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Über die Entstehung von Literatur

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Jeder Leser sehnt sich nach Details im Leben eines Schriftstellers, die so nicht in Büchern stehen. Peter von Doderer, Verwandter von Heimito, ist 1909 geboren, kann von den selbst geschriebenen Theaterstücken der Doderers erzählen, die im Familienkreis gespielt worden sind.

Er weiß auch von den Konflikten mit dem Vater, der in eine Firma eingeheiratet hat und nicht verstehen konnte, daß der Sohn sich schöngeistigen Dingen zuwandte. Dabei war die Firma unwahrscheinlich erfolgreich: Unter anderem war sie mit der Verbauung des Wientals beauftragt worden.

Bemerkenswert auch Doderers Erzählungen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der eine Mischung der Gefühle die Lebensatmosphäre bestimmte. Einerseits froh, der Hölle entronnen zu sein, andererseits unentwegt auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten. Jede Chance mußte genützt werden. Während Peter von Doderer Holz organisierte, um Dominosteine herstellen zu können und diese händisch bemalte, lag Heimito auf dem Bett und schrieb an seinem berühmtesten Roman, der „Strudlhofstiege". Das Steinebemalen verursachte Geräusche. Peter von Doderer fragte seinen Vetter, ob er sich behelligt fühle.

Nein, antwortete dieser, das wiederkehrende Geräusch des Pinsels regt mich an.

Heimito von Doderer hatte mit seiner Berufsangabe „Schriftsteller" Schwierigkeiten, die nötigen Lebensmittelmarken zu bekommen. Alle waren mit dem Existenzkampf beschäftigt, Doderer schrieb. Angesichts der überwundenen Bedrohung fand man Verständnis für extreme Lebensauffassungen. Nur bei einer Angewohnheit des Schriftstellers dürfte es Schwierigkeiten gegeben haben. Für ihn war es eine Katastrophe, wenn er nichts mehr zu rauchen hatte, so krümmelte er sich Tee in die Pfeife.

Auskunft eines Zeitzeugen Der Wissenschaftler mag über solche Schnurren die Nase rümpfen, doch Zeitzeugen wie Peter von Doderer können über Entstehungsbedingungen von Literatur entscheidend Auskunft geben. Vielleicht ist manches im Werk Heimito von Doderers viel mehr ein Privatspaß als Ausdruck einer philosophischen Haltung. Vielleicht ist es aber auch beides.

Richtigstellung: Aufgrundeines Übertragungsfehlers entstand in dem Beitrag „Initialzündung für die Literatur" auf Seite 12 in FURCHE 49/1991 der Eindruck, daß Wolfgang Kraus Konsulent im Außenministerium und Vorstandsmitglied des P.E.N.-Clubs ist. Tatsächlich betreut Wolfgang Kraus nicht mehr die Kontaktstelle im Außenministerium und ist aus dem Vorstand des P.E.N.-Clubs bereits ausgeschieden.

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