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… und der EWG

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Zu den antimilitaristischen Tendenzen kamen die radikal gesellschaftspolitischen: Ein Anschluß an die EWG, die vor allem aus Ländern mit konservativen Regierungen besteht, muß die Entwicklung Norwegens zu einem sozialistischen Land verhindern, sagt man in den Reihen der SF. Man fordert die Sozialisierung des Kreditwesens und der Banken, und es kann als ein Beweis für die starke Verankerung solcher Forderungen dienen, daß nun auch Gerhardsen gezwungen war, diesen Punkt in sein neues Programm aufzunehmen. Es ist sehr leicht möglich, daß dies der SF einen Teil Wind aus den Segeln genommen hat, worauf ja das Ergebnis der Kommunalwahlen vom 23. September hindeutet.

Zukunftsaussichten

Wie stark ist nun diese Sozialistische Volkspartei wirklich, und welche Möglichkeiten hat sie, auch in der Zukunft im politischen Leben Norwegens zu spielen?

Die Parlamentswahlen vom Jahre 1961 gaben der SF 40.000 Stimmen und zwei Mandate im Stortinget; das war mehr, als irgend jemand im Vorstand der Arbeiterpartei erwartet hatte, aber es war nicht alarmierend viel. Die SF kandidierte in sechs von 20 Wahlkreisen und erzielte dort 5,5 Prozent der abgegebenen Stimmen; eine Kandidatur in allen Kreisen hätte ihr etwa 100.000 Stimmen gebracht. Die Kommunalwahlen vom vergangenen September brachten der SF 52.000 Stimmen, doch da sie in wesentlich mehr Wahlkreisen kandidierte, machte das nur noch 2,81 Prozent der abgegebenen Stimmen aus; immerhin ist die Partei nun in allen großen Städten vertreten und ist dort — ebenso wie im Parlament — das berühmte Zünglein an der Waage zwischen dem Block der bürgerlichen Parteien und der Arbeiterpartei.

Die SF ist offenbar eine arme Partei mit schwachen finanziellen Reserven. Für den Wahlkampf vor den Parlamentswahlen standen ihr nur 100.000 Kronen zur Verfügung, 60.000 Kronen davon waren geliehene Gelder, die man jetzt noch zurückzahlt. Der Mangel an Geld zwang die Mitarbeiter, beispielsweise auf die Hilfe der

Post bei der Verbreitung von Drucksachen zu verzichten und selbst die Wähler aufzusuchen; ein Umstand, der sich durchaus nicht nur gegen die Partei ausgewirkt hat. Die Zahl der Mitglieder soll zwischen 5000 und 6000 liegen; der Jahresbeitrag pro Mitglied beträgt 24 Kronen. (Die Arbeiterpartei bekommt ihre Gelder von den Gewerkschaften auf Grund der kollektiven Mitgliedschaft dieser Organisationen!)

Die Wochenschrift „Orientering“ begann 1953 zu erscheinen und hat heute eine Auflage von 16.000 Exemplaren, was für norwegische Verhältnisse ziemlich viel ist. Aber auch diese Zeitung gibt keinen Gewinn und kann nur durch die Unterstützung vieler anonymer Beitraggeber erscheinen und nicht nur für die nächste Zukunft erhalten werden.

Als eigentliche Führer der Partei gelten der Parteisekretär Berge F u r r e, der erst 27 Jahre alt ist, und der Abgeordnete Finn Gustavsen, der sich im letzten Wahlkampf als ein sehr geschickter und kluger Redner entpuppt hat. Der außerordentlich aktive, idealistische und für einen sehr bescheidenen Lohn arbeitende Furre ist Theologe, auch Gustavsen entstammt einer sehr religiösen Familie und verdiente sich seine Sporen in der Sozialistischen Jugendbewegung. Auf diesen beiden Persönlichkeiten und auf den Sympathien breiter Mittelschul- und Hochschulkreise ruht die Zukunft der Partei der rebellierenden Linken Norwegens: Auch 2,8 Prozent der Wählerschaft können, wenn sie eine starke politische Aktivität entwickeln, der regierenden Arbeiterpartei sehr unbequem werden, ob die SF nun weiterhin in dieser vorteilhaften Schlüsselstellung bleibt oder nicht!

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