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Wird im Sommer schon geflogen?

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Seit dem 9. Jänner dieses Jahres besitzt Oesterreich wieder wie vor 1938 eine selbständige Fluggesellschaft, die sich unter dem Namen Air Austria in den internationalen Flugverkehr eingliedern wird. Die Air Austria ist eine Institution, die aus der Oesterreichischen Studiengesellschaft für Verkehrsluftfahrt hervorgegangen ist. Diese wieder hat ihren Ursprung in der Gesellschaft zur Förderung wissenschaftlicher Forschung, die 1952 aus dem Oesterreichischen Aero-Club heraus gegründet wurde. Die Vorarbeiten für die österreichische Verkehrsluftfahrt reichen also relativ weit zurück. Es wurde hier jedoch nicht nur positive Arbeit geleistet, sondern man investierte auch beträchtliche Geldmittel als Vorschußbeträge, die die erforderlichen Vorbereitungen überhaupt erst ermöglicht haben. Und dies, obwohl man zum damaligen Zeitpunkt noch immer nicht absehen konnte, wann nun eine Realisierung der Pläne bezüglich einer österreichischen Luftfahrt überhaupt möglich sein würde. Die durch Jahre gleichmäßige Ablehnung des Staatsvertrages ließ den Zeitpunkt einer Aenderung der Verhältnisse ungewiß erscheinen, und damit stand auch absolut nicht fest, wie lange Investitionen erforderlich sein würden, um das angestrebte Ziel dann auch wunschgemäß verwirklichen zu können. Das plötzliche Ja zum Staatsvertrag brachte Oesterreich seine Lufthoheit wieder und damit die Möglichkeit einer effektiven österreichischen Zivilluftfahrtgesellschaft, wie wir sie bereits vor 1938 in der Oelag besaßen. Und hier begannen auch bereits die Schwierigkeiten.

Das Oesterreichische Verkehrsbüro, das seinerzeit an der Oelag beteiligt war, beanspruchte auf Grund dieses alten Rechtes wieder die Konzession zur Errichtung einer österreichischen Luftfahrtgesellschaft und erhielt sie auch. Die zweite österreichische Richtung — oder soll man besser erste sagen?; es ist nicht leicht, hier als Außenstehender zu urteilen — beansprucht natürlich ebenfalls eine Konzession, die jedoch vorläufig nur eingereicht ist.

Die Situation, wie sie sich dem Außenstehenden darstellt, zeigt sich derzeit folgendermaßen:

Im Präsidium der Air Austria befinden sich Präsident Dr. Martin K i n k als Präsident, Doktor Lambertus Hedrik S 1 o t e m a k e r als erster Vizepräsident (KLM), Generaldirektor Dr. h. c. Hans Lauda als zweiter Vizepräsident. Der Vertragspartner der Air Austria ist die Königlich Niederländische Luftfahrtgesellschaft (KLM), die mit 26 Prozent des derzeitigen Grundkapitals von 30 Millionen Schilling beteiligt ist. Das Abkommen, das diese Fluggesellschaft mit der KLM abgeschlossen hat, ist sehr vorteilhaft einerseits für die Air Austria, anderseits für Oesterreich schlechthin. Wie man hört, verpflichtete sich die KLM, für den Anfang zwei DC-4-Maschinen zum Einsatz zu bringen und außerdem den Ankauf der weiterhin vorgesehenen ein oder zwei DC-3-Maschinen zu ermöglichen, wodurch zumindest vorläufig das Problem des Flugparkes der Air Austria, wenn auch nicht restlos, so doch immerhin wesentlich geklärt ist. Darüber hinaus hat sich die KLM verpflichtet, “technische Hilfe zu leisten und vorläufig noch die regelmäßig anfallenden Grundüberholungen der Flugzeuge in den KLM-Werkstätten durchführen zu lassen. Außerdem wird der Bodendienst überall dort, wo die KLM einen solchen unterhält, von ihr übernommen. Der Bodendienst in Moskau, welche Route von der Air Austria regelmäßig beflogen werden wird, wird allerdings von dieser Gesellschaft getragen werden müssen. Weiterhin gewährt die KLM bei der so wichtigen Ausbildung des Personals Hilfe und hat damit bereits begonnen, indem sie unsere ersten vier österreichischen Piloten, die noch durch die Studiengesellschaft in England zur Ausbildung gelangten, als Co-Pilo-ten zur Einschulung auf den später von ihnen als Chefpiloten zu fliegenden Maschinen übernommen hat. Die KLM stellt aber auch ihre Verkaufsorganisation zur Verfügung, die nicht weniger als 106 Büros umfaßt.

Die Air Austria ging bei der Festlegung der zu befliegenden Routen von der Ueberzeugung aus, daß Oesterreich auch in der Luftfahrt seiner traditionellen Mission als Mittler zwischen Ost und West treu bleiben müsse. Zunächst sind folgende Linien vorgesehen: Wien—Belgrad-Athen—Kairo und zurück, Wien—Moskau und zurück. Wien—Düsseldorf—Amsterdam und zurück. Später soll eventuell eine österreichische Linie, und zwar Innsbruck—Salzburg—Wien-Graz—Klagenfurt—(allenfalls) Venedig beflogen werden.

