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Zurück bis Kelsen

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Durch den Besuch von Bundeskanzler Bruno Kreisky in Liechtenstein isft der Kleinstaat im Westen Österreichs stärker in das Gesichtsfeld gerückt. Tatsache ist, daß vor allem Liechtensteins Justizwesen stark von Österreichern beeinflußt wird.

Der liechtensteinische Landtag wählte nun kürzlich die Mitglieder des Staatsgerichtshofes für die neue, Anfang Februar beginnende fünfjährige Amtsperiode. Der Staatsgerichtshof ist das liechtensteinische Verfassungsgericht, er hat in seiner Funktion und Aufgabe große Ähnlichkeit mit dem österreichischen Verfassungsgerichtshof, wie ja auch die Verfassung des Fürstentums Liechtenstein, wenn man von der monarchischen Regierungsform absieht, mit der Kelsenschen österreichischen Bundesverfassung vieles gemeinsam hat. Vor allem gelten aber auch in Liechtenstein fast mit dem selben Wortlaut die Grund- und Freiheitsrechte, wie sie im österreichischen Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger von 1867 und auch im Bundes-Ver- fassungsgesetz von 1920 bzw. 1929 niedergelegt sind. Auch in Liechtenstein kann jeder Bürger wegen Verletzung der Grund- und Freiheitsrechte eine Klage an den Staatsgerichtshof einbringen, Ausländer bei Gegenrecht. Ein großes Plus gegenüber Österreich ist, daß eine derartige Klage auch gegen die Urteile des Obersten Gerichtshofes, sowohl in Zivil- wie in Strafsachen, eingebracht werden kann. Das kommt der Rechtsstaatlichkeit sehr zugute.

An Stelle des aus Altersgründen in den Ruhestand tretenden Fürstl. Hofrates Rupert Ritter, Vaduz, wurde zum Präsidenten des Staatsgerichts- hofes der österreichische Generalkonsul in Liechtenstein, Rechtsanwalt Herbert Batliner (Fortschrittliche Bürgerpartei) gewählt und zum Vizepräsidenten der der zweitstärksten Partei (Vaterländische Union) angehörige Rechtsanwalt Erich See- ger, Schaan. Die liechtenstenischen Mitglieder des Staatsgerichtshofes werden stets nach dem Parteienproporz ausgewählt und bestellt. Das gilt auch von den-übrigen liechtensteinischen Richtern, nämlich Gregor Steger, Vaduz, und Edi Batliner (Laienrichter), Eschen. Ausländischer Richter am Staatsgerichtshof ist (zufolge Wiederwahl) der Landesamtsdirektor von Vorarlberg, Elmar Grabherr, der in Liechtenstein allergrößtes Ansehen genießt und auch Verfasser des liechtensteinischen Amtshaftungsgesetzes ist. Schweizerisches Mitglied des Staatsgerichtshofes ist der aus Basel stammende junge Professor für öffentliches Recht an der katholischen Universität Freiburg, Luzius Wildhaber. Hiebei ist bemerkenswert, daß Wildha- ber nicht nur der erste Protestant im Lehrkörper der Universität Fribourg war, sondern mit ihm jetzt auch erstmals ein Protestant Mitglied eines liechtensteinischen Höchstgerichtes wird.

Unter den Ersatzmitgliedem ist wie bisher der Vorarlberger Verwaltungsbeamte Hofrat Josef Gräber, ehemals Bezirkshauptmann von Feldkirch.

Unverändert sind Österreicher, und zwar Berufsrichter, an liechtensteinischen Gerichten der höheren Stufe tätig. Präsident des Kriminalgerichtes, das sich mit schweren Straftaten zu befassen hat, ist der aus Feldkirch stammende Vizepräsident des Oberlandesgerichtes Innsbruck,

Franz Rhomberg, ein Strafrichter von höchstem Ruf. Präsident eines der Berufungssenate des F. L. Obergerichtes (das in Zivilstreitsachen als Berufungsgericht fungiert) ist der 1973 an den Ruhestand getretene frühere Präsident des Landesgerichtes Feldkirch und Mitglied des österreichischen Verfassungsgerichtshofes, Armin Wechner, Bregenz, der übrigens schon seit Kriegsende als führender Richter in Liechtenstein wirkt und seinerzeit den äußerst heiklen politischen Strafprozeß gegen die liechtensteinischen Nationalsozialisten („Marsch auf Vaduz” 1939) wegen Hochverrates als Vorsitzender führte und mit Umsicht, Eleganz und Milde so führte, daß in Liechtenstein bei niemandem Bitterkeiten zurückblieben.

An der Spitze des F. L. Obersten

Gerichtshofes steht der Wiener Oberlandesgerichtspräsident i. R., Hugo Dworak. Da in Liechtenstein sehr schwierige Prozesse nach ausländischem Recht und mit Maßgeb- lichkeit des Internationalen Privatrechts — oft mit in Österreich kaum bekannten enormen Streitwerten von Millionen Franken — geführt werden, kommt es dem Präsidenten Dworak sehr zugute, daß er als österreichisches Mitglied des Schiedsgerichtes nach dem österreichisch- deutschen Vermögensvertrag (und damals Präsident des Handelsgerichtes Wien) ganz ungewöhnliche Urteilsfindungen zum internationalen Recht zusammen mit seinem nicht weniger bedeutenden deutschen Kollegen erbracht hat, über die der in Köln lehrende Wiener Völkerrecht ler Ignaz Seidl-Hohenveldem vor nicht langem in den USA auch ein viel beachtetes Werk schrieb.

In der liechtensteinischen Verwal- tungs-Beschwerde-Instanz (VBI), die dem österreichischen Verwaitungs- gerichtßhof ähnlich ist, gibt es nur liechtensteinische Richter, da dort nämlich kein österreichisches Recht anzuwenden ist, sondern liechtensteinisches (so das Verwaltungspflegegesetz). Am F. L. Landgericht Vaduz, das die erste Instanz in allen Zivilstreitsachen (ohne Rücksicht auf den Streitwert) und auch in einigen anderen Rechtsmaterien darstellt, sind in aller Regel nur Liechtensteiner als Richter tätig, derzeit vorübergehend aber auch ein jüngerer österreichischer Richter.

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