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Postenvermehrung

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Die neuzeitlichen Traumdeuter und Kaff eesatzergründer, die Soziologen und Politolo???? gen also, rätseln immer noch: W(ls war es denn eigentlic;h, das die auf ewig begründete DDR so jäh und unvermittelt zusammbrechen ließ.

Da werden die Verführungskünste der westlichen Medien verantwortlicl & gemacht und die materiellen Lockrufe cJ.essen, was westliche Linke und östliche Rechte „Kapitalismus " nennen. Da hält man die wirtschaftliche Misere für deh Hauptgrund und die sozialistische Tristesse für die Nebenursache.

Das mag ja alles (richtig) sein, aber die Erfahrung lehrt, daß es meist viel diesseitigere Motive sind, die Menschen zum Handeln bringen. · Und daher ist es nicht ausgeschlossen, daß die Vorder-Gründe für den derzeit unstillbaren Vereinigungswusch der „ Ossis " vielleicht ganz wo anders liegen.

Zum Beispiel in der gar wundersamen Postenvermehrung, die nach der Neugliederung der DDR ins Haus steht. Es werqen nämlich zwischen Ostsee und Bayerischem Wald demnächst wieder die alten Gebietsstrukturen begründet. Da gibt es dann wieder ein Sachsen und ein Mecklenburg und so weiter.

Die Noch-DDR-J3ürgerlnnen bekommen aber nicht bloß die alten Namen und die traditionellen Reviere zurück, sie werden auch hochwahrscheinlich für diese den neudeutschen Status eines „Bundeslandes'' erhalten. Und das bedeutet, daß es nicht nur eine neue Vielzahl von unverzichtbaren hohen, höheren und höchsten Landesbeamten geben wird, sondern - und vor allem - auch neue Landtagsabgeordnete, mdnnlich und weiblich, Umdesregierungen mit Ministerlnne1!­ und Staatssekretärinnen und - da es ja füT}f neue Länder geben wird - auch nicht weniger als fünf neue Ministerpr'äsidentlnnen.

Wenn man das mit dem gegenwärtigen DDR-sozialistischen Zustand vergleicht, WO es gerade einen einzigen Ministerpräsidenten, wenn auch mit Stellvertretern, gibt!

Dieser mußte noch dazu lange Jahre eine sozialistische Limousine fahren, bis er endlich in ein sozialdemokratisches Schwedengefährt umsteigen durfte. Wohingegen nach bundesdeutschem Minimalstandard den neuen Regierurlgsmitgliedern . Nobelkarossen aus Bayern und Baden-Württemberg zustehen. Mit Autotelefon selbstverständlich. Parlamentarische Bundesdemokratie nach westdeutschem Muster hat in der Tat etwas Verführerisches.

Wer wüßte das besser als wir Österreicher, die ja in einem Staat, der nur halb so viele Einwohner hat wie die demnächst vereinigte DDR, nicht weniger als neun Länder eingerichtet haben.

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