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Regierung fordert den ruinösen Wettbewerb

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Ex-AUA-Vorstand Hubert Papousek sorgt sich um die Zukunft des einstigen Paradeunternehmens. Er warnt vor dem Ausstieg aus den Swissair-Verträgen.

DIKFURCHK: Europas Fluglinien

befinden sich im Sturzfiug. Als einziger Gesellschaft in Europa geht es British Airways wirtschaftlich gut, weil rechtzeitig massiv Personal ab gebaut und Allianzen eingegangen wurden. Ein Beispiel für die AUA? HUBERT PAPOUSEK: Die Größenordnungen sind anders. Um heute erfolgreich arbeiten zu können, brauchen Fluglinien aber eine kritische Unternehmensgröße. Weder AUA noch Swissair haben diese bislang erreicht. Wir liegen alle im Mittelfeld und brauchen den Quantensprung zu einem „Global Carrier“. Das gelingt uns entweder in einer strategischen Allianz oder wir gehen in einem größeren Konglomerat auf. Wichtig ist, daß ein Quantensprung bei den Kosten erreicht wird. Ein bißchen kooperieren bringt überhaupt nichts. Es gibt heute keine geschützten Räume mehr. Schon jetzt können sich EWR-Europäer in der österreichischen Luftfahrt betätigen, so wie etwa British Airways im französischen Binnenverkehr von sich reden macht. Wie gesagt, für das Überleben notwendig ist ein Quantensprung in der Kostenstruktur. Dafür müssen wir einfach in einen Global Carrier und das ist So schwer begreiflich zu machen, auch den eigenen Leuten.

DIEFURCHE: Das heißt, man wird sich von der VErstellung verabschieden müssen, daß jeder Staat seine eigene Fluglinie hat?

PAPOUSEK: Für die Öffentlichkeit ist immer noch die Farbe der Schwanzflosse wichtig. Bei Unilever oder Siemens interessiert so etwas keinen Menschen mehr. Ein Unternehmensberater stellte uns einmal die provokante Frage: „Können Sie einen vernünftigen Grund nennen, warum man die AUA überhaupt braucht?“ Und von dort her muß das Unternehmen auch seine Zukunft erkämpfen. Für völlig falsch halte ich die Einstellung „Ohne uns geht es nicht“. Mir hat einmal eine Airhosteß gesagt: „Die Bundesbahn macht 30 Milliarden Defizit und das wird akzeptiert. Bei uns gibt es hingegen wegen 500 Millionen eine große Diskussion“. Das ist aber genau der Unterschied in der Größenordnung und Bedeutung für die nationale Wirtschaftsstruktur.

DIEFURCHE: Wird es die AUA m 15 Jahren noch geben?

PAPOUSEK: In der jetzigen Form sicher nicht. Ich hoffe aber, daß sie einen Weg findet, der das Mitgestalten in Europa ermöglicht. Dafür brauchen wir aber einen gesunden

Boden unter den Füßen, weshalb mir eine Konstruktion mittelgroßer Fluggesellschaften lieber ist, in der unsere Gestaltungsmöglichkeit als kleine Gesellschaft größer wäre. Das Potential unserer Leute ist zwar groß, ich vermisse aber das entsprechende Interesse der Politiker und vor allem die entsprechende Abstützung durch die Aufsichtsbehörde, dem Verkehrsministerium. Denken Sie an die Privatisierung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt oder die Verlagerung der Kompetenzen bei den Sicherheitskontrollen vom Innenministerium zu einer Gesellschaft des Flughafens, daraus resultieren für die österreichischen Fluglinien zusätzliche Kosten, was die Preise für die Tickets erhöht. Davon ist der Herr Lauda genauso betroffen. Man kann da die heimischen Fluglinien nicht einfach alleine lassen.

DIEFURCHE: Lauda Air wird nun mit Beginn des Sommerflugplans auf sechs Mitteleuropa-Strecken der AUA fliegen?

PAPOUSEK: ES ist bedauerlich, daß die Republik Österreich als Hauptaktionär diesem ruinösen Wettbewerb mutwillig Vorschub leistet und das Verkehrsministerium das genehmigt. Man bringt doch nicht das einzig positiv bilanzierende Unternehmen in Staatsbesitz mit Absicht um.

DIEFURCHE: Die AUA diskutiert noch immer die Kooperation mit Lufthansa, was den Ausstieg aus den Verträgen mit Swissair und SAS zur Folge hätte. Was wären die Konsequenzen? PAPOUSEK: Das wäre genauso, wie wenn ich ausziehe und alle für das Überleben notwendige Dinge zu

rücklasse. Und dann muß ich irgendwo wieder völlig neu anfangen. Wir sind zum Beispiel mit SAS und Swissair an 20 Standorten im Ausland und in Übersee gemeinsam vertreten, in Büros und Stationen. Was soll im Falle eines Ausstiegs passieren? Gehe ich woanders hin, gehe ich zur Lufthansa und frage, ob ich einziehen kann oder mache ich selbst ein Büro auf? Wir spielen jeden Tag ein wenig Balkan und

schmunzeln darüber,

Laber ich fühle mich nicht mehr wohl bei dem Gedanken, daß man aus Opportunismus so etwas macht.

