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Parolen ohne Widerhall
„200.000 Erstwähler fühlten sehr wenig von dem Wind der Erneuerung, den die Arbeiterpartei zu entfachen versuchte — ungefähr genausowenig, wie die schwedischen Wähler von den sogenannten ,neuen kühnen Zielen' in ihrer letzten Wahlwerbung gefühlt haben ... Der wachsende Sektor der Beamten kennt keine Klassensolidarität. Die alten Schlagworte sind in einer modernen skandinavischen Gesellschaft keine gangbare Münze mehr. Die Penr.ionsreform war kein Erfolg für die Arbeiterpartei, und die sogenannten (überdimensionierten) Industrieskandale ließen Zweifel an dem Vermögen der Sozialdemokratie aufkommen, den Sektor der staatlichen Industrie erfolgreich verwalten zu können!“
Diese Kritik von schwedischer sozialdemokratischer Seite enthält einen ganzen Katalog jener Fehler und Schwächen, die schließlich zur Wahlniederlage in Norwegen führen mußten. Der außenstehende Beobachter muß noch hinzufügen, daß die norwegische Arbeiterpartei die Stimmungen und Forderungen aus ihren eigenen Reihen, die zur Bildung der Sozialistischen Volkspartei geführt haben, katastrophal unterschätzt hat. Durch die Mißachtung der Forderung auf Austritt aus der NATO, Abkehr von der amerikanischen Politik und Einhaltung einer unabhängigen norwegischen nationalen Linie hat man an diese linkssozialistische Gruppe nach den früheren Verlusten weitere 76.000 Stimmen verloren! Daß es zur Bildung der Sozialistischen Volkspartei und zum isolierten Auftreten im Wahlkampf kommen konnte, war mit großer Wahrscheinlichkeit der größte Fehler, den die Arbeiterpartei in den letzten Jahren gemacht hat. Am 13. September wurde für all das nur die längst fällige Rechnung geschrieben!
Der Sündenbock
Nach dem ersten Schock über die Höhe der Wahlniederlage richtete sich der ganze Zorn der sozialdemokratischen Kommentatoren gegen die kleine Sozialistische Volkspartei, die des Verrates beschuldigt wurde und der Absicht, einer bürgerlichen Regierung den Weg zu bereiten. Ohne die Kandidatur der „SF“ wäre der Arbeiterpartei nicht nur der Verlust von 6 Mandaten erspart geblieben, sie hätte höchstwahrscheinlich zu ihren 74 Mandaten noch drei bis vier und damit die absolute Mehrheit erreichen können! Der Stimmenanteil der Arbeiterpartei fiel von 47,1 auf 43,6 Prozent, der der SF stieg von 2,4'auf 6 Prozent. Zusammen hätte man 49,6 Prozent erreicht und damit in Anbetracht des norwegischen Wahlsystems sicher mehr als die Hälfte der Mandate bekommen, zumal auch auf die Kommunisten noch ein Anteil von 1,4 Prozent entfiel.
Doch die Leitung der Arbeiterpartei lehnte erst eine Wahlreform ab und dann auch jede Zusammenarbeit mit der SF. Zu den vielen Versagern kam also noch der Mangel an wahltaktischen Erwägungen!
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