"Kleine Staaten werden wieder konkurrenzfähig"

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Liechtenstein: ein kleines, aber sehr wohlhabendes Land im Zentrum Europas. Mit dessen Staatsoberhaupt sprach Felicitas von Schönborn über Bankengeheimnis, weibliche Thronfolge, EU-Mitgliedschaft und Perspektiven Kleinstaaten im Zeitalter der Globalisierung.

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Liechtenstein: ein kleines, aber sehr wohlhabendes Land im Zentrum Europas. Mit dessen Staatsoberhaupt sprach Felicitas von Schönborn über Bankengeheimnis, weibliche Thronfolge, EU-Mitgliedschaft und Perspektiven Kleinstaaten im Zeitalter der Globalisierung.

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die furche: Das Haus Liechtenstein gehört zu den wenigen noch regierenden Dynastien, deren Wurzeln weit zurückreichen. Wie war es möglich, dass Ihr Fürstenhaus alle Stürme der Geschichte überdauert hat?

Hans Adam II. Fürst von Liechtenstein: Dazu haben glückliche Umstände beigetragen. Da ist einmal die günstige geographische Lage zwischen dem Habsburger Reich, zu dem auch enge verwandtschaftliche Verbindungen bestanden und der neutralen Schweiz. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg war das Fürstentum ein armes Land und ohne große strategische Bedeutung. Und dann scheinen meine Vorfahren auch gute Diplomaten gewesen zu sein, besonders in der schwierigen Napoleonischen Zeit.

die furche: Sehen Sie sich als Identifikationsfigur Ihres Fürstentums, als Gestalt in der sich das Volk wiedererkennt und die über dem Zeitgeschehen steht?

Fürst von Liechtenstein: Monarchen haben den Vorteil, nicht an Wahlperioden und Parteiinteressen gebunden zu sein. Sie können daher langfristig - in Generationen - denken, mehr auf Minderheiten Rücksicht nehmen und sich für das Wohl des ganzen Landes einsetzen. Ohne das Fürstenhaus wäre aus Liechtenstein wahrscheinlich die Republik Oberrheintal geworden. Das wäre für das Land sicher die schlechtere Lösung. Fürst Franz Joseph II. hat es verstanden dem Land seine Unabhängigkeit zu erhalten. Denn es ist in erster Linie dem persönlichen Einsatz meines Vaters zu verdanken, dass Liechtenstein vor dem Anschluss an das Dritte Reich bewahrt wurde.

die furche: In Liechtenstein stoßen man sich am Recht des Fürsten zu Notverordnungen und Gesetzessanktionen. Wird dies durch die neue Verfassung geändert?

Fürst von Liechtenstein: Die Notverordnung wird bleiben, soll aber eingeschränkt werden. Dadurch sollen zukünftige Fürsten gehindert werden, legal Diktaturen zu errichten. Auch am Vetorecht bei Verfassungs- und Gesetzesänderungen wird sich nichts ändern. Hingegen soll das Vetorecht bei Ernennungen aufgehoben werden. Falls sich Fürst und Regierung nicht einigen können, soll das Volk entscheiden.

die furche: Warum ist in Ihrem Fürstenhaus die weibliche Thronfolge ausgeschlossen?

Fürst von Liechtenstein: Sie war bei uns nie möglich und soll auch zukünftig nicht eingeführt werden. Ein Frau ist als Mutter in erster Linie für die Erziehung ihrer Kinder zuständig. Als Staatsoberhaupt fände sie dazu kaum Zeit. Sie müsste neben den Staatsgeschäften auch noch das fürstliche Vermögen verwalten, um die Aufgaben einer höchsten Repräsentantin tragen zu können. Dies alles ginge zu Lasten der Familie.

die furche: Heißt das, der Fürst von Liechtenstein verdient am Vormittag das nötige Geld, um am Nachmittag regieren zu können?

Fürst von Liechtenstein: So ist es im Wesentlichen. 50 Prozent meiner Zeit verbringe ich mit der Vermögensverwaltung. Sonst könnten wir uns die erheblichen Kosten der Monarchie kaum leisten. Die Monarchie bringt dem Land allerdings nicht nur innenpolitische Vorteile. Sie hat sich auch außenpolitisch bewährt.

die furche: Führt Liechtenstein denn eine eigenständige Außenpolitik?

Fürst von Liechtenstein: Seit einiger Zeit schon. Früher hatten wir uns stark an die Schweiz angelehnt. Auch wenn wir mit ihr weiter eng zusammenarbeiten, sind wir inzwischen durch die wirtschaftliche Entwicklung gezwungen, eine eigene Außenpolitik zu verfolgen. Um die Souveränität unseres Fürstentums besser abzusichern, habe ich mich persönlich schon früh für den Beitritt zur UNO eingesetzt. So können wir mit relativ geringem Aufwand mit der ganzen Welt in Verbindung zu treten. Das hat uns vor allem auch auf wirtschaftlichem Gebiet Vorteile gebracht.

die furche: Genügt das EWR-Abkommen den Interessen des Landes?

Fürst von Liechtenstein: Der EWR ist die beste Lösung. Das ist der Grund, warum ich damals eine innenpolitische Krise in Kauf genommen habe. Unser Land ist für eine Vollmitgliedschaft der EU zu klein. Sie würde eine zu große finanzielle und personelle Belastung darstellen. Durch den EWR haben zwar kein Mitspracherecht aber realistisch gesehen, ist der Einfluss eines Kleinstaates ohnehin beschränkt.

die furche: Welche Rolle werden kleine Staaten zukünftig spielen?