DIEFURCHE: In der Öffentlichkeit hat man den Eindruck, die AUA befinde sich im Würgegriff der Swissair?

PAPOUSEK: Das mit dem W ürgegriff stimmt überhaupt nicht. Plötzlich tut jeder so, als wüßte man erst seit heute, daß die Verträge mit der Swissair sehr dicht sind und ein Ausstieg schwer möglich. Ich habe immer gesagt, daß es dazu keine Alternative gibt. Wenn man etwa an die technische Wartung der Mittelstreckenflotte der MD- 80 denkt, ein Flugzeugtyp, den die Lufthansa gar nicht betreibt. Swissair und AUA haben 1980 die MD-80 gemeinsam aus der Taufe gehoben. Erst aufgrund unserer Bestellung wurde das Flugzeug gebaut, das genau auf uns zugeschnitten war und auch preislich entsprach. In diesen Flugzeugen ist alles bis auf den letzten Schrauben ident: die ganze Bibliothek der Handbücher, die Ausbildung, die Simulatoren; in den EDV-Unterlagen sind alle Abweichungen von der

Norm bei jedem einzelnen Flugzeug der beiden Gesellschaften gespeichert.

Wir betreiben gemeinsam einen Triebwerkspool, das heißt, ein Triebwerk hängt einmal an einem Swiss- air-Flugzeug und einmal an einer AUA-Maschine. Das geht aber nur, weil beide Partner einen absolut hohen und gleichen Leistungsstandard haben. Unsere Piloten können auch einfach in ein Swissair-Flugzeug einsteigen und greifen blind auf die gleichen Geräte zu. Das hat letztlich enorme Vorteile in der Bewirtschaftung der Flugzeuge.

Schon seit 1974 sind alle Reservierungsanlagen weltweit auf der gleichen gemeinsamen Grundlage aufgebaut, ebenso die Prinzipien der Abrechnung und die Bewirtschaftungsprogramme der EDV, und in der Technik wird etwa die gesamte Ersatzteilbewirtschaftung gemeinsam gemacht, da gibt es ja Tausende Ersatzteile. Das alles ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Da jetzt auszusteigen macht meiner Meinung nach keinen Sinn.

DIEFURCHE: Wzs hat die Kooperation mit der Swissair gebracht?

PAPOUSEK: Ich bin im Jahr 1967 zur AUA gekommen, da war das Unternehmen konkursreif. Wir haben 1969 mit der Swissair die Zusammenarbeit begonnen, die auch in Zürich zu heftigen Diskussionen führte, etwa im technisch-operatio- nellen Bereich. Also unterm Strich würde ich sagen, hat diese Kooperation der AÜX mit Sicherheit den größeren Vorteil gebracht.

Die AUA war über zwanzig Jahre das einzige Unternehmen im öffentlichen Besitz, das positive Bilanzen verabschieden konnte und wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen geführt wurde und so dem parteipolitischen Einfluß entzogen war. Das konnte sie aber nur, solange sie Herr ihrer Finanzen war. Sobald man in das Finanzministerium geht, weil

Geld gebraucht wird, sieht das anders aus. Die AUA war immer ein wirtschaftlich potentes Unternehmen. So haben wir im Mai 1985 als einzige Fluggesellschaft in Europa neben der KÜM von einem schweizerisch-deutschen Bankkonsortium eine ewige Anleihe über 150 Millionen Schweizer Franken bekommen. Das Geld müssen wir nie zurückzahlen und der Zinssatz ist so günstig, daß man ihn nur im Freundeskreis nennt. Es gibt keine Bundeshaftung. Der AUA kann aber das Geld fällig gestellt werden, wenn der Bundesanteil unter 50 Prozent fällt. Deshalb mahnen wir bei einer Privatisierung über 51 Prozent zur Vorsicht. Schade ist, daß die Schweiz nicht dem Europäischen Wirtschaftsraum angehört. Damit ist die Swissair in der Isolation und Brüssel läßt sie jetzt dünsten. Denen ist jetzt Prag oder Warschau wichtiger.

DIEFURCHE: Könnte ein Ausbau der bereits bestehenden Allianzen die Kostenstruktur der AŲA verbessern? PAPOUSEK: Ich bin mir sicher, daß man sich darüber Gedanken macht, und es unter Beiziehung von Übersee-Partnern vielleicht zu einer Lösung kommen könnte. So gibt es etwa die sicherlich recht vernünftige Überlegung, die Gesellschaften, die jetzt schon an der European-Quality- Alliance beteiligt sind, das sind Swissair, AUA und SAS, mit den Swissair-Partnem in der Global-Ex- cellence-Kooperation, also Delta und Singapore, in einer noch zu diskutierenden Form zusammenzuführen. Daran könnte dann auch noch der AUA-Teilhaber All Nippon Airways beteiligt werden, die zu den großen Fluglinien in der Welt gehört. Das würde eine recht gute Ost-West- Achse geben. Diese Überlegung ist eine sehr reale Möglichkeit.

Das Gespräch

mit Huben Papousek führte

Christoph Silber.

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