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Gedanken, um Österreichs Verkehrsluftfahrt

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Die am 18. September 1923 gegründete „OELAG / österreichische Luftverkehrs-Aktiengesellschaft“, die in Wien, Weihburggasse 9, ihre Zentrale besaß, hatte es auf runde fünfzehn Lebensjahre gebracht, als sie mit Wirkung vom 31. Dezember 1938 offiziell von der mächtigeren Lufthansa des Dritten Reiches aufgesaugt wurde. In ihrem letzten vollen Betriebsjahr (1937) hatte sie als Krönung eines hervorragenden Aufstiegs auf einem Streckennetz/ von 4862 Kilometer Länge (1924: 593 Kilometer) bei 795.048 geflogenen Kilometern (1924: 108.776) insgesamt 19.501 (1924: 1978) Fluggäste, 441 Tonnen (1924: 5 Tonnen) Luftfracht und Gepäck und 81 Tonnen (1924: 2 Tonnen) Luftpost befördert, bei einer Regelmäßigkeit von 97 Prozent.

Sehr frühzeitig schon in der etwa mit 1919/1920 beginnenden europäischen (und damit Welt-) Luftverkehrsgeschichte hatte sich Österreich in das von Jahr zu Jahr wadisende Netz der Fluglinien einzuschalten gewußt; insbesondere' Wien hatte auch

gegenüber dem jüngsten und modernsten aller Verkehrsmittel seine ahe Stellung als Völkertor, als anziehende und ausstrahlende Mitte bewahrt; als innerösterreichische Plätze wurdA neben Wien noch Graz, Klagenfurt, Salzburg und Innsbruck angeflogen, einö Einbeziehung von Bregenz wurde um 1927/1928 herum sehr ernsthaft erwogen. Das sehr lehrreiche Kartenbild des Streckennetzes vom Sommer 1937, dem letzten Betriebsjahre, zeigt, daß die bewährtsicheren OELAG-Maschinen mit den Anfangsbuchstaben „OE-...“ des Hoheitsabzeichens und mit den rotweißroten Farben auf dem Seitenleitwerk in elf verschiedenen Staaten Europas für Österreich warben, während im internationalen Zentralflughafen Wien-Aspern neben den österreichischen Verkehrsflugzeugen solche aus Ttalien, der Sdiweiz, Frankreich, England, Belgien, Holland, Deutschland, der Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien als planmäßig kommende und gehende Botsdiafter

Jbrer mit Österreich verbundenen Heimafc-linder zu sehen waren.

*

* Als am 7. Jänner 1946 General Bethouart, umgeben von hohen Offizieren seines Stabes und den Spitzen österreichischer Behörden, die Grundsteinlegung zum neuen Abfertigungsgebäude des Flughafens Innsbruck-West vornahm, leitete er gleichsam mit einem dokumentaristben Akt ein neues Kapitel österreichischer Luftverkehrsgeschichte ein: Der Periode der Friihzeit (1919 bis 1924), einer Ära des 'Aufbaues und der ersten Blüte (1921 bis 1938) und der Dunkelzeit erpreßter Unselbständigkeit und Vernichtung (1938 bis 1945) soll und wird nach nunmehr wiedergewonnener Selbständigkeit ein neues Aufbauen folgen. Man vernahm an jenem 7. Jänner 1946 in Innsbruck auch aus französisdiem Munde manches wichtige und richtig anerkannte Wort über die sich aus seiner geographischen Lage ergebende politische und wirtschaftliche Stellung und Aufgabe des neuen Österreichs: Brücke — nicht trennende Mauer — zwischen dem Westen und Osten und dem Norden und Süden. Jene Grundsteinlegungsfeier erinnerte ohne Worte an eine der ältesten europäischen Luftstraßen, die schon 1922 geschaffene Flugverbindung Wien—Paris im Zuge der großen Frank-reicfv-'Balkan-Luftroute. In diesem Sinne möchte man in dem Geiste jener Feier die Andeutung kommender Nachkriegs-Luft-verkehrswege erkennen, unter denen ohne Zweifel eine Flugstrecke Wien—Paris dominieren wird.

Die Frage der Friedensplanung für den europäischen Luftverkehr und der organischen Einfügung Österreichs in diesen' wird freilich ihre Beantwortung in den höheren Bezirken der Politik und in der seit 1938/1939 völlig veränderten technischen Entwicklung des Weltluftverkehrs finden. Genau so, wie sich die politischen Schwerpunkte innerhalb unseres Erdteiles und zwischen den Weltteilen untereinander entscheidend verlagert Siaben, hat das Friedens-jahr seit Sommer 1945 alte und häufig für unveränderlich angesehene Verkehrsströme in völlig neue Bahnen gelenkt und einen zum Teil sehr hohen Verkehrsbedarf inganz neuen Relationen hervorgerufen. . *

Die starke Betonung der europäischen W e s t - O s t - R i c h t u n g und der ausgeprägte „Rutsch“ dieser politischen und Verkehrsachse südwärts, etwa von der'Mitte des bisherigen reichs-deutschen Raums bis zur geographischen Breite der Alpen, wird bestimmend sein für die kommenle Verkehrsstellung Österreichs in Europa, verstärkt durch die betonte West-Ost-Ausdehnung dieser „Brücke“. In erhöhtem Maße gilt dies vom Luftverkehr, dem „Verkehr der weiten Räume“: Unter innen {Tb litischen und binnenwirtschaftlichen Gesichtspunkten möchte man zunächst eine Luftverbindung a 1 1 c, r Hauptstädte der Bundesländer mit Wien für unbedingt wünschenswert und erforderlich halten, zumal gerade in Ländern mit Gebirgsbahnstrecken der Zeitgewinn aus der Flugzeugbenutzung sich ganz außerordentlich steigert; auch unter dem Blickpunkt des Fremdenverkehrs wird man verhältnismäßig kurze Strecken einem Lande wie Österreich (ähnlich wie der Sdiweiz) zubilligen wollen. Vor allem aber wird sich Wien in weitaus höherem Maße wie bis 1938 in das europäische und Weltflugstreckennetz einzufüger, haben und sich in geradezu zentraler Weise gleichmäßig nadi Westen und nach Osten hin zu einem Luftverkehrsumschlagplatz entwickeln. '

Uber den europäischen Bereich hinaus wird entscheidend sein, daß es rechtzeitig gelingt, durch Bereitstellung eines ausgesprochenen Großflughafens in möglichster Nähe der Bundeshauptstadt, der mit den allermodernsten Anlagen der Bodenorganisation und Flugsicherung versehen ist, den Anschluß Österreichs an den eigentlichen Welt-, das heißt Langnrecken-luftverkehr, sicherzustellen, %wie dies zum Beispiel schon der Schweiz durch die Anfliegung von Genf im Zuge det amerikanischen TWA-Strecke Kairo—Athen—Rom—Genf— Paris—Irland—Neufundland—New York gelungen ist. Trotz unserer augenblicklichen Sorgen um die physische Existenz des Einzelmenschen — die Zeit für jene Planung ist reif. Es wird Sadie der politischen und verkehrswirtschaftlichen Führung sein, Österreich in die Weltverkehrsluftfahrt rechtzeitig einzubauen und die ihm zukom-dende Stellung zu wahren. In diesem Sinne gilt Österreichs Luftverkehr der in allen Sprachen bekannte Fliegerwunsch: „Glück ab!“

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