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Unverständlich

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Zu den wenigen erfreulichen Tatsachen dieses Wahlkampfes gehört, daß die österreichische Neutralität nicht in den Parteienstreit hineingezogen wurde. Um so unverständlicher war es deshalb, daß der Chefredakteur einer Salzburger Zeitung am vergangenen Wochenende unter dem Titel: „Verwaschene Neutralität” gewaltig vom Leder zog. Noch unverständlicher und nicht gerade als Ausdruck vielgerühmter Lebensfreundschaft mußte die Zielscheibe des Angriffes erscheinen. Niemand anderem als dem Kabinettchef des Bundeskanzlers, Dr. Franz Karasek, galt der spitze Pfeil. Der Grund für diese Attacke, die nicht zuletzt auch die Volkspartei trifft, als deren außenpolitischer Sprecher Dr. Karasek gilt, war jener Wiener Vortrag, den die Leser der „Furche” in der Nummer vom 5. Februar auszugsweise in unserem Blatt lesen konnten.

Was war es, was den Kollegen an der Salzach besonders in Harnisch brachte? Es war Dr. Karaseks ruhige, aber klare Feststellung:

„Die Grundmaxime jeder österreichischen Außenpolitik für die nächsten Generationen lautet daher: Wahrung der Unabhängigkeit des Landes und Sicherung der Integrität des Staatsgebietes. Österreich wird nirgendwo politisch oder militärisch Anschluß suchen. Wirtschaftlich müssen die Beziehungen unseres Landes zu bestehenden oder in Entstehung begriffenen Integrationsgebilden so geregelt werden, daß sie mit den eingegangenen internationalen Verpflichtungen in Einklang stehen.”

„Verwaschen?”, ja „diabolisch unklar” erschienen dem Leser an der Salzach solche Feststellungen. Das Gespenst des „Neutralismus” wurde wieder einmal groß an die Wand gemalt. Botschaftsrat Dr. Karasek hat verständlicherweise in scharfen Worten diese Unterstellungen zurückgewiesen. Der Schüler Raabs und außenpolitische Vertrauensmann des Kanzlers muß sich solche Unterstellungen verbieten. Der Beobachter aber fragt sich, wie stehit’s in einem solchen Fall: Cui bono? Wem zuliebe wurde dieser giftige Pfeil abgeschossen? Der Verfasser des Artikels wird solche Absichten gewiß dementieren. Um so freimütiger müssen wir deswegen den von uns sonst sehr geschätzten Kollegen in Abwandlung seiner eigenen Worte erwidern, er habe sich, „aus welchen Gründen auch immer, gewollt oder ungewollt”, diesmal zum Werkzeug von Kräften machen lassen, denen eine eigenständige neutrale österreichische Politik offensichtlich ein Dom im Auge ist und die deshalb seit geraumer Zeit jeden österreichischen Politiker und Publizisten mit einer klaren staatspolitischen österreichischen Linie als „Neutralisten”, und wie die schönen Namen alle heißen, abzuwerten versuchen.

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