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Prosa und Moral

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Er wäre in diesen Tagen 85, und wir könnten noch an seiner Seite sitzen und von ihm lernen, wie man die Wirklichkeit eines halben österreichischen Jahrhunderts zu erzählender Prosa verdichtet. Wir könnten seine grandiosen und skurrilen Planungen mitverfolgen und ihm zuweilen auch in die Augen blicken, die blau sind, hart und vom Glanz einer unbarmherzigen Ironie wie von innen beleuchtet. Er ist seit fünfzehn Jahren tot, aber er lebt in uns durch seine Bücher und auch in der Einmaligkeit seiner menschlichen Gestalt: Heimito von Doderer.

Der grimmige Humor seiner Erzählungen beleuchtet die Situation von Manschen, die aus dem Untergang einer Lebensform auferstanden sind zu einer merkwürdigen, objektfernen, traumverlorenen Existenz. Auch seine umfangreichen Romane verwandeln die von ihm erlebte, heute bereits zur Geschichte gewordene Wirklichkeit in Vision. Seine gewaltigen Tfaumlandschaften sind unzerstörbar: ihre Unvergänglichkeit liegt in der Festigkeit der Komposition und in der Genauigkeit der Sprache.

„Die Strudelhofstiege“, „Die Dämonen“ und „Die Wasserfalle von Slunj“ widerspiegeln den großen Umbruch des österreichischen Bewußtseins. Ein zukünftiger Forscher nach den Tatbeständen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in diesem Land wird sich auf die Auskunft großer Epiker verlassen können: Musil, Broch und Heimito von Doderer haben das Wesentliche dargestellt.

Doderer wirkt für die Jüngeren bereits als Legendenfigur. Wodurch aber ist die Legende entstanden? Nicht durch das Grün der Tinte, mit der er schrieb, nicht durch absonderliche Eigenheiten seiner Lebensform, sondern durch die Ausstrahlung einer moralischen Position.

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