen Friedensmärschen scheinen sich zu sorgen: Wer- den sich genug Friedensbeweg- te durch die zu Ostern weitge- hend verkehrsfreien Straßen bewegen, wenn selbst die noto- rischen Falken im Bonner Ver- teidigungsministerium an eine kräftige Verkleinerung der Bundeswehr denken?

Allerorten scheint gleichzei- tig mit dem Frühling der Frie- den auszubrechen, zumindest im Herzen Europas, wo bis vor noch ganz kurzer Zeit das späte Eis des Kalten Krieges nicht und nicht schmelzen wollte.

Nun brauchen unentwegte Militaristen nicht gleich zu be- fürchten, daßfürderhin Waffen- gänge nur noch in den Compu- tern stattfinden. Aber in der klassischen Krisenregion, von der die meisten und effektivsten Vernichtungsaktionen der auf- geschriebenen Geschichte ihren Ausgang genommen haben, scheinen die Menschen von ei- nem geheimnisvollen Virus be- fallen zu sein, der ihre Aggres- sionslust auffallend hemmt.

Vielleicht ist es aber auch nur die Frühjahrsmüdigkeit, die nach einem Winter, der in Euro- pa so gut wie ausgeblieben ist, in eine allgemeine Konfliktun- lust gemündet ist. Die Damen und Herren Talkmeister im Deutschen Fernsehen haben immer größere Schwierigkeiten, Vergeschwisterungen zwischen den eingeladenen Kampfhähnen und Streithennen zu verhindern.

Auch die Versuche in Deutsch- land-West, aus wahltaktischen Gründen eine Großkoalition zwischen den neuen Parteien in Deutschland- Ost zu verhindern, scheiterten bislang an der uner- schütterlichen Friedenslust in diesem Frühling. Seit bekannt wurde, daß für die gewünschte Vereinigung möglicherweise keine Zweidrittelmehrheit be- nötigt wird, ist der Koopera- tionswille aller, die die Abfahrt des gesamtdeutschen Zuges nicht länger verhindern können, deutlich gestiegen.

Aber ich will keine Zwietracht säen. Außerdem würde eine österreichische Randbemerkung ohnedies nichts ausrichten. Nicht einmal die schweren Ge- schütze der Desinformation über die künftigen Umtauschraten zwischen der ungeliebten Mark und der heißbegehrten D-Mark können die Liebesbereitschaft der deutschen Brüder und Schwestern gefährden.

Vielleicht deshalb, weil die verwöhnten Westdeutschen, die sich ein Leben ohne Wohlstand nicht mehr recht vorstellen können, derzeit alle im Osterur- laub sind? Wenn sie sich's lei- sten können, aus Tradition und Bequemlichkeit im freundli- chen, wenn auch längst nicht mehr billigen Österreich. Wie lange der Frieden dauern wird?

Fragen Sie nicht, sondern freuen Sie sich über diesen fröh- lichen Frühling.

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