Anläßlich des Presseempfanges am Tage der Gründung der Air Austria hielt Generaldirektor Reichel-Erlenhorst eine Rede, die viele Eragen beantwortete und Unklarheiten beseitigen sollte. Es hieß darin unter anderem: „Ueber die Defizitgarantie der KLM wurde viel geschrieben. Die diesbezüglichen Abmachungen gewährleisten, daß -durch Hilfe und Beratung der KLM bei voller Eigenverantwortlichkeit der Air Austria der Betrieb so geführt wird, daß keine Verluste entstehen können und auch in den ersten Jahren des Betriebes keine Mittel der Gesellschaft oder sonst österreichischerseits in Anspruch genommen werden. Dafür übernimmt die KLM die Haftung. Die KLM wird auch in Zukunft der Air Austria alle Kredite beschaffen, die diese für den Aufbau ihrer Luftflotte benötigt.“

Wenn man sich überlegt, daß die KLM ein Wirtschaftsbetrieb ist und auch als solcher geführt wird, dann muß man sich eigentlich wundern, welch weitgehende Zugeständnisse diese Firma macht. Man darf hierbei nicht vergessen.daß es sicher wenige Wirtschaftsbetriebe gibt, die derart rationell geführt werden müssen wie gerade eine Fluggesellschaft. Es ist daher überraschend, daß eine Firma, die gezwungen ist, wirtschaftlich zu denken, weil sie nur dann rentabel arbeiten kann, sich dazu bereit erklärt, eventuell auftretende Defizite auf sich zu nehmen. Noch dazu fördert sie hier ja im Grunde ein Konkurrenzunternehmen, an dem sie mit einem relativ geringen Prozentsatz beteiligt ist. Es ist erfreulich, daß die KLM sich zu solchen Konzessionen bereit erklärte.

Bei dem Presseempfang haben wir aber auch erfahren, daß die Air Austria bestrebt ist, nu modernstes Maschinenmaterial anzuschaffen, und zwar ist geplant, Turbo-Prop-Maschinen der Firma Vickers in Betrieb zu stellen, Maschinen, die auch von der KLM bestellt wurden. Vorläufig wird der Betrieb mit den vorerwähnten Flugzeugen der Type Douglas DC-3 und DC-4 aufgenommen werden. Die Fluglinien sollen während des Sommers zum erstenmal beflogen werden. Begrüßenswert ist es auch, daß die Air Austria sich ehrlich bemüht, alle Stellen mit österreichischem Personal zu besetzen, sei es nun im Flugbetrieb — dort ist es Vorschrift — oder auf dem Boden. In diesem Rahmen sind bereits 25 Flugzeugmechaniker in einem Schweizer Flugzeugwerk untergebracht worden, damit sie die erforderliche Lizenz erhalten. Bordfunker, Mechaniker, Werkmeister, Spezialisten aller Art, Stewardessen, Stationspersonal, vor allem aber Flugzeugführer sind bereits in Ausbildung begriffen oder werden zur Ausbildung gebracht, und- zwar an der Königlich Niederländischen Reichsluftfahrtschule. Eines geht daraus jedenfalls hervor: die Air Austria hat gründlichste Arbeit geleistet, und sie hat sich diese Vorarbeit auch Geld koken lassen.

Was die andere österreichische Luftfahrtgesellschaft anbelangt, verlautet, daß die zuständigen Herren in Stockholm weilten, um Verträge mit der SAS abzuschließen. Eines steht jedenfalls für alle Beteiligten fest, nämlich, daß in Oesterreich nur eine einzige Luftfahrtgesellschaft fliegen wird. Welche Wege noch beschritten werden müssen, um hier zu einer günstigen Lösung zu gelangen, das ist noch unklar. Es wird jedoch angenommen, daß eine passende Form gefunden werden kann.

Bedauerlich ist es nur, daß aus diesen beiden Firmengründungen Probleme erwachsen sind, die der guten Sache am Ende noch mehr schaden als nützen könnten und deshalb abzulehnen sind. Wir sind jedoch anderseits der Meinung, daß die derzeitige Situation keineswegs als unnatürlich bezeichnet zu werden braucht, denn wenn heute zwei Firmen irgendeiner Sparte in eine ähnliche Situation kommen wie diese beiden Unternehmungen, dann wird in der Oeffentlichkeit kein Mensch davon Notiz nehmen, denn Auseinandersetzungen dieser Art sind im Wirtschaftsleben keine Seltenheit. In diesem Falle wurden die Probleme leider aufgegriffen und das breite Publikum dafür interessiert. Sie wurden zu einem Politikum gemacht, und es mangelt bei ihrer Erörterung nicht selten an Sachlichkeit und Objektivität. Demgegenüber wird von beiden Gesellschaften betont, daß sie unpolitische Unternehmungen darstellen. Es wäre daher sehr zu begrüßen, wollte man sich im Interesse der Sache diesen Feststellungen gegenüber offen zeigen und politische Verzerrungen beiseite lassen. Kämpfe um Konzessionen und aus Konkurrenzgründen bewegen sich ansonsten nicht auf Ebenen, die in die Politik hineinspielen könnten, weshalb niemand etwas Besonderes daran findet. Gerade bei der österreichischen Luftfahrt, die praktisch von Grund auf neu aufgebaut werden muß und die ganz Oesterreich angeht, sollte man diesen Standpunkt vertreten. Wenn die heute noch bestehenden Mißverständnisse fallen würden, könnte eine Einigung wahrscheinlich sehr bald möglich sein und auch zustande kommen. Wir sollten auch in dieser Beziehung niemals vergessen, daß unser Ansehen im Ausland vor allem von unserer Stabilität in Politik und Wirtschaft herrührt.

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