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Der Kampf in den Lüften

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Der erste Weltkrieg hatte die Luftfahrt mit wertvollen Erfahrungen bereichert. Mit Recht gilt das Jahr 1919 als das Geburtsjahr des zivilen Luftverkehrs in Europa. Die Niederländer, als geborene Seefahrer Pioniere des Weltverkehrs und dank ihrer Neutralität im Kriege in besserer Verfassung als manch anderes Volk, spürten, welche Chancen in der Luft lagen und gründeten die KLM. Im gleichen Jahr kehrte der Flugzeugkonstrukteur Fokker aus Deutschland in sein Vaterland zurück und errichtete sein erstes selbständiges Unternehmen in Amsterdam. Und damit begann eine ideale fünfzehnjährige Zusammenarbeit zwischen KLM und Fokker, die den jähen Aufstieg und den Weltruhm der niederländischen Luftfahrt hertieiftihrte.

Bald spann „eųk JTe yon Luftlinien um den Erdkreis, und nicht wenige nahmen Ausgang und Ende in Amsterdam. Schon 1928 kam die Flugroute zwischen den Niederlanden und Ostindien zustande, die dem Land viel Ehre eintragen sollte. Fokker-Flugzeugen gelangen Rekordflüge über Ozeane und Pole und um die Welt. Im Jahre 1934 trennten sich die Wege. Die Entwicklung und der scharfe Konkurrenzkampf veranlaßten die KLM, nunmehr auch Douglas- Maschinen einzusetzen. Für Fokker bedeutete das einen Schlag. Die Produktion ging schnell zurück. Er siedelte bald nach Amerika über und starb 1939 in New York.

Die KLM aber setzte ihren Höhenflug unentwegt fort. Auch nach dem zweiten W’eltkrieg stand sie wieder mit an der Spitze. Die „Königliche“ steht auch heute noch, trotz großer Schwierigkeiten in der Weltliste an vierter Stelle.

Die Flügel stutzen

Das weckt bei den Nachbarn offensichtlich einiges Unbehagen. Sie sind der Meinung, daß der stolze Vogel seine Schwingen gar zu weit ausschlage. Was unternimmt man in solchem Falle? Man stutzt dem Kühnen die Flügel, nachdem man ihn behufs derartiger Behandlung in einen Käfig eingefangen hat.

Der Käfig heißt Air Union. Die Air Union tagte vor einiger Zeit auf Wunsch der drei Größeren der EWG in Brüssel. Die Angelegenheit schien wichtig genug, offizielle Regierungsvertreter zu den Beratungen einzuladen. Stand doch nichts geringeres zur Debatte als eine Neuverteilung der vorhandenen Tonnenkilometerproduktion. In Prozenten ausgedrückt ist die gesamte TK-Pro- duktion im Luftverkehr der betreffenden Länder (2000 Millionen TK) über die Luftfahrtgesellschaften wie folgt verteilt: KLM 23 Prozent (1959 noch 37 Prozent); Air France 27,2 Prozent; Lufthansa 20.9 Prozent; Alitalia 18,6 Prozent; Sabena (Belgien) 8,4 Prozent.

Es springt ins Auge, daß das kleine Holland auch mit 23 Prozent immer noch gut abschneidet. Frank reich, Deutschland und Italien scheint das nicht eben recht und gerecht. Sie befürworten darum eine Verteilung der Rechte nach der Einwohnerzahl ihrer Länder. Das ergäbe für die drei Großen insgesamt runde 80 Prozent, die Beneluxquote betrüge mithin 20 Prozent, wovon den Niederlanden ganze neun Prozent zufielen. Auch wenn man bis 1970 eine Steigerung der Produktion bis zu 3000 Millionen TK glaubt erwarten zu dürfen, würde eine derartig drastische (rücksichtslose) Beschneidung dennoch bedeuten, daß die KLM 40 Prozent ihres Betriebes abbauen müßte. Das schien den Niederländern katastrophal. Unter den gegebenen Umständen waren die Brüsseler Verhandlungen zum Scheitern verurteilt, und sie wurden erst einmal auf den Herbst vertagt.

isuüüp xiäb-inw oj£ jisaftü 1U1 Westdeutschland hat inzwischen,

wohl als Druckmittel, um den störrischen Partner gefügig zu machen, eine Maßnahme getroffen, die die Atmosphäre weiter trüben könnte. Man verweigerte der KLM die Erlaubnis zu bereits geplanten Charterflügen, die Passagiere von Amerika in die Bundesrepublik befördern sollten. Das führte zu Auseinandersetzungen zwischen Bonn und Haag, die der Lufthansa die Gelegenheit boten, einmal freimütig und offen zu äußern, was ihr alles auf dem Herzen lag.

Die Klage der Deutschen

Die Deutschen klagten nun darüber, daß die KLM ihren ohnehin hohen Anteil im Luftverkehr zwischen Deutschland und den Niederlanden noch zu steigern bestrebt seij ungeachtet dear-deutschen Bitte, hiervon abzustehen. Die KLM genieße in Deutschland ‘Vorrechte, ,wie i die Lufthansa sie in keinem Land auch nur annähernd zu beanspruchen wage. Sie scheine seit 1945 die neun deutschen Flughäfen einfach als ihr Hinterland zu betrachten und befördere unausgesetzt ausländische Passagiere aus Deutschland via Amsterdam in andere Weltteile.

Inzwischen hat die „Königliche“ ernste Krisen zu bestehen. Die erheblichen Verlustsalden der letzten Jahre erschweren es ihr, mit den jähen technischen Entwicklungen Schritt zu halten, die den Ankauf immer neuer, moderner Modelle und Typen, heute Strahlflugzeuge und morgen Überschallmaschinen, bedingen. Obwohl es sich hier nicht direkt um eine Angelegenheit der EWG handelt, glauben Schwarzseher aus den Verwicklungen schließen zu dürfen, daß die Zusammenarbeit in den EWG-Ländern das Höchstmaß an Möglichem längst erreicht habe, und sie raten der KLM, es in Zukunft mal mit anderen Genossen wie der SAS (Skandinavien) oder der Swissair (Schweiz) zu versuchen. Optimisten dagegen, die dem Luftverkehr eine fabelhafte Zukunft voraussagen, glauben, daß die in Frage kommende TK-Produktion bis 1970 nicht nur die drei, sondern die vier Milliarden glatt übersteigen werde, womit sich die Sorgen aller Beteiligten als gänzlich überflüssig erweisen würden.

Eine völlig andersgeartete positive Form von Zusammenarbeit täte dem Luftverkehr not. Nur eine gemeinschaftliche Luftfahrtpolitik, die eine Koordinierung und Standardisierung der Luftflotten, kollektive Sicherungs- und Versicherungsmaßnahmen und so weiter, ins Auge ifaßt, könnte die brenzliche Situation, in'der sich die Gesellschaften heute befinden, verbessern.

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