6784102-1970_05_05.jpg
Digital In Arbeit

Wenn die Kraniche ziehen

Werbung
Werbung
Werbung

Die stilisierten roten Kraniche auf den silberglänzenden Rümpfen sind schuld, daß der steirische Landeshauptmann Josef Krainer kurze Nächte verbringt, in denen er seiinen Groll gegen „die in Wien“ recht heftig formuliert. Genau zwölf Jahre, nachdem die freundlichen „Austrian Airlines“ ihre Maschinen mit den rot-weiß-roten Leitwerken in die Luft schickten, wird die steirische Landeshauptstadt zu einem „Bergdorf“, wie es Krainer für den Fall, daß man bis zum 1. April keine regionale Fluggesellschaft auf die Beine bringt, befürchtet. Denn mit 1. April 1970 läuft der neue Sommerflugplan an, der der AUA die bisher strengsten Einsparungsmaßnahmen bescheren soll.

So wollen es zumindest der Aufsichtsrat, dessen Präsident in einem

seltenen Anfall von Ehrlichkeit den Ausspruch prägte „Nach kaufmännischen Erwägungen müßten wir zusperren“, der Vorstand mit den unzertrennlichen Direktoren Heschgl (SPÖ) und Papousek (ÖVP), und so will es stellvertretend für den anonymen österreichischen Steuerzahler Finanzminister Professor Stephan Koren. Dagegen sind der bereits genannte Landeshauptmann von Steiermark, der Landeshauptmann von Salzburg, die steirische und die Kärntner Handelskammer, die Flughafenbetriebsgesellschaften in den Bundesländern, und dagegen sind selbstverständlich die betroffenen Betriebsangehörigen der AUA selbst. Dem großen Reinemachen der Vor-standsdioskuren Papousek und Heschgl, übrigens bereits der fünften Vorstandsgarnitur in den vergange-

nen zwölf Jahren, ging „ein ewiges Fortwursteln“ voran, das sich in der regelmäßig wiederkehrenden Verschuldung des Unternehmens bis zum Verzehr des Grundkapitals zeigte. Begonnen hat es mit dem Versäumen der großartigen Chance, die sich aus der Neutralität unseres Landes nach dem Staatsvertrag 1955 ergab. Belastet von innenpolitischen Ressentiments, aber auch von echten außenpolitischen Sorgen, verzichtete man auf die Luftstrecke in den Oststaaten, bis die skandinavische SAS, aber auch die britische BOAC und die französichse Air France sich etabliert hatten.

100 Mann und fünf Maschinen

In den vergangenen Jahren hat der Inlandflug das viel zu geringe Grundkapital mehrmals dezimiert. Der Binnenflug brachte im Jahr seine 30 Millionen Defizit, die Kosten für den Bau modemer, aber teurer Flughäfen stiegen in die hunderte Millionen. Und eines kam dazu: nach dem parkinsonschen Gesetz vermehrte sich das Personal in dem Maße, in dem die Flüge weniger ausgelastet wurden. So soll die finnische Luftfahrtgesellschaft „Finnair“ mit 43,7 Mann technischem Bodenpersonal pro Maschine in der Lage sein, nicht nur ihre eigene Super-Cara-velle-Flotte, sondern auch noch die zweier anderer Gesellschaften zu überholen. Die „Friendly Airlines“ benötigt für ihre fünf Caravelles pro Maschine 43,9 Mann Bodenpersonal. Und kommt die finnische Gesellschaft mit 113,9 Angestellten pro Flugzeug aus, so braucht die AUA schon 157 Beschäftigte. Auch die Anzahl der unter Kommando der Austrian Ailines stehenden mehr als 110 Pioten und Kopiloten für fünf Caravelles und die gemeinsam mit der „Sabena“ betriebene Boeing 707 dürften internationalen Vorstel-

lungen von rationeller Betriebsführung kaum entsprechen. Das „Sündenregister“ wäre beliebig fortzusetzen; das wäre jedoch ebenso nutzlos wie die Suche nach Schuldigen. Wie es auch nutzlos sein dürfte, von seiten der Personalvertretung, aber auch der Gewaltigen in der ÖAAB-Zentrale in der Laudongasse, den Vorstand wegen der Rationalisierungsbeschlüsse in die Zange zu nehmen. Die gegenwärtig genannten Zahlen von 600 Kündigungen — ein Drittel des derzeitigen Personalstandes — werden sicher noch Modifizierungen nach unten erfahren. Die geplante Verkleinerung der AUA-Flotte — Stillegung der Propellermaschinen — zwingt auf jeden Fall zu einer gewissen Personalschrumpfung. Die Einstellung des Binnenfluges wie auch der grenzüberschreitenden Kurse Graz—Linz —Frankfurt, Klagenfurt—Salzburg —Frankfurt, Salzburg—Brüssel und Salzburg—London wird ebenfalls eine Personalreduktion nach sich ziehen.

Keine weiteren Steuermillionen

Im Finanzministerium in der Himmelpfortgasse verfolgt man die harte Tour des Vorstands mit offen-

sichtlicher Genugtuung. Der Ende vergangenen Jahres erfolgten Aufstockung des Grundkapitals wurde schon damals die bindende Verpflichtung beigefügt, das jahrelang verschleppte Sanierungskonzept endlich vorzulegen. Das ist nun geschehen. Weitere finanzielle Zuwendungen, so wird im Finanzministerium betont, kommen auf keinen Fall in Frage; lediglich über eine Hilfestellung beim Erwerb einer sechsten Cara-velle könne man reden. Im übrigen sei man mit der bisherigen Arbeit des Zweigespanns Papousek-Heschgl durchaus zufrieden und eine Forcierung des im Parlament schlummernden Gesetzesentwurfes für eine Novellierung des AUA-Rekonstruk-tionsgesetzes mit Einführung eines Vorstandsvorsitzenden und eines Aufsichtsratsvorsitzenden mit Diri-mierungsrecht sei keinesfalls dringlich.

Womit nur zu hoffen übrig bleibt, daß der Start zu finanziell gesünderen Ufern kein Fehlstart wird. Weitere Defizite, für die der Steuerzahler aufzukommen hätte, sollten sich in jenem Rahmen bewegen, den die ' Wichtigkeit, eine eigene Fluggesellschaft zu unterhalten, vorschreibt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung