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EGON WELLESZ / KOMPONIST UND FORSCHER

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Am 21. Oktober beging der österreichische Komponist Egon Wellesz in Oxford seinen 80. Geburtstag. Die berühmte Universität, an der er seit 1938 lehrt, hatte ihm bereits 1932 das Ehrendoktorat verliehen. — An diesem 21. Oktober sandte die BBC London als Direktübertragung aus Birmingham die 5. Symphonie von Egon Wellesz, die, wie ihre älteren Schwestern, in England komponiert wurde. Am Tag darauf gab es ein Wellesz-Konzert in Manchester; zehn Tage später wird in London eine Messe aufgeführt, und so geht es fort, bis Ende Dezember, da sich besonders die British Broadcasting Corporation des Werkes von Wellesz annimmt und die Ehre zu schätzen weiß, „den einzigen wahren Nachfolger Mahlers“ — in ihrer Nähe und den berühmtesten Byzantinisten als ihren Mitarbeiter zu haben.

Die Opernhäuser in England sind dünn gesät, sonst gäbe es sicher auch anläßlich des Geburtstags eine Wellesz-Oper. In der Heimat des Komponisten ist von derlei Bemühungen wenig, fast nichts zu spüren. Der Österreichische Rundfunk kündet für den 21. Oktober (um 13 Uhr, im zweiten Programm) eine Sendung und für den 29. X. ein öffentliches Rundfunkkonzert an. Sonst ist nichts zu vermerken. Leider hat sich auch keines der österreichischen Opernhäuser eines Werkes aus Wellesz' „Heroischer Trilo-gie“ angenommen, auf die wir zuletzt in einem ganzseitigen Artikel in der „Furche“, Nr. 1 von 1961, hinwiesen. Auch die Leitung der Salzburger Festspiele haben wir in Artikelform aufmerksam gemacht — leider (bisher) folgenlos. Dabei war Wellesz in seiner Heimat vor der Emigration ein geradezu erfolgreicher Komponist — soweit man dies als „moderner“ Komponist und Schönberg-Schüler damals sein konnte.

Gleichzeitig studierte Wellesz bei Guido Adler Musikwissenschaft (in dem alten musikhistorischen Institut in der Türkenstraße), promovierte 1908 und habilitierte sich an der Universität Wien als Privatdozent. 1915 wies er in einer Vorlesung serielle Kompositionsprinzipien in der byzantinischen Musik nach.

— Eine Brücke war gefunden, von der aus Wellesz bald mehr nach der einen, bald mehr nach der anderen Seite des fließenden Wassers schaute, das immer in Bewegung ist, vor allem auf jener Seite, wo die Schaffenden ihre Schiffchen durch die unruhige Zeit steuern.

Von Schönbergs Theorie und Einfluß emanzipierte sich Wellesz bald, und aus erstaunlich ungebrochener Schaffenskraft entstand in Oxford Werk auf Werk.

— Dort hat Wellesz eine echte zweite Heimat gefunden, die auch auf das Wesen des hochgebildeten, feinen, stets bescheidenen Altösterreichers eingewirkt hat. Ihm gelten, anläßlich seines Geburtstages, der von vielen seiner Bewunderer und über die ganze Welt zerstreuten Schüler gefeiert werden wird, unsere aufrichtigen Wünsche.

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