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Medienzwist in SPÖ

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„Wir können und dürfen auf das unabhängige .Extrablatt' keinen Einfluß nehmen“, behauptete SPÖ-Zen-tralsekretär Karl Blecha in einem Leserbrief an die FURCHE (Nr. 32), die den gehässig antikirchlichen Trend der Juli/August-Folge dieser Linkspostille kritisiert hatte.

Mag sein, daß der SPÖ-Zentralse-kretär und Medienfachmann mit dem „Extrablatt“ nichts (mehr) zu tun haben will. Viele personelle Verflechtungen widersprechen jedoch der Behauptung Blechas. Denn von den 20 Gesellschaftern der „Extra-blatf'-Verlagsgesellschaft m. b. H, müßten immerhin einige dem Ble-cha-Büro, also dem SPÖ-Zentralse-kretariat, bekannt sein.

• So sind etwa Marie-Luise Kalten-egger und Peter Nagy freie Mitarbeiter der sozialistischen „Arbeiter-Zeitung“ (AZ).

• So ist auch Georg Hoffmann-Ostenhof, Ex-Mitglied der „Gruppe Revolutionärer Marxisten“ (GRM), derzeit hauptberuflicher Außenpolitiker der AZ.

• So ist Bruno Agner Pressereferent des SPÖ-Parlamentklubs.

• So ist der ehemalige „Extra-blatf'-Geschäftsführer Kurt Traar immerhin in Blechas Meinungsforschungsinstitut (IFES) angestellt gewesen.

Gewährleisten alle diese „Extra-blatf'-Gesellschafter SPÖ-Unab-hängigkeit? Allerdings mag das finanzielle Verhältnis zwischen „Extrablatt“ und SPÖ in der Tat heute anders aussehen als früher.

SPÖ-Energiesprecher Kurt Heindl, mit dem das unabhängige „Extrablatt“ seinerzeit ein ausführliches und sehr seichtes Interview über Zwentendorf führte, soll laut „profü“ (Nr. 29/1979) das Blatt finanziell unterstützen. Wenn aber auch er es nicht sein sollte, müßte es eine andere Quelle geben. Denn eines ist klar: Mit den wenigen Anzeigeneinnahmen (letzte Ausgabe: zehn Anzeigenseiten von insgesamt 96 Druckseiten) läßt sich das Blatt nicht kostendeckend führen. Die 150.000 Schilling, die der jetzige „Extra-blatf'-Chefredakteur Harald Irnberger als Kommanditisten-Haftkapital in die „Extrablatf'-Verlagsgesell-schaft m. b. H. & Co. KG (Handelsregister Wien, Eintragung A 19416 a) eingebracht hat, dürften seine Abfertigung von „Kurier“-Zeiten ziemlich aufgebraucht haben.

Für die „Extrablatt“-Verlagsgesellschaft m. b. H. & Co. KG haftet die „Extrablatf'-Verlagsgesellschaft m. b. H., die über 20, teilweise deutlich SPÖ-nahe, Gesellschafter verfügt und ein sehr schwaches Stammkapital aufweist: 200.000 Schilling. Hinzu kommen 300.000 Schilling, die je zur Hälfte von Chefredakteur Irnberger sowie von Ex-Geschäftsführer Kurt Traar getragen werden. Dieser hat es übrigens offenbar vorgezogen, sich aus dem Medienleben zurückzuziehen - mit Datum 10. August 1978 erlosch seine Berechtigung zum Geschäftsführer.

Die aufwendige Nullnummer des „Extrablattes“, die im Juli 1977 erschienen war, hatte damals in der Medienbranche Aufsehen erregt. Die FURCHE kommentierte seinerzeit:

„ .Extrablatt' kämpft mit geschlossenem Visier.“ Damals haben „Extra-blatf'-Redakteure immerhin zugegeben, es hätten „Gespräche“ mit dem SPÖ-Zentralsekretariat stattgefunden.

Acht Nummern später, im Februar 1978, wechselte das Blatt von der sozialistischen Grazer Leykam-Druk-kerei zu den Brüdern Rosenbaum nach Wien. Übrig waren nach einer Leykam-Schlußrechnung zwei Millionen Schilling Schulden geblieben.

Im Frühsommer 1979 fand dann eine Gerichtsverhandlung statt, bei der es zu einem Vergleich gekommen ist: Die zwei Millionen würden ratenweise zurückgezahlt werden, nahm sich das „Extrablatt“ vor. Schließlich war man jedoch nicht in der Lage, auch nur die erste Rate abzustottern. Man kam sogleich in Verzug. Jetzt werden die zwei Millionen von der Leykam eingeklagt, wie Ley-kam-Direktor Kurt Oktabetz der FURCHE versicherte. Chefredakteur und Geschäftsführer Irnberger hüllt sich in Schweigen: „Uber die finanzielle Gebarung des .Extrablattes' gebe ich keine Auskunft.“

Wenn seinerzeit Redakteure des Linksmagazins widersprechend festgestellt hatten, eine „Extra-blatf'-Ausgabe würde 500.000 beziehungsweise eine Million Schilling kosten, bleiben immer noch Millionenbeträge offen, die irgendwo, irgendwie von irgendwem zur Verfügung gestellt wurden und werden.

Die ÖVP ist es sicher nicht.

Im Oktober 1978 dürfte es jedoch zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem „Extrablatt“ und der Wiener SPÖ gekommen sein, hatte doch Irnberger im Herausgeberbrief zwischen den Zeilen zur Wahlenthaltung bei den Wiener Gemeinderatswahlen aufgerufen. Gegen den Wiener SPÖ-Bürgermeister Leopold Gratz und die Wiener Partei verfaßte Storys in derselben Nummer dürften die Beziehungen „Extrablatf'-Wiener SPÖ weiter abgekühlt haben.

Auf die FURCHE-Frage, ob die Behauptung Blechas stimme, daß das „Extrablatt“ kein Geld von der SPÖ bekäme (zumindest offiziell nicht), antwortet Irnberger lakonisch-bissig: „Da hat er ausnahmsweise recht.“

In der August-Nummer 1979 des sozialistischen Diskussionsorgans „Die Zukunft“ sind nun zwei „Ex-trablatf'-Gesellschafter am Werk:

SPÖ-Parlamentspressesprecher Bruno Aigner und Harald Irnberger selbst. Agner schreibt kritisch: „Die eigenen Medien werden wie ungeliebte Stiefkinder behandelt. Die SPÖ investiert gegenwärtig in ihre Medien nur so viel, daß sie sich mühsam dahinschleppen können. Zum Sterben zuviel, zum Leben zuwenig.“

Und Irnberger gibt in einem sehr bissigen Artikel über die SPÖ-Me-dienpolitik („Machtbewußte Cliquen, deren Angehörige sich aus beiden Großparteien rekrutieren ... Man steckt das Geld in unnötige Alibiunternehmen ... Es mangelt an politischer Toleranz ...“) einen vieldeutigen Satz von sich: „Welchen Interessen ein Medium dienen soll, ist im Zusammenhang mit der Frage zu sehen, wer die ökonomische Kontrolle über dieses Medium ausübt.“

Er muß es ja wissen.

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