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Warum denn Leopold Gratz?

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„Recht wenig sympathisch“ findet der neue Finanzminister Franz Vranitzky die himmelhochjauchzenden Kommentare über die Regierungsumbildung. Er meint: weil die damit gezüchteten Erwartungen nicht erfüllt werden könnten. Womit er sicher recht hat. Andere meinen: weil es peinlich ist, wie neue Minister, von denen außer A b Sichtserklärungen noch nichts bekannt ist, auch von nichtsozialistischen Kommentatoren jetzt hochgejubelt werden. Womit sie wohl auch recht haben.

Bleiben wir also auf dem Teppich. Die neue Regierung sieht besser aus als die alte. Ob sie auch besser ist, wird man erst sehen. Worin sie besser sein könnte, läßt sich nicht zuletzt am Beispiel des neuen Außenministers Leopold Gratz verdeutlichen.

Man darf als gewiß annehmen: Der sympathische Wiener Rathausmann wurde ins Kabinett geholt, weil er ein langjähriger persönlicher Freund des Kanzlers ist. Und weil er selbst den Postenwechsel angestrebt hat. Und weil er, mit ein bißchen außenpolitischem .Jmmidsch“ versehen, einen wirkungsvolleren Gegenkandidaten zu Kurt Waldheim für die Bundespräsidentschaft abgeben würde.

Dümmlich ist das Argument: weil Erwin Lanc ein umstrittenes Privatleben führt. Das von Gratz ist auch nicht gerade makellos im Sinne überlieferter Gesellschaftssitten. Oder: Die USA hätten Lanc' Ablöse gefordert. Purer Unsinn. Da hätten sie Kreiskys Ablösung viel früher schon verlangen müssen.

Im übrigen dürften die (wohltuenden) Versicherungen des neuen Außenministers, er wolle nicht Sittennoten austeilen, und Freunde kritisiere man am besten unter vier Augen, nicht in öffentlichen Vorträgen, weniger gegen Lanc als vielmehr gegen Kreisky gezielt gewesen sein.

Jeder österreichische Außenminister wird die Eigeninteressen unseres Landes gegenüber allen Großmächten vertreten, wenn diese in Existenzfragen des Staates differieren. Aber Schulmeister der Welt aus Wiener Riesenrad-Perspektive zu spielen, bringt Österreich keinen Nutzen.

Das weiß Gratz, und das wird für unser Land kein Schaden sein. Ansonsten bleibt anzumerken, daß ihn die Beamten des Außenamtes sicher mögen werden: Er wird sie Außenpolitik betreiben lassen und seine Aktivität vermutlich auf Akzentsetzungen und diverse Reisen beschränken, die ihn zu einem formidablen Rivalen für den Präsidentschaftskandidaten Waldheim machen sollten.

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