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KGB und MVD isolieren Breschnjew immer mehr

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Fünf Spitzenfunktionäre des sowjetischen Geheimdienstes KGB und des für die Sicherheit verantwortlichen Innenministeriums, des MVD, bauten in den vergangenen Monaten eine Menschenmauer rund um den Parteichef Leonid Breschnjew. Ob ihm dieser Schutzwall gefällt oder nicht, ob dadurch seine Bewegungsfreiheit beeinträchtigt wird, ja ob er durch ihn gewissermaßen unter die Kuratel der hohen Funktionäre geraten ist, läßt sich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Feststeht jedenfalls, daß es keineswegs Sicherheitserwägungen sind, die eine solche „Einmauerung“ des Sowjetdiktators rechtfertigen. Das Überwachungs- und Sicherheitssystem der UdSSR ist lückenlos und funktioniert hervorragend. Außerdem war es niemals Aufgabe von Spitzenfunktionären im Minister- und Generalsrang, den „Woschd“ zu schützen, dafür gibt es bewährte Organe in unteren Rängen. Manche Moskauer Auslandsdiplomaten fragen sich daher, ob da nicht ehrgeizige Minidiktatoren versuchen, den etwa erkrankten Boß nicht nur zu isolieren, sondern auch politisch unter Druck zu setzen.

Wer sind nun diese Männer, die bei öffentlichen Großveranstaltungen, beim Ab- und Anflug, den Marschall abschirmen? Zu ihnen zählt Juri W. Andropow, der allmächtige KGB-Boß, der als Budapester Sowjetbotschafter seine goldenen Sporen bei der Liquidierung des ungarischen Volksaufstands vom Jahre 1956 verdient hat. Desgleichen Semen K. Tswigun, Erster Stellvertretender Vorsitzender des KGB, und Generaloberst Georgi K. Tsinew, Stellvertretender Vorsit-

zender des KGB; er wurde anläßlich seines 70. Geburtstages im Mai ganz unerwartet zum „Helden der Sozialistischen Arbeit“ ernannt, was auf den nicht alltäglichen Einfluß und die Bedeutung des Generalobersten in der Partei- und KGB-Hierarchie schließen läßt, denn niemals hat ein Stellvertretender Vorsitzender des Geheimdienstes diesen Titel erhalten. Ferner sind da Nikoląj A. Schtschelokow, Innenminister und Leiter des gesamten MVD-Apparats, und Juri M. Churba- now, höchster Politkommissar der internen MVD-Sicherheitskräfte. Wahrscheinlich ist es gegenwärtig eher die sowjetische Führungsgarnitur, die von diesen Spitzenfunktionären etwas zu befürchten hat, und weniger Breschnjew selbst. Durch ihre Beob- achtungs-, Kontroll- und Sicherheitsapparate sind die genannten Männer überall und immer anwesend.

Einige andere Persönlichkeiten gehören neuestens ebenfalls zur Suite Breschnjews. Es sei dahingestellt, ob sie jemals eine Art von Gegengewicht oder Gegenpol zu den Erstgenannten bilden könnten. Die neuen Männer sind Michail P. Georgadze, Sekretär des Präsidiums des Obersten Sowjets, und Wselowod I. Wasiljew, Chef des Sekretariats des Präsidiums des Obersten Sowjets.

Die derzeitige Suite des „Woschd“ besteht aus insgesamt 29 Personen, was einem Zuwachs von drei Personen seit 1971 gleichkommt. Bemerkenswert ist dabei, daß auch ein qualitativer Wechsel stattgefunden hat und daß die Sicherheitsorgane proportional stärker vertreten sind als früher.

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