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Mit weniger mehr

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Während die Austrian Airlines nach außen hin mit neuen Flugzeugen, neuer Aufmachung und einer neuen Werbekampagne in Erscheinung treten, wird der während der Zäsur des Jahres 1970 kräftig reduzierte Fersonalstand seit einiger Zeit wieder etwas aufgestockt. Doch bleibt der Personalaufwand mit 25 Prozent der Gesamtaufwendungen nun unter dem europäischen Durchschnitt.

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Während die Austrian Airlines nach außen hin mit neuen Flugzeugen, neuer Aufmachung und einer neuen Werbekampagne in Erscheinung treten, wird der während der Zäsur des Jahres 1970 kräftig reduzierte Fersonalstand seit einiger Zeit wieder etwas aufgestockt. Doch bleibt der Personalaufwand mit 25 Prozent der Gesamtaufwendungen nun unter dem europäischen Durchschnitt.

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Die für das inländische Reisepublikum bestimmten Austrian-Anzeigen erfuhren eine Aufwertung durch die Mitarbeit des österreichischen Car-toonisten Erich Sokol, der nach seinem Übertritt vom Tageskarikaturisten der AZ zum Chefgraphiker des ORF stärker „in“ ist als je zuvor, anderseits aber kaum werbliche Aufträge übernimmt.

Die Österreicher, so verkündet die Headline einer der Anzeigen, teile man ein „in solche, die gegen uns sind, und solche, die mit uns fliegen“. Die Gegner — deren Zahl in letzter Zeit abnimmt — registrieren mit einer gewissen Schadenfreude, daß der Personalstand der Airline, der während der Sanierungsphase von mehr als 1800 auf weniger als 1500 Personen schrumpfte, mittlerweile wieder auf 1567 Mitarbeiter angewachsen ist. Jene, die mit dem der Asche schmerzlicher Caravelle-Sonderabschreibungen entstiegenen Phönix DC 9 fliegen, machen freilich die Beobachtung, daß dafür vom Personal der Austrian Airlines auch Dienste geleistet werden, die ihm vordem nicht oblagen. So ging das — keineswegs verlustbringende —

Trafflc handling für alle jene Wien anfliegenden Gesellschaften, die an den Schaltern in Schwechat nicht ihr eigenes Personal einsetzen können oder wollen, von der Flughafenbetriebsgesellschaft auf die Austrian Airlines über.

Die neuen Maschinen, die wesentlich schneller rotieren als der alte Flugzeugpark (die letzte Viscount ist längst abgestoßen, die letzte Cara-velle wird bald ihr Schicksal teilen), „verbrauchen“ pro Tag auch mehr Besatzungen; ein zusätzlicher, nicht unerheblicher personeller Mehrbedarf resultiert aus der Tatsache, daß eine Fluggesellschaft nicht — wie manche andere Organisation — auf verkürzte Arbeitszeiten mit Betriebseinschränkungen reagieren kann.

Patriarchalische Strukturen

Daher ist die Personalsituation bei der Fluggesellschaft heute kaum weniger angespannt als nach der großen Kündigungswelle, und Personalchef Gölles betrachtet es jetzt als seine wichtigste Aufgabe, praktisch zum erstenmal in der Geschichte der AUA systematisch an Aufbau und

Schulung eines Führungskaders heranzugehen. Ansätze dazu scheiterten oft an der Unmöglichkeit, aus dem eigenen Personalstand hervorgegangenes Führungspersonal zwecks Weiterbildung vorübergehend freizustellen, sprich auf Management-Kurse zu schicken. Das Resultat war eine Verstärkung der seit der AUA-Gründung eingeschliffenen patriarchalischen Führungsstrukturen.

Diplomkaufmann Gerhard Gölles, seit wenigen Monaten Personalchef, war vorher in verschiedenen Positionen unter anderem für Bordservice, Bodendienste, zuletzt aber für die heikle Österreichdirektion verantwortlich. Sein ehemaliger engster Mitarbeiter Fritz Feitl, der zum Leiter des Marketing-Departments aufrückte, ist erst 33 Jahre alt — die Austrian Airlines werden heute von einem großteils sehr jungen Führungsteam geleitet. Das beginnt bei den Vorstandsdirektoren Heschgl (Jahrgang 1926) und Papousek (Jahrgang 1927), die ebenfalls als sehr jung für ihre Position gelten können.

Die Tatsache, daß der Führungsnachwuchs vorzugsweise aus dem eigenen Personalstand rekrutiert wird, macht das Problem der Managerschulung für die Austrian Airlines besonders drängend. Gölles: „Modernes Management können Sie ganz einfach nur mit einem systematisch geschulten Führungskader verwirklichen.“

Bei der Wiederaufstockung des Personalstandes kam vor allem das Marketing zum Zuge, welches die Abteilungen Verkauf, Verkehr, Planung, internationale Verträge und kommerzielle Verträge umfaßt. Die Austrian-Airlines-Organisation ist neuerdings in die Departments Marketing, Technik, Flugbetrieb und Finanzen gegliedert, wobei sich kaufmännisches, sprich kommerzielles Denken auch insofern Bahn brach, als auch die Wahl der neuen

Flugzeugtype nicht als eine technische, sondern als eine Marketing-Entscheidung verstanden wurde. (Ihre Richtigkeit wird heute kaum noch angefochten.)

Gar nicht glücklich ist Gölles über den Umstand, daß er viel zu geringe Möglichkeiten hat, auch Frauen aussichtsreiche Karrieren zu bieten. Gölles: „Erst kürzlich ist uns ein äußerst tüchtiges Mädchen weggegangen. Nach fünf Jahren Dienst am Counter hatte sie einfach genug davon, daß gleichaltrige, zugleich eingetretene Männer mit gleichwertiger Ausbildung bereits mit zwei Goldstreifen am Ärmel herumliefen und ihr Befehle gaben. Aber die Benachteiligung der Frau hat so tief sitzende Wurzeln, daß ein Personalchef leider nur sehr wenig dagegen ausrichten kann.“

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