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Verhaßter Yankee

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Kaum irgendwo auf der Welt konnten die Kommentare zu Nixons neuen Maßnahmen auf dem Währungs- und Außenhandelssektor bissiger ausfallen als in Kanada, wo man ohnehin bereits das Gefühl hat, vom Elefanten namens US-Wirtschaft gegen die Wand gedrückt zu werden. Und wo die US-Konzerne langsam zu einem Staat im Staat werden, mit eigenen, protektionistischen Praktiken zum Schaden der noch nicht US-ameri- kanisierten kanadischen Wirtschaft. Besonders böses Blut machte die hochfahrende, grobschlächtige Art, mit der Finanzminister Connally eine kanadische Delegation abkanzelte wie der Lehrer eine Schulklasse.

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Kaum irgendwo auf der Welt konnten die Kommentare zu Nixons neuen Maßnahmen auf dem Währungs- und Außenhandelssektor bissiger ausfallen als in Kanada, wo man ohnehin bereits das Gefühl hat, vom Elefanten namens US-Wirtschaft gegen die Wand gedrückt zu werden. Und wo die US-Konzerne langsam zu einem Staat im Staat werden, mit eigenen, protektionistischen Praktiken zum Schaden der noch nicht US-ameri- kanisierten kanadischen Wirtschaft. Besonders böses Blut machte die hochfahrende, grobschlächtige Art, mit der Finanzminister Connally eine kanadische Delegation abkanzelte wie der Lehrer eine Schulklasse.

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Mit den dramatischen Worten: „Nixon riskiert es, die Welt in eine Depression zu treiben“, brandmarkt Walter Gordon — vordem Finanzminister im Kabinett des Friedensnobelpreisträgers Pearson — die neue Wirtschaftspolitik Washingtons. Gleichzeitig warnt sein Nachfolger, Trudeaus Finanzminister Edgar Ben- son, die Vereinigten Staaten: „Schädigt euren besten Kunden nicht!“ Anderseits gehen nicht weniger als 70 Prozent der kanadischen Exporte in die USA.

Die neue Zollpolitik Washingtons belastet mehr als ein Viertel der kanadischen Exporte zusätzlich mit 10 Prozent. Die Maßnahme versetzte

Ottawa — in Abwesenheit von Premierminister Pierre Trudeau, der einen mehrwöchigen Adriaurlaub angetreten hatte — in einen Zustand der Ranik. Nach Trudeaus Rückkehr aus Europa kommentierte Torontos „Globė & Mail“: „Verglichen mit ihm, benahmen sich seine Ministerkollegen wie herumirrende Hühner, denen die Köpfe abgeschnitten worden waren.“

Doch auch der sonst so kühle Trudeau appellierte vor den Fernsehkameras an Präsident Nixon, Kanadas Ausfuhr von der zusätzlichen Zollbelastung zu befreien, da andernfalls tausende Kanadier ihre Arbeitsplätze verlieren würden. Allein in dem politisch wenig stabilen Quebec — der größten Provinz des zweitgrößten Landes der Erde — sind 184.000 (8,6 Prozent der Arbeitskräfte) stellenlos.

Auch Kanadas Humoristen mischen mit. „Nixon sagt, Amerika habe Probleme. Das ist ganz so, als habe man ausfindig gemacht, Superman habe Plattfüße“, scherzte Gary Lautens, „natürlich wünschen wir, daß die Amerikaner ihre Probleme lösen. Aber vielleicht werden Amerikaner in den kommenden Wochen auch etwas anderes finden — Bescheidenheit. Daran herrschte immer Knappheit bei ihnen …“

Besonders Kanadas verarbeitende Industrie ist von der neuen Zollpolitik der USA hart getroffen. Anderseits sind die meisten der von Kanada exportierten Rohmaterialien — vom Asbest bis zum Erdöl, Nickel und Zeitungsdruckpapier — von der zusätzlichen Zollbelastung befreit. Trotzdem sind die Kanadier wütend, denn der Rohstoffexport wird ohnehin als Ausbeutung empfunden. To rontos liberaler „Daily Star“, Kanadas größte Zeitung, bezeichnet Washingtons neue Dollar- und Zollpolitik als „Nixonomics“ und behauptet mit ätzendem Sarkasmus: „Keynes’ Ideen waren bereits heikel genug; eine Regierung gab Gelder aus, die sie nicht hatte, um Arbeitsplätze für jene zu schaffen, die kein Geld hatten. Nixonomics sind noch ,trickier’. Sie bestehen in der Ankündigung einer Regierung an die Welt: Wir stecken im Dreck — nun müßt ihr uns heraushelfen!"

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