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Geschaffen, nicht ewig

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Vom 5. bis 8. Juni fand in Eisenstadt eine Studientagung statt, die der Person des Moses Maimonides gewidmet war und seinen philosophischen und menschlichen Hintergrund auszuloten versuchte. Für viele Juden und Christen gilt er auch heute noch als der bedeutendste Jude des Mittelalters. Der religions-und kulturgeschichtliche Hintergrund für Maimonides waren die spätantike Philosophie und Medizin, wie sie über Vermittlung der christlichen Syrer von den muslimischen Philosophen der Jahr-tausendwende rezipiert wurden. Die Verbindung von Aristotelis-mus mit neuplatonischen Elementen bedeutete für alle Offenbarungsgläubigen, ob Juden, Christen oder Muslim, eine arge Anfechtung: Eine Weltschöpfung sei als Ausfluß eines freien göttlichen Willensaktes mit dem Gottesbegriff unvereinbar, wenn Gott ewig und unveränderlich sei, könne er nach dieser Voraussetzung die Welt gar nicht geschaffen haben, eine Veränderung in Gott sei aufgrund seiner unveränderlichen Einheit unmöglich. Daraus zog man die Konsequenz der „Ewigkeit der Welt”, das heißt der Ewigkeit der dieser Welt zugrundeliegenden Materie.

Im Rahmen der Studientagung wurde hervorgehoben, daß Maimonides in seinem Selbstverständnis gar kein Philosoph gewesen wäre, es ihm nur um ein Verständnis seines jüdischen Glaubens gegangen sei, das den intellektuellen Ansprüchen seiner Zeit genügen könnte. Sein philosophisches Hauptwerk, ursprünglich arabisch geschrieben, wird für gewöhnlich mit „Führer der Unschlüssigen” übersetzt, von der Zielsetzung her müßte es eigentlich „Leitfaden für Frustrierte” heißen. Maimonides wollte zeigen, wie das Ärgernis für den Glauben, das die Annahme einer „ewigen Welt” zur Folge hatte, intellektuell redlich überwunden werden könnte. Er grenzte sich dabei — oft mit herben Worten — von den Vereinfachern seiner Zeit ab, den islamisch fundamentalistischen Apologeten, die Gott nur unter der Bedingung als Verursacher der Welt verstehen wollten, wenn sie auch in der Zeit aufgrund eines souveränen Schöpfungsaktes entstanden wäre. Diese These wurde auch von den Vertretern der christlichen Hochscholastik abgelehnt, besonders von Albert dem Großen und Thomas von Aquin, die auch sonst sehr häufig der Meinung des Maimonides folgten.

Maimonides ging es nicht darum, die These von der „Ewigkeit der Welt” grundsätzlich zu verwerfen. Er wollte aber zeigen, daß sie nur unter einer nicht nur nicht beweisbaren, sondern auch unwahrscheinlichen Voraussetzung akzeptiert werden könne. In diesem Fall müßte nämlich die Gesetzlichkeit, die für das Werden aus Gewordenem, also innerhalb der Welt gelte, auch auf das absolute Werden der Welt, ihr erstes Entstehen, anwendbar sein. Eine solche Analogie sei nach Maimonides zwar denkmöglich, aber keineswegs wahrscheinlich oder gar zwingend, denn das erste Werden sei eben ein grundsätzlich anderer Vorgang als das Werden aus Gewordenem. Der biblische Begriff der „Schöpfung” drücke nach Maimonides eben die Besonderheit und Andersartigkeit des ersten Werdens aus. Die Offenbarung führe somit — auch ein Lieblingsgedanke des Maimonides — die Vernunft weiter und bewahre sie vor möglichen Irrtümern.

Wenn die Bedeutung des Maimonides für die Hochscholastik auch für die damaligen christlichen Gelehrten unbestreitbar war, so änderte das nichts an ihrem grundsätzlichen negativen Urteil über das Judentum. 1240 fand in Paris ein Prozeß gegen den Talmud statt, der 1242 und 1248 die Verbrennung von etwa 20.000 hebräischen Handschriften zur Folge hatte. Manche Theologen, die der Verurteilung des Talmud zugestimmt hatten, schätzten den Rabbi Moyses, wie sie lateinisch Moses Maimonides nannten, lediglich als Lehrmeister für das philosophische Verständnis gemeinsamer jüdisch-christlicher Glaubensaussagen.

Doch wie im Christentum die mittelalterliche aristotelische Philosophie auf Widerstand stieß, so geriet auch Maimonides eben wegen seines rationellen Glaubensverständnisses in das Kreuzfeuer jüdischer Kritik, die im aschkenasischen (französischdeutschen) Judentum noch*viel heftiger war als bei den aufgeklärten sefardischen (spanischen und portugiesischen) Juden. Die jüdischen Autoritäten in Frankreich verhängten 1232 den Bann über den „Führer der Unschlüssigen”, worauf sich der Rabbiner von Montpellier, Salomo ben Abraham, an die dominikanische Inquisition mit der Bitte wandte, gegen dieses Werk des Maimonides einzuschreiten, weil darin von der Kirche verbotenes aristotelisches Gedankengut enthalten sei. Auf Befehl des päpstlichen Legaten wurden daraufhin in Montpellier die Exemplare des „Führer der Unschlüssigen” konfisziert und im Dezember 1233 verbrannt. Der Maimonist Nicolaus Donin wurde von den rabbinischen Autoritäten 1236 gebannt, worauf er nach einigen Jahren zum Christentum übertrat und dem Papst Gregor IX. eine 35 Punkte umfassende Anklageschrift gegen den Talmud überreichte, die der unmittelbare Anstoß zum Talmudprozeß 1240 in Paris war. Der Autor ist Prof essor für Judai stik in Wien.

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