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... das Rückgrat der Intelligenz

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1952 ist Heimito von Doderer das erste Mal gekommen; er ist mir gleich aufgefallen. Er hat sich bei mir vorgestellt: „Heimito Doderer.“ Da sind wir dann allgemein ins Gespräch gekommen, und ich dachte mir, daß er ein „Schreiber“ sein muß, eine höher gestellte Persönlichkeit, die mit der Sohriftstellerei etwas zu tun bat. Er hat sich dann auch als „Romanschriftsteller“ bezeichnet.

Er ist bald öfter gekommen; am liebsten hat er einfach gegessen, eine Stelze mit Kraut und Knödel, Schweinsbrüstel, Naturschnitzel. Zu Mittag hat er immer alkoholfrei getrunken. Er ist dann auch am Abend gekommen, und um ihn hat sich ein Stammtisch gebildet Da waren Professor Hugo Winkler dabei, der Ingenieur Rieger, Herr della Pina, Dr. Czap. Es wurden da geistige Schlachten geführt. Besonders mit Hugo Winkler, den hat Doderer respektiert.

Doderer hat oft von seinen eigenen Büchern erzählt und von allen Figuren, die darin vorkamen. Er hat auch aus der ..Strudlhofstiege“ vorgelesen. Er hat sich oft mit mir unterhalten, und wir sind auch per Du geworden. Wir sind dann öfter in meine Wohnung hinaufgegangen; wenn das Feuer in den Heattng-Öfen ausgegangen war, sind wir alle um den Ofen herumgesessen. Da ist es oft drei Uhr früh geworden. Ein paar Mal waren wir auch in seiner Wohnung; er hat uns mit Kaffee aufgewartet und Sliwowitz. Sonst sind wir nach der Sperrstunde noch ins Cafe Rathaus oder Cafe Hummel gegangen.

Selbst nach seiner Übersiedlung in die Wäihringerstraße im Jahre 1956 ist er noch oft gekommen und hat auch seine Freunde hergeschleppt Alle Preise, die er bekommen hat,hat er hier gefeiert. Dann war halt Ende nie. Der Ingenieur Rieger war ein ausgezeichneter Pianist Er hat öfter Melodien auch vor sich hingesummt, und Doderer ist dann auch dabei auf die Idee gekommen, die 7. Symphonie von Beethoven für „Die Wasserfälle von Slung“ zu verwenden.

Den „Kratki Baschik“ hat er bei mir auch das erste Mal vorgelesen. Das hat sich so zugetragen, wie Doderer es geschildert hat Es war da eine Auszahlung vom Sparverein. Em Jongleur, der nicht dazu gehörte, hat dabei seine Kunststücke vorgeführt. Doderer ist am Nachbartisch gesessen und am nächsten Tag hat er darüber debattiert Der Jongleur war auch da, und Doderer hat ihn eingeladen Zum Abschluß hat er das Kunststück gezeigt, aber den Trick Doderer nicht erklärt. Die Karte blieb picken.

Doderer hat mit jedem gesprochen. Mit dem einfachsten Menschen wie mit einem Gebildeten. Er sprach oft so laut, daß das ganze Gasthaus auf ihn gehört hat. Viele Leute habe ich gesehen, die er kannte. Da war aus Amerika der Professor Ivask mit seiner Frau, der Maler Eggenberger; Doderer hat uns einreden wollen, wir sollen uns Von ihm malen lasserc Er hat ein“Bild-meines Vaters gemalt, aber das hat genügt Auch die Eltern des Helmut Qualtinger waren da, Qualtinger selbst auch. Dann auch der Schauspieler Sowinetz und Frau Luck-mann.

Er kam in seinem alten Militärrock, den vorne spitzen und auf den Seiten eingedeptschten Hut auf. Ich habe ihn auch gefragt, warum er einen solchen Hut auf hat; da hat er gesagt: „Als alter Deutschmeister!“ Das war aber nicht wahr.

Einmal hat ihn ein Kellner um zehn Schilling betakeln wollen; er ist draufgekommen und hat sehr lachen müssen.

Dem Baron Obenaus hat er einmal zugerufen: „Nur ein Seidel Bier saufst du“, weil der sich nie mehr geleistet hat.

Auch Wutanfälle hat er gehatot. Da war eine Frau, nicht mehr ganz jung, ihr Vater war Oberlehrer bei Pulkau. Ihr Mann war Steuerprüfer. Sie hat sich gern angebiedert und wollte auch mit Doderer ins Gespräch kommen. Sie hat gedichtet, Gedichte so wie „Da säuselt der Wind...“ Sie hat Doderer ihre Gedichte vorgelesen, und er hat sie dann in Grund und Boden gebohrt. „Sie Trampel!“ hat er ihr zugerufen. Sie hat sich dann zwei Stunden lang bei meiner Frau ausgeweint.

Zwei Mädchen, die zuerst am Nachbartisch gesessen sind, hat er an seinem Tisch Platz nehmen lassen. Da sind sie ihm beinah auf den Hals gekrochen. Er hat nicht mehr gewußt auszukommen und hat sein Gebiß auf den Tisch gelegt und ist sie trotzdem nicht losgeworden.

Wenn er jemanden nicht mochte, hat er das offen gezeigt. So dem Komponisten Hauer: „Den mag ich nicht!“ Aber sonst war er sehr höflich und zu Damen immer galant.

Wie ich ihm einmal davon erzählt habe, daß so viele Gasthäuser zusperren müssen, hat er mir gesagt, weil er wußte, daß ich im Ausschuß hin: „Franz, halte mir die Beiseln, damit sie überleben; denn sie sind das Rückgrat der Intelligenz.“

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