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Helmut Bismarck

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Wenn in deutschen Landen das Undenkbare denn doch für möglich gehalten wird, dann sagen Mann und Frau wiegen- den Kopfes auf schlecht deutsch: Man hat schon Pfer- de kotzen sehn / direkt vor der Apotheke!"

Augsteins Spiegel erschien mit einem Kohl-positiven Aufmacher, und der Gralshü- ter des politisch engagierten Skandaljournalismus persön- lich bescheinigte dem west- deutschen Kanzler, daß er die „richtige Sache" vertreten habe, die gesamtdeutsche Ver- einigungssache nämlich. Wie denn das?

Bislang war der massige Pfälzer doch der Hamburger Polit-Postillen bewährtester Buhmann. Und sie wählten zu seiner Demontage die perfide- ste aller Strategien, das Lä- cherlichmachen. Zwarwirder, wenn nicht alles trügt, in die deutsche Geschichte eingehen als Kanzler der Wiederverei- nigung, als Kanzler des (zwei- ten) Wirtschaftswunders. Aber in den Medien wurden ge- schmacklose Witze kolportiert, und bei Vernissagen Achseln gezuckt und Nasen gerümpft, sobald die Sprache auf ihn kam. Bis vor kurzem wenig- stens.

Im Ausland ist das schon seit längerer Zeit anders, da wird der große deutsche Michel aus der Pfalz durchaus geschätzt, zumindest als stabiler politi- scher Faktor. Und nicht weni- ge Bürger und Bürgerinnen der DDR können sich Helmut Kohl durchaus als gesamtdeutschen Bundeskanzler vorstellen.

Warum hielten die Medien, die die Massen je nach Laune bewegen oder ruhig halten, bis dato nichts von ihm? Ist er ihnen vielleicht gar allzu deutsch? Sie lieben den gegen- wärtigen Bundespräsidenten, den adeligen und doch libera- len, den asketisch-freundli- chen „Richard von".

Und das ist auch ganz klar, denn so möchten sie gern sein, und noch dazu von internatio- nalem Beifall umrauscht. Wer aber - nicht nur von den Deut- schen - hat denn schon gerne ständig Gewichtsprobleme, litte mit Freunden an einem unausrottbaren pfälzischen „Dialekt" und bekäme dazu von den medialen Beckmes- sern dauernd Prügel!

Kohl soll sich trösten, selbst wenn nach Augsteins Damas- kus nicht sofort alle Medien- menschen zu Kohl-Schmek- kern werden: Schon einmal gab es in deutschen Landen einen Kanzler, der alles erreichte, waspolitischmöglichwar, und der sich dennoch solange nicht der öffentlichen Huld erfreuen konnte, bis er verkündete, daß sich Herrschaft und Volk künf- tig „den Dreck alleene ma- chen " sollen. Auch er hatte Ge- wichtsprobleme und war kein Schönredner, nur kurte er nicht am Wolfgangsee, sondern in der Rhön.

Bismarck war's.

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