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Die letzten 30 Tage?

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Die Führer der schwedischen Arbeiterpartei müssen sich nun eingestehen, daß eine Reichstagswahl, hätte sie Ende des Monats Juli stattgefunden, mit absoluter Sicherheit das Ende der vierzigjährigen Regierungsperiode der Arbeiterpartei zur Folge gehabt hätte. Zu eindeutig sind die Ergebnisse der Meinungsbefragungen, die in den letzten Wochen durchgeführt worden sind.

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Die Führer der schwedischen Arbeiterpartei müssen sich nun eingestehen, daß eine Reichstagswahl, hätte sie Ende des Monats Juli stattgefunden, mit absoluter Sicherheit das Ende der vierzigjährigen Regierungsperiode der Arbeiterpartei zur Folge gehabt hätte. Zu eindeutig sind die Ergebnisse der Meinungsbefragungen, die in den letzten Wochen durchgeführt worden sind.

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Einige dieser Meinungsbefragungen weisen unterschiedliche Ergebnisse auf, je nachdem, ob man nun die einer Partei zuneigenden, aber noch unentschlossenen Wähler in die Bewertung einbezieht oder nicht. Im ungünstigsten Fall ergab sich ein Ergebnis von 53,3 zu 45,5 Prozent zugunsten der bürgerlichen Oppositionsparteien, und dabei wird noch angenommen, daß die Kommunisten die Vierprozentsperre mit Mühe und Not gerade noch überschreiten können. Ohne die KP liegt die Arbeiterpartei bei 41,5 Prozent der Wählerschaft. In den letzten vierzig Jahren hat es niemals eine Situation gegeben, in der — wenig mehr als einen Monat vor der Wahl — die Sozialdemokraten sich in einer derart schwachen Position befunden hätten.

Zum erstenmal in einem Wahljahr verminderte sich auch die Zahl der sicheren Wähler der Arbeiterpartei auf unter 40 Prozent. Das war im Frühjahr, und die seither erzielte schwache Verbesserung geht so gut wie ausschließlich auf Kosten der KP. Das ist für die Sozialdemokraten beinahe schlimmer, als wenn sie überhaupt keine Erholung hätte verzeichnen können; denn fällt die KP unter 40 Prozent, dann verliert sie alle ihre 19 Sitze im Parlament, und die Arbeiterpartei gerät in eine hoffnungslose Minderheitspositiön.

Nach Wahlergebnissen, die für die Arbeiterpartei ungünstig ausfielen, konnte diese es früher wagen, eine Minderheitsregierung zu bilden und konnte sich darauf verlassen, daß wechselweise die KP oder eine der bürgerlichen Oppositionsparteien die Regierung unterstützen werde. Mit einer Stimmenhilfe aus dem Lager der Rechten aber ist nach der Wahl vom 19. September nicht mehr zu rechnen. Olof Palme muß die bittere Feststellung machen, daß er diesmal einer geschlossenen Front der Rechtsparteien gegenübersteht, deren erklärtes Ziel es ist, seiner Regierung ein Ende zu machen. Zum erstenmal seit vielen Jahren sind die liberale Volkspartei und die Zenterpartei auch bereit, mit den Konservativen zusammenzuarbeiten. Der junge Führer der Volkspartei, Per Ahlmark, erweist sich dabei immer mehr als die führende anti-sozialistische Kraft, die einen harten Konfrontationskurs steuert.

Thorbjörn Fälldin, der Leiter der Zenterpartei, hat anscheinend keine Bedenken mehr, zusammen mit Per Ahlmark und dem Konservativen Gösta Bohman eine Regierungskoa-lition zu bilden. Auch das ist im

politischen Leben Schwedens eine neue Erscheinung. Die früheren Führer der Zenterpartei und der Volkspartei, Hedlund und Gunnar Helen, waren einer Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten niemals abgeneigt, scheuen sich aber, mit den Konservativen allzu enge Tuchfühlung zu bekommen. In der Zentrale der Arbeiterpartei dürfte man es heute bedauern, daß man noch vor wenig mehr als einem Jahr dem konzilianten und kompromißbereiten Gunnar Helen jene Regierungsposition verweigert hat, die dieser zur Festigung seiner Stellung bei den Liberalen dringend gebraucht hätte. Per Ahlmark ist willens, die Außenpolitik Schwedens in eine neue Richtung zu lenken, die nur ein ausgeprägter Westkurs sein kann.

Zu den aufsehenerregenden Änderungen im bürgerlichen Lager Schwedens gehört auch, daß man dort zum erstenmal die Zusammensetzung eines Schattenkabinetts diskutierte, in dem Fälldin den Posten des

Staatsministers, Ahlmark den des Finanzministers (oder den des Außenministers), der Konservative Krönmark den Posten des Verteidigungsministers zugeteilt erhielt. Als künftiger Außenminister wird auch der Führer der „Moredaten Samm-lingsparti“, Gösta Bohman, genannt. An repräsentativen und regierungswilligen Persönlichkeiten besteht im Lager der Rechten also kein Mangel.

Die Zentralorganisation der Gewerkschaften tut unterdessen alles in ihrer Macht Stehende, um die Aussichten der Arbeiterpartei zu verbessern. In zwei Millionen „Wahl-Handbüchern“ wird jedes Gewerkschaftsmitglied aufgefordert, sich bei der Wahl für eine großangelegte staatliche Planwirtschaft und gegen einen Machtzuwachs der großen Industriekonzerne zu entscheiden. Machtkonzentration in den Händen einiger Vertreter des Großkapitals wird darin als die stärkste Bedrohung bezeichnet, der die arbeitenden Schichten Schwedens jemals ausgesetzt gewesen seien.

Die scharfe Form, die der Wahlkampf angenommen hat, zeigt, daß die Arbeiterpartei begriffen hat, daß es diesmal wirklich um Sein oder Nichtsein geht. Es sind noch knapp dreißig Tage bis zur Wahl Werden es die letzten dreißig Tage der Ar-beiterregierung in Schweden sein?

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