6800563-1971_32_07.jpg
Digital In Arbeit

Gelbe Träume

Werbung
Werbung
Werbung

Die Romanze zwischen Ottawa und Peking fasziniert die Kanadier immer mehr. Der Zug der Kanadier gegen Peking ist in vollem Gang. Enthusiastisch klingt etwa das Hohelied des kanadischen Handels- und Industrieministers Je an-Luc Pepin auf Premier Tschu En-lai: „Er ist einer der hervorragendsten Politiker unserer Zeit!“

Mit einem Gefolge von 25 prominenten Persönlichkeiten, darunter der Präsident des Industriellenverbandes, des Biankverbandes, der Importeure, der Exporteure, der Landwirteverbände, der Bergwerksindustrie und der Handelskammer, zog Minister Pepin, vordem Universitätsprofessor, nach Rotchina. Sie wurden im volkreichsten Land der Erde fürstlich empfangen, entsprechend auch das Lob für Premier Tschu En-lai aus dem Mund von Jean-Louis Gervais, Präsident der einflußreichen Canadian Importers Association: „Der Premier ist einer der smartesten Männer, denen ich je begegnete. Obwohl er über siebzig ist, sieht er um 20 Jahre jünger aus. Er weiß so vied über Kanada, was ich selbst nicht wußte, daß ich mich schämte.“

Torontos „Globe and Mail“, Kanadas größte Morgenzeitung, schrieb: „Ein persönlicher Triumph von Pepin. Seine Begleitung kehrte mit prall gefüllten Aktentaschen, den Früchten des Besuches, zurück.“ Dem Wunsch der Kanadier, eine Fluglinie nach der Volksrepublik China zu haben, gab Tschu En-lai denn auch „spontan“ seine Zustimmung.

Minister Jean-Luc Pepin, ein temperamentvoller Frankokanadier, sang mit Studenten der Tsinghua- Universität Lieder auf Mao Tse- tung, chauffierte einen Lastkraftwagen und ersuchte Universitätsprofessoren um Rat über den Umgang mit revolutionären Studenten, falls er einmal seine Karriere als Professor wiederaufnehmen werde …

Die Kanadier erhielten die Zu- sicherung, daß sie bei Weizenliefe- rungen eine Vorzugsposition genießen werden. Schon im Vorjahr repräsentierten Kanadas; > Weizen- Lieferungen nach China den Wert von 119,5 Millionen Dollar. Handels- ausstellungen sollen die wirtschaftlichen Bande weiter festigen. Bei der Canadian National Exhibition in Toronto 1972 wird die Volksrepublik China prominent repräsentiert sein, während Kanada im gleichen Jahr in Peking eine Handelsausstellung abhalten wird. Große Hoffnungen auf das Chinageschäft setzt Kanadas absatzhungrige Zellstoff industrie; die ersten Verkäufe von 12.000 Tonnen (beziehungsweise 5000 Tonnen Sulfitzellstoff) wurden bereits gebucht.

Die Einladung Pepins an Pai Hsiang-kuo, den Außenhandelsminister Chinas, Kanada demnächst zu besuchen, wurde sogleich ‘akzeptiert. Immer wieder staunten die Gäste über die Kanadakenntnisse der chinesischen Staatsmänner. Tschu En-lai zitierte sogar aus der Rede Trudeaus in Moskau, in welcher Kanadas Regierungschef erwähnt hatte, eine engere Verbindung mit der UdSSR könne ein Gegengewicht zu dem Einfluß der Vereinigten Staaten in Kanada sein.

Tschu erwähnte auch die Einladung an Premierminister Trudeau, China zu besuchen und betonte, daß Kanada in jüngster Zeit die erste Nation gewesen sei, weiche die diplomatischen Beziehungen mit Peking aufgenommen habe.

Mittlerweile weilen wiederum 25 Kanadier, welche die Reise nach Peking unter der Schirmherrschaft der Universität von British Columbia unternahmen, in China. Als nächster prominenter Kanadier bereist Robert Stanfield, Führer der Konservativen, der stärksten Oppositionspartei, die Volksrepublik China.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung