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Problematischer Übergang

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Wie nicht anders zu erwarten, wurde der Entwurf für das neue spanische Gewerkschaftsgesetz in namentlicher Abstimmung schnell vom Plenum des Parlaments verabschiedet. 451 Abgeordnete stimmten dafür, elf dagegen, sechs enthielten sich der Stimme. Zu den wendigen Abwesenden zählten die drei Bischöfe mit Parlamentssitz.

Verglichen mit dem seit 30 Jahren gültigen alten Gewerkschaftsgesetz, weist das neue wenige Änderungen auf: Die Ausweitung der Wählbarkeit auf die Präsidenten der nach Berufszweigen gegliederten Provinzgewerkschaften sowie auf die der nationalen Gewerkschaften, Schutz für Vertrauensleute und Betriebsräte sowie Organisations- und Versammlungsfreiheit für die Arbeiter (selbstverständlich nur auf unpolitischer Ebene). Schließlich die Umbenennung des Gewerkschaftsministers in „Minister für gewerkschaftliche Beziehungen”.

Zünftiges Gewand

Der Präsident des nationalen Transportsyndikats, Villegas Girön, erklärte bei Bekanmtwerden des Ge setzentwurfes, man müsse „dem spanischen Syndikalismus ein zünftiges Gewand schneidern”, und „glücklicherweise” stimmte der OIT- Bericht nicht mit dem Inhalt des Entwurfes überein. Da das Gesetz nur unwesentliche Änderungen des Entwurfes enthält, gab er damit, wohl unwillentlich, die treffendste Definition für das, was das spanische Einheitssyndikat nun ist: ein echt spanisches Gebilde, das nicht mit demokratischen europäischen Institutionen verglichen werden kann.

Ebensowenig paßt es sich aber der Soziallehre der katholischen Kirche an. Von Anfang an stieß das Gesetz auf scharfe Kritik der Bischöfe. Die Madrider Tageszeitung „YA”, die von der Gruppe der katholischen Propagandisten herausgegeben wird und die Meinung der spanischen Kirche vertritt, räumt zwar ein, daß das Gesetz von den bestehenden verfassungsmäßigen Grundlagen ausgehen mußte, streicht aber heraus, daß nur die Terminologie geändert wurde und „die Essenz des neuen Gesetzestextes von dem vorherigen sich nicht in so vielem unterscheidet, wie wir für notwendig erachtet hatten”.

Als Beispiel führt die Zeitung an, daß das Prinzip der Organisationsfreiheit innerhalb jedes Syndikats proklamiert werde, aber auch festgesetzt wird, daß nach der Schaffung einer Vereinigung keine weiteren mehr ins Leben gerufen werden können. Es wird auch von einer institutioneilen und funktionellen Autonomie gesprochen, nachher wird aber die ganze Syndikatsorgani- sation einem Minister unterstellt, auf dessen Ernennung sie keinen Einfluß ausübt, da er von Franco, nach dessen Abtreten von der politischen Bühne aber vom Premierminister bestimmt wind.

Und die Praxis

Der Großteil der Unternehmer, die ebenso wie die Arbeiter zwangsweise von der Syndikatsorganisation erfaßt werden, ist mit dem neuen Gesetz denn auch recht zufrieden, wenn auch von einigen die Versammlungsfreiheit innerhalb der Betriebe als lästig empfunden wird.

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