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Wellesz im Schönberg-Haus

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„Dux et signifer hodiernae musi-cae“ — („führende und voranschreitende Persönlichkeit der heutigen Musik“); diesen Ehrentitel erwarb sich Egon Wellesz bereits vor mehr als einem Menschenalter, und er galt (und gilt) dem bedeutenden Musikforscher, der die byzantinische Notenschrift entzifferte, diesem seinem Spezialgebiet in der Musikwissenschaft, nämlich der Byzantinistik, sein Leben lang die Treue hielt und in dieser Sparte zur größten Kapazität der Welt geworden war; das prunkvolle lateinische Wort bezog sieh aber auch auf den Künstler, den Komponisten, der schon als Student, 1904, zu Arnold Schönberg stieß, dem er zuerst einmal die gründliche und musikalisch-praktische Beherrschung des Kontrapunktes verdankte, dem er aber auch nachfolgte im Bestreben, unsere Tonwelt neu aufzugliedern, ihr neue Aussagemöglichkeiten abzugewinnen. Daß Wellesz dabei weniger dogmatisch dachte als sein Lehrer, in vielem freier war als Berg und von Webern, das erforderte gerade einer so erdrückenden Pesön-lichkeit wie dem „einen“ Schöpfer dar Zwölftonmusik gegenüber (wir kennen auch J. M. Hauer) beträchtlichen Mannesmut, ehrliche künstlerische Überzeugung.

„Wiege der Zwölftonmusik“ war das Haus Bernhardgasse 6 in Möd-ling geworden, das Schönberg von 1918 bis 1925 bewohnte. Schließlich aber war es trotz seiner Bedeutung nicht mehr gepflegt worden und vom Verfall bedroht. Die „Österreichische Musikzeitschrift“ wies auf diesen Umstand hin, Egon Wellesz selbst schrieb aus England, wo er seit 1938 lehrte, an den damaligen Unterrichtsminister Gratz einen mahnenden Brief, und schließlich konnte das Haus mit öffentlichen Mitteln zu einer modernen Gedenkstätte umgestaltet werden: nicht so sehr der Pietät und dem persönlichen Angedenken sollte Raum gegeben werden, als der Pflege des Werkes durch wissenschaftliche Forschung und künstlerische Erschließung.

Somit war es richtig, daß man nunmehr der 90. Wiederkehr von Wellesz' Geburtstag eben in diesem Haus gedachte, und zwar sowohl durch die Würdigung im Worte (Dr. Temnitschka vom Unterrichtsministerium sprach über das Haus, Walter Szmolyan über Leben und Werk) als auch durch lebendige Musik. Ernst Gutstein sang fünf „Lieder aus Wien“ nach Artmann-Texten aus der „schwoazzn dintn“, Anton Voigt gab einen ziemlich umfassenden Überblick über das Klavierwerk (3 Skizzen op. 11, 2 Studien op. 29 aus dem Jahre 1920, das „Tripty-chon“ op. 98 und die „Studien in Grau“, op. 106, aus dem Jahre 1969) und erwies sich in einer eindrucksvollen pianistischen Leistung als Wellesz-Adept. Interessant war bereits das op. 6 aus dem Jahre 1911 mit seiner hochintellektualisierten, stenographisch verdichteten Formel-haftigkeit gewesen, nicht minder wirksam waren die Lieder; bewußt durchformte Kunstmusik wird als Hochsprache empfunden — die geballte Ausdruckskunst der Art-mannschen Dialektgedichte schufen hiezu starke Spanhungen, die Ernst Gutstein noch dazu in glücklicher Weise in überzeugende musikalische Expressivität umzumünzen verstand, ein Vorhaben, bei dem ihn der mit fühlbarem Engagement am Flügel wirkende Harald Goertz bestens unterstützte.

• Sowjetische Wissenschafter haben Aufzeichnungen aus dem 18. Jahrhundert entdeckt, die zu einer Rekonstruierung der verlorenen Sprache und Gebräuche der Indianerstämme Alaskas und der kanadischen Pazifikküste verhelfen könnten. Es handelt sich um die in Archiven der Akademie der Wissenschaften der UdSSR zutage gekommenen unveröffentlichten Notizen, Tagebücher und Briefe russischer Entdeckungsreisender, die mit diesen Indianern Kontakt gehabt hatten.

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