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Olof Palme im Kommen

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Nach der schweren Wahlniederlage der schwedischen Sozialdemokratie im Herbst 1966 herrschte im Lager der regierenden Arbeiterpartei eine ausgesprochene Weltuntergangsstimmung. Man hatte mehr als 12 Prozent seiner früheren Wählerschaft verloren! Uber den Köpfen der Parteiführung türmten sich die Sturmwolken. Tage Erlander erklärte sich bereit, zurückzutreten, und Finanzmindister Sträng und Außenminister Nilsson wurden bereits als die sicheren Nachfolger genannt, die das Parteischiff aus den felsigen Schären heraussteuern sollten. Schließlich einigte man sich darauf, Erlander noch bis zum nächsten Kongreß im Amt zu lassen und sich in dieser Zeit über die Zusammensetzung der neuen — und allgemein verstand man darunter einer jüngeren! — Führungsspitze klar zu werden.

Zur Auswahl standen damals Land-wirtschaftsmanister Holmquist <&&-mals 59), Innenminister Johansson (61), Flnanaminister Sträng (59), der Minister ohne Geschäftsbereich Olof Palme (39) und Staatssekretär im Finanzministerium Krister Wick-mon (42). Auch an die sogenannten Nachwuchsminister, die als konsultative Staatsräte dem Kabinett angehörten, knüpften sich einige Hoffnungen; der jüngste von ihnen war 41 Jahre alt, der an Jahren und Rang älteste war die einzige Frau des Kabinetts, die energische und eigenwillige Ulla Lindström (57).

Die Parlamentswahl vom September 1968

machte allen diesen Spekulationen ein Ende. Alle Prognosen hatten bis

Mitte August auf eine neue Wahlniederlage der Arbeiterpartei hingewiesen. Nach den Augustereignissen in der CSSR glaubte nicht einmal

der optimistischste bürgerliche Politiker daran, daß es zu einem Wechsel der Regierung kommen würde. In Zeiten der außenpolitischen Hochspannung wechseln die Schweden ganz einfach keine Regierung! Im Zeichen des Wahlergebnisses erschien Tage Erlander als der große Sieger. Der wirkliche, ihm genehme Kronprinz konnte nun unter völlig anderen Machtverhältnissen bestimmt werden.

Allein auf weiter Flur

ist Olof Palme zurückgeblieben. Palme (42), den naive Gemüter der radikalen Linken zuzählen, hat natürlich schon auf Grund seiner Jugend frischere Ideen als Erlander. Schon als junger Student machte er

eine erstaunlich rasche Karriere, wurde vor der Erreichung seines 30. Lebensjahres persönlicher Referent des Staatsministers und dadurch seine rechte Hand. 1948 hatte er in den USA den akademischen Grad eines „Bachelor of Arts“ errungen und wurde schon 1957 Mitglied der Ersten Kammer des Parlamentes. Seiner Herkunft entsprechend, wurde Palme Reserve-Oberleutnant der Kavallerie