6859973-1977_32_05.jpg
Digital In Arbeit

Millionen Österreichern ist die Umwelt zu laut

Werbung
Werbung
Werbung

Mit einem Informationstreff für die Presse und der bei dieser Gelegenheit präsentierten Lärmfibel startete das Gesundheitsministerium noch vor Herbstbeginn seine Kampagne gegen den Lärm. Untersuchungen über das Phänomen Lärm, das heute zu einer allgemeinen Plage als Preis für Wohlstand und Komfort geworden ist, über seine Ursachen sowie über die Arten der Lärmschädigung und schließlich über Möglichkeiten des Lärmschutzes in verschiedenen Bereichen, wie Wohnungsbau, Straßenverkehr, bei Haushaltsgeräten und auf Arbeitsplätzen, sind bereits seit einiger Zeit im Gange und erste Ergebnisse liegen in Form von Forschungsberichten, Studien und Richtlinien vor.

Als Grundlage jeder auch gesetzlich fundierten Art des Lärmschutzes wurden Methoden erarbeitet, um das Lärmausmaß meßtechnisch festzustellen. Eine Reihe von Institutionen beschäftigt sich mit dem Lärm unter verschiedenen Aspekten, so der wissenschaftliche Beirat für Umwelthygiene im Ministerium oder der Arbeitsring für Lärmbekämpfung.

Rückt man auch vorderhand dem Problem „Lärm” mit Messungen, Statistiken, ärztlichen Gutachten über Lärmschädigungen und entsprechenden Empfehlungen über Grenzwerte zumutbarer Lärmstörungen zu Leibe, so muß doch der durch surrende Klimaanlagen, Baumaschinen und Bremsenquietschen geplagte Zeitgenosse leider feststellen, daß es zur Zeit viel zu wenig reale Abhilfen gibt. Im Rahmen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, des Luftfahrtgesetzes, der Straßenverkehrsordnung, lokaler Bauvorschriften existieren Bestimmungen gegen zu große Lärmentwicklung, die aber zum Teil, wie es die Praxis leider oft zeigt, recht großzügig gehandhabt werden. Ein wirksamer Schallschutz ist bis dato illusorisch. Das Problem krankt primär daran, daß es keine einheitliche Umweltschutzgesetzgebung gibt und die Lärmbegrenzung „eine über die Maßen zersplitterte” Gesetzesmaterie ist. Für Herbst steht ein Umweltschutzgesetz in Planung. Mit einer bundeseinheitlichen Begrenzung der Lärmerregung will man den Kompetenzstreitereien der einzelnen Verwaltungsbereiche ein Ende machen.

So gibt es also eine Reihe von Unternehmungen und Aktivitäten, die sich um den Lärm kümmern, aber man wird sich die Frage nicht verkneifen können, ob sie wohl bisher effizient waren. Es darf nicht bei Studien, Empfehlungen, Ratschlägen oder Richtlinien bleiben. Denn wie akut das Lärmproblem für uns alle ist, beweist neben der schmerzlichen Erfahrung, die jeder täglich machen muß, eine Studie des Beirates für Wirtschaftsund Sozialfragen, nach der zwei Millionen Österreicher in 642.000 schlecht schallisolierten Wohnungen leben und sich stark oder sehr stark durch Lärm belästigt fühlen. Dieses alarmierende Ergebnis sollte nicht nur in Studien festgehalten werden, sondern auch zu möglichst rasch durchführbaren Gegenmaßnahmen führen.

Es ist sicher begrüßenswert, daß die Lärmfibel „waschkörbeweise” im Ministerium für jeden Interessenten kostenlos aufliegt, aber würde nicht beispielsweise eine Konsumentenberatung mit verstärktem Hinweis auf tatsächlich lärmgeschützte Geräte oder eine Überprüfung der Schalldichtung von technischen Anlagen schneller Abhilfe schaffen? So kann man einstweilen hoffen, daß es nicht nur bei (zu) vielen Worten über den Lärm bleibt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung