Mittwoch hat in Linz der Nori- cum-Prozeß begonnen. Tags zuvor hat der Nationalrat die Ergebnisse des Noricum-Untersuchungsaus- schusses behandelt. Rechtsstaatli- che Gründe hat der SPÖ-Fraktions- führer im Ausschuß, Willi Fuhr- mann, dafür ins Treffen geführt, daß die große Regierungspartei einem gemeinsamen Ausschußbe- richt die Zustimmung verweigert hat: keine Vorverurteilung, keine Präjudizierung der laufenden Ver- fahren, nur ja keine Beeinflussung der Linzer Geschworenen.
Das Dilemma war bekannt, hat sich in der Aussageverweigerung von Fred Sinowatz, Karl Blecha und Leopold Gratz in der Doppel- rolle - hie Zeuge, dort Beschuldig- ter - zugespitzt. Wer allerdings die- ses Argument gegen einen parla- mentarischen Untersuchungsaus- schuß und eine abschließende Bewertung zu Ende denkt, wird beim Linzer Prozeß - wegen der Parallelität laufender Verfahren - auf nämliches Dilemma stoßen.
Die strafrechtliche und die poli- tische Verantwortung im Noricum- Skandal sind zwei Paar Schuhe. Aber eines ist jetzt wenigstens vor dem Linzer Prozeß klar: So mir nichts, dir nichts alles den ange- klagten Managern in die Schuhe zu schieben, während sich Politiker fein abputzen, geht wohl nicht mehr.
Was der Noricum-Ausschuß da insgesamt an politischer und beam- teter Verantwortungslosigkeit zu- tage gefördert hat, ist abseits straf- rechtlicher Verantwortlichkeit skandalös. Damit hat er seine Ein- setzung - auch gegen vielfache Bedenken - mehr als gerechtfer- tigt.
Das gilt ebenso - auch wenn die staatspolitischen Dimensionen nicht vergleichbar sind - für den Milch-Untersuchungsausschuß, dessen Erhebungen nicht nur Milch und Käsebasis sauer werden las- sen. Daß in diesem Fall die ÖVP - wohl auch in Reziprozität zum SPÖ- Verhalten bei Noricum - einem gemeinsamen Ausschußbericht ihre Zustimmung versagt hat, hängt damit zusammen, daß vorweg der SPÖ-Ausschußvorsitzende Hans Ressel vor allem den ÖVP-Stier - sprich: Josef Riegler - bei den Hör- nern nehmen wollte.
Die Aufschaukelung war wahl- programmiert: Haust du meinen Riegler, hau ich deinen Vranitzky. Irgendetwas hätte doch irgendei- ner wissen müssen. Warum hat der eine Freunden, warum der andere Beamten vertraut?
Warum wirklich? Sollte denn Mißtrauen der einzige Kitt sein, der diese Gesellschaft noch zusammen- hält? Sollte also hinter jedem quasi ein Polizist postiert werden? Soll man in jedem zuerst einen Gauner sehen? So wie Vranitzky und Rieg- ler hat ja offensichtlich auch Jörg Haider im Kärntner Magdalen- Skandal irgendjemandem vertraut, als er noch 1985 „nach strenger Prüfung" dem Pleite-Zellstoff werk gute Erfolgschancen einräumte.
So wird gezielt aus dem Glashaus mit Steinen geworfen.