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Laßt sie fliegen!

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Es scheint angezeigt zu sein, die in letzter Zeit vieldiskutierte Oesterreichische Luftfahrtgesellschaft (AUA) einmal sachlich und unbefangen zu betrachten — ein nicht ganz leichtes Unterfangen angesichts der erregten Unterhaltungen und Anschuldigungen, die wieder einmal von der breitesten Oeffentlichkeit vorgebracht wurden.

Die Problematik wurde der Gesellschaft gleichsam schon in die Wiege gelegt, ja, sie war bereits lange vor dem effektiven Flugbetrieb vorhanden. Wie noch erinnerlich, war vor der Firmengründung eine Reihe von politischen Problemen aus der Welt zu schaffen, bevor man überhaupt an eine Konstituierung der Gesellschaft schreiten konnte. Diese bereits damals in das Gefüge der AUA getragenen Unklarheiten und Spannungen mußten selbstverständlich in irgendeiner, wenn auch gemilderten Form weiterwuchern, zumal die schmale wirtschaftliche Basis des neuen Unternehmens bis heute nachwirkte.

Die Geschäftsführung, die unter solchen Aspekten den Betrieb zu gründen und einzuarbeiten hatte, mußte sich von vornherein großen Schwierigkeiten gegenübersehen. Es kommt dazu, daß sie einer gut eingeführten internationalen Konkurrenz gegenübertreten mußte. Eine weitere Erschwernis bildete der Umstand, daß keinerlei geübtes Personal zur Verfügung stand, wodurch sich nicht wenige natürliche Reibungsflächen ergaben. Einige der Angehörigen des Unternehmens schließlich waren in der Anfangszeit bemüht, nicht nur der Gesellschaft, sondern auch dem eigenen Fortkommen zu dienen; das mag, vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, vielleicht noch irgendwie verständlich sein, ist aber auf die Dauer im normalen Wirtschaftsleben untragbar.

Eine Geschäftsleitung, die! sich solchen internen wie äußeren Schwierigkeiten gegenüber bei geringster finanzieller Rückendeckung durchsetzen und dabei auch noch den verschiedenartigsten • Forderungen’ nachkommen sollte, müßte über kürz’ öder lang ins Kreuzfeuer öffentlicher Kritik geraten. Für den Außenstehenden ist es da natürlich weit einfacher, Unzulänglichkeiten aufzudecken, in entsprechender Form auszuschmücken und individuell zu deuten, als den wahren Gegebenheiten innerhalb des Unternehmens gerecht zu’werden; denn dazu reicht keineswegs eine einzelne „Information” aus, sondern dazu gehört ein weitreichender, fachkundiger Ueberblick. Wie aber soll ein Außenstehender über einen so schwierigen Komplex die zu einem zutreffenden Urteil erforderlichen Unterlagen erlangen?

Ob die AUA nun wirtschaftlich für unser Land notwendig gewesen ist oder nicht, steht heute nicht mehr zur Debatte. Die Fluggesellschaft existiert nun fast ein Jahr und betreibt einen geregelten, in den letzten Monaten sogar erfolgreichen Flugdienst. Die Oeffentlichkeit hätte also die Pflicht, bei allen Beurteilungen von diesem positiven Standpunkt auszugehen, womit die einzelnen Stellungnahmen bereits wesentlich entschärft wären. Denn daß eine Fluggesellschaft wie die AUA zu Anfang des Betriebes nur ein defizitäres Unternehmen sein kann, war wohl schon bei der Gründung bedacht. Die Erfahrungen mit anderen Fluggesellschaften in aller Welt sind eindeutig. Wenn man also der Auffassung war, Oesterreich brauche aus Prestigegründen eine Fluggesellschaft, dann ist das mit allen Konsequenzen auch heute noch zu vertreten, und die einzige und wirklich richtige Reaktion kann deshalb nur eine finanzielle und ideelle Unterstützung dieses im Aufbau begriffenen Wirtschaftskörpers sein. Interne Spannungsfelder der Gesellschaft sollten, wie in anderen Firmen, auch intern bleiben und intern geregelt werden können, denn bei einem internationalen Unternehmen, wie es jede Fluggesellschaft nun einmal ist, stellen Debatten und Diffamierungen, selbst wenn sie gerechtfertigt sein sollten, einen Prestigeverlust dar, der ganz Oesterreich trifft.

