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Unpolitischer wird politisch

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(Burgtheater, Wien; „Wilhelm Teil“ von Friedrich Schiller) Die als unzeitgemäß verschrienen Stücke, die keiner mehr anfassen will, die Harakiri-Stücke — Regisseuren, die auf sich halten, sind sie besonders lieb. Jubel, Trubel, Heiterkeit also: Claus Peymann gelang der Beweis, daß man den „Teil“ noch inszenieren kann, und obendrein so, daß dem Zuschauer Heutiges oder nicht weit Zurückliegendes dazu einfällt. Gert Voss als Landvogt Geßler, unterkühlt, gefährlich leise, läßt an Hitlers Statthalter Heydrich denken. Die Autos auf der Bühne sind keine modischen Schnörkel - sie fördern solche Assoziationen. Die Ausstattung erzeugt einen produktiven Schwebezustand zwischen den Zeiten. Die berückenden Bergschroffen, die Luciano Damiani gebaut hat, fördern das Gespür für die Vergiftung der schönsten Landschaft durch den Pesthauch der Despotie.

Ihre Stütze, die brutale Macht, bleibt allerdings unterbelichtet. Geßler spaziert durch die Gegend wie einer, dem doch sicher keiner ans Leben will. In der Apfelschußszene agieren die beiden Soldaten, welche die ganze Inszenierung hindurch die Basis der Unterdrückung darstellen, geradezu ratlos. Voss als Geßler wirkt da wie Heydrich ohne SS.

Alles in allem aber hat Peymann Schiller beschädigungslos entstaubt. Auch sprachlich — mit wohltuenden, auch wohltuend zurückhaltenden Retuschen. Des deutschen Bürgers Zitatenschatz bekommt akustische Mascherln, bleibt aber, wo er hingehört, nämlich im Zusammenhang von Text und Handlung.

Der Bayer Sepp Bierbichler als Teil: Wer die Nazizeit erlebt hat, hat den Typ schätzen gelernt. Das ist der Mann, dem man die Haltung, die er dann an den Tag legte, zunächst nicht unbedingt zugetraut hat. Das ist der Unpolitische, der in der Konfrontation mit der Unmenschlichkeit zum Politischen wird. Er ist stellenweise schwer zu verstehen, aber er ist richtig.

Wen noch erwähnen im Großaufgebot hervorragender Leute? Paul Hoffmann (Attinghausen), Kirsten Dene, Brigitte Furgler, Peter Fitz, Kurt Sowinetz leisten wichtige Beiträge zum Gelingen einer Aufführung, die gewiß ein paar Schwächen hat — aber einen besseren „Teil“ kann ich mir derzeit nicht vprstellen.

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