Dreißig bewegte Jahre

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Vor dreißig Jahren hat das „kurze“ 20. Jahrhundert (von 1918 bis 1989) geendet, das nicht nur in seinem Grauen extrem war, sondern (zumindest in Europa) auch in der Hervorbringung von Reichtum, Gesundheit und Sicherheit. Es folgten Jahre der Selbstüberschätzung. Gemäß der Illusion vom „Ende der Geschichte“ sollte sich die ganze Welt nach dem Ende des Kalten Krieges zu Marktwirtschaft und Demokratie bekennen; stattdessen sehen wir neue Formen des Staatskapitalismus, des imperialen Strebens und des Autoritarismus. Man dachte, man würde in die Epoche von Abrüstung und Friedlichkeit eintreten; stattdessen sind wir mit nuklearem Wettlauf und realistischen Kriegsperspektiven konfrontiert. Die Ökonomen gaben sich der Überzeugung hin, die wirtschaftliche Entwicklung im Griff zu haben; stattdessen taumelten sie in eine globale Wirtschaftskrise, in der sich die Managerklasse als ziemlich unfähig erwies. Migration sah man lange als peripheres Problem, bis es sich 2015 mit aller Macht in die politische Bedeutsamkeit drängte. Jahrzehntelang hatte man sich (nach den Erfahrungen mit Faschismus und Sozialismus) der Fantasie hingegeben, dass demokratisches Bewusstsein nunmehr alternativenlos in den Köpfen der Menschen verankert sei; stattdessen erweist sich die Demokratie als eine schwer errungene „künstliche“ Institution, die in ihrer Ausgestaltung keineswegs dem „Bauchgefühl“ der Menschen entspricht. Seinerzeit hat man den Briten Pragmatismus und den Amerikanern Demokratiebewusstsein zugesprochen, stattdessen erleben wir Brexit und Trump. Die neue Elektronik sollte die Welt verbessern, doch die Fülle der Wissensangebote scheint eher zu neuer Dummheit zu führen.
In den dreißig Jahren wurden somit verschiedene Stimmungslagen durchlaufen: zwischen Euphorie- und Desastergefühlen. Stimmungen stimmen oft nicht. Und wie wir uns heute fühlen sollen, wissen wir nicht so recht.

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