Fürst von Liechtenstein: Ich glaube, dass wir gerade als Kleinstaat in der Lage sind, besondere Aufgaben besser als große Staaten zu erfüllen. So konzentriert sich Liechtenstein auf die Frage des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Der Aufbau von großen Wirtschaftseinheiten über ganze Kontinente hinweg hat zur Folge, dass kleine Staaten wieder konkurrenzfähig werden. Während langen Perioden haben militärischen und wirtschaftlichen Entwicklungen die Entstehung von großen Blöcken begünstigt. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts erleben wir eine zunehmende Dezentralisierung, vom Auseinanderbrechen mächtiger Kolonialreiche bis hin zur Auflösung der Sowjetunion.

die furche: Große Staaten können aber Druck auf kleine ausüben. So versuchten die USA oft, die Schweiz zu bewegen, das Bankgeheimnis abzuschaffen ...

Fürst von Liechtenstein: Die Vereinigten Staaten akzeptieren das Bankgeheimnis grundsätzlich, wenn eine gemeinsame Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens gewährleistet wird. Ihre neuen Vorschriften sollen vor allem amerikanische Steuerflüchtlinge daran hindern, ihr Geld via Schweiz wieder in den USA anzulegen. Der Druck den die EU in dieser Hinsicht ausübt, ist da wesentlich größer.

die furche: Neuerdings hat die EU verlauten lassen, sie fände die Schritte Liechtensteins zur Bekämpfung von Geldwäsche und schädlichen Steuerpraktiken noch wenig überzeugend ...

Fürst von Liechtenstein: Von den Gesetzen her gesehen, stehen wir im Vergleich mit anderen Staaten gar nicht so schlecht da. In vielen Bereichen schneiden wir sogar besser ab als die meisten OECD-Staaten. Es geht also in erster Linie um die Umsetzung dieser Richtlinien. Dazu brauchen wir das nötige Personal bei der Polizei, den Gerichten und der Staatsanwaltschaft. Allerdings plant die EU das Bankgeheimnis dereinst ganz abzuschaffen.

die furche: Wie kann sich Liechtenstein gegen Gelder von Betrügern oder der Mafia schützen?

Fürst von Liechtenstein: Das ist eine ganz wichtige und zentrale Frage für Liechtenstein, wie für jeden anderen Finanzplatz. Wie geht man da am besten vor? Wir haben schon seit langem strenge Kontrollen eingeführt, ähnlich die Schweiz. Es wird überprüft, wem die Gelder gehören, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist. Man verlangt nach Dokumentationen und einem Nachweis, woher die Mittel stammen, ob es ehrlich verdiente Gelder sind, oder ob es sich um Drogen- oder Mafiagelder handelt.

die furche: Ihr Vorfahre Hans-Adam I. wurde der Reiche genannt, Sie selbst sind Hans-Adam II. im reichsten Land Europas. Gibt es in diesem Wohlstandsland auch soziale Probleme?

Fürst von Liechtenstein: Bei uns halten sich die sozialen Probleme in Grenzen, aber es gibt sie doch. Unsere Arbeitslosigkeit liegt bei etwas über einem Prozent. Im Vergleich mit anderen Ländern mag das wie ein paradiesischer Zustand erscheinen, für unsere Verhältnisse aber ist das schon viel. Bei den Drogen geht es uns nicht besser als andern, ähnlich ist es mit Aids oder den Selbstmorden.

die furche: Wir sind Zeugen großer Veränderungen. Blicken Sie persönlich zuversichtlich in die Zukunft?

Fürst von Liechtenstein: Ja, ich bin im Grunde optimistisch. Langfristig hat die Menschheit keine andere Wahl als die globale Markwirtschaft, mit einer sozialen Komponente zu akzeptieren. Wir erleben zu Zeit das Verschwinden der Ideologien. Der Sozialismus und der Nationalismus haben versagt. Auch der Nationalstaat wird in seiner heutigen Form nicht weiter bestehen. Nun geht es um neue Formen, die auf dem demokratischen Prinzip und auf der Selbstbestimmung aufbauen. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass der Staat sich weniger durch Ideologien oder Religionen legitimiert als durch die Bürger, Gemeinden und Städte, durch Kantone oder Bundesländer. Auch die Aufgabe des Staates muss neu definiert werden. Ich glaube, der Staat muss zu einem Dienstleistungsunternehmen werden.

Das Gespräch führte Felicitas von Schönborn Zur Person: Schüler im Wiener Schottengymnasium Geboren ist Prinz Hans-Adam am 14. Februar 1945 als ältester Sohn des Fürsten Franz Joseph II. und dessen Frau, Fürstin Gina. Seinen Namen erhielt er nach dem Gründer des Fürstentums, der 1699 das Fürstentum Schellenberg und die Grafschaft von Vaduz erstand. Seine Kindheit verbrachte Prinz Hans-Adam in Vaduz. In Wien besuchte er von 1956 bis 1960 das Schottengymnasium, um seine Mittelschulausbildung in Zuoz (Schweiz) abzuschließen. Nach einem Praktikum bei einer Londoner Bank begann Prinz Hans-Adam 1965 sein Studium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre in St. Gallen, die er 1969 abschloss. Schon 1967 hatte er die in Prag geborene Gräfin Marie Kinsky geheiratet, mit der er vier Kinder im Alter von 27 bis 32 Jahren hat. Seit 1972 verwaltet er den Besitz der fürstlichen Familie. Ab 1984 vertrat er seinen Vater bei den laufenden Geschäften des Fürstentums und am 13. November 1989 folgte er ihm - als dieser 83-jährig starb - als Staatsoberhaupt nach.

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