Eines der Hauptargumente bei der Gründung der AUA war, daß das österreichische Prestige auch eine Vertretung unseres Landes bei der zivilen Luftfahrt erfordere. Und nun schlägt man sich gerade das aus der Hand, was man sich von einer solchen Fluggesellschaft versprochen hat: die Werbung für Oesterreich durch eine ernst zu nehmende, internationalen Charakter tragende Institution. Man polemisiert vielmehr in heftigster Form und ständig gegen die AUA. Damit in engem Zusammenhang erscheint es uns auch grundfalsch, die Leitung der Gesellschaft dauernd in aller Oeffentlichkeit bloßzustellen; damit wird diesen Exponenten praktisch die Legitimation aus der Hand genommen. Sie werden zwangsläufig zu Marionetten gemacht: von Marionetten aber Spitzenleistungen zu erwarten, ist nicht gut möglich.

Die AUA, die für Oesterreich werben soll, muß gerade im Anfangsstadium und während ihres Wachstums als Werbefaktor angesehen und gepflegt werden. Dazu gehörte vor allem eine konziliantere Beurteilung der finanziellen Gebarung des Unternehmens, als sie bisher erfolgt ist. Werbung kostet nun einmal Geld. Sieht man freilich eine Werbeabteilung innerhalb einer Firma als Passivposten an — sie kostet ja unter Umständen sehr viel Geld, ohne dafür, nachweisbare Eingänge aufweisen zu können —, dann, ja, was dann … ? In Wirklichkeit ist die Werbung ein sehr wesentlicher Wirtschaftsfaktor, der nicht nur die Kosten, die er verursacht, sondern noch vieles darüber hereinbringt. Die durch und von der AUA betriebene Werbung bringt daher für Oesterreich Vorteile von der gleichen Art, wie sie auch etwa ein Industrieunternehmen einbringt — und auch nicht sofort und präzise ausweisen kann! Jedes Inserat, jeder Kalender, jeder Prospekt, das Flugservice in den Maschinen und die rotweißroten Farben an den Flugzeugen werben für Oesterreich — ein besonders wichtiger Faktor in einem Fremdenverkehrsland, wie es unsere Heimat ist. Die von der AUA durchgeführte und kostspielige Werbung kommt daher nicht nur dem Unternehmen allein zugute, sondern vielleicht noch zu einem größeren Teil unserer ganzen Fremdenverkehrsindustrie. Damit stellt sie für Oesterreich ein absolutes Positivum dar, während sie die AUA allein belastet, obwohl sie natürlich der Firma selbst auch Nutzen gebracht hat.

Sinnlos vertan wird das dafür ausgeworfene — an sich noch nicht hinausgeworfene — Geld nur dann, wenn man die AUA in aller Oeffentlichkeit, zumeist ungerechtfertigt, kritisiert und ihre Geschäftsleitung ihrer Legitimation beraubt. Damit schadet sich Oesterreich nur selbst. Innere Spannungen, zum Teil auch nur eine Reihe von Mißverständnissen, Jie in einer freundlichen Atmosphäre ohne weiteres geklärt werden können, gehören in den Aufsichtsrat. Dort wird in einer mit der Materie wesentlich vertrauteren, ruhigeren und sachlicheren Form viel eher ein Weg gefunden werden, als wenn immer wieder das Damoklesschwert der „öffentlichen Meinung” über den Verhandlungen schwebt.

Wir haben heute in der AUA eine zivile Luftfahrtgesellschaft, die auf allgemeinen Beschluß hin gegründet wurde, die ihren Start, wie ausländische Fachleute immer wieder behaupten, glänzend absolviert hat und die sich bereits zahlreichen Zuspruchs erfreut. Und das sollte man in Oesterreich in erster Linie einmal zur Kenntnis nehmen. Man sollte sich bemühen, die Probleme, denen sich die Gesellschaft gegenübersieht, weitgehend zu vereinfachen oder aber zumindest eine zuwartende Haltung zu beziehen, und das nicht nur, um der Gesellschaft einen Dienst zu erweisen, sondern auch, um im Ausland nicht völlig das Gesicht zu verlieren. Es ist nur schwer vorzustellen, daß es Oester- reicher gibt, die darauf erpicht sind, sich im Ausland bloßgestellt zu sehen.

Schwierigkeiten sind dazu da, um überwunden zu werden. Die verschiedensten Stellen haben sich nun einmal dazu entschlossen, diese Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, und jetzt sind wir der Auffassung, daß diese Schwierigkeiten auch gemeistert werden müssen.

So ist zu hoffen, daß die derzeit noch bestehenden Schwierigkeiten und Probleme der AUA bald in ruhigeren Bahnen und in sachlicherer Form als bisher gelöst werden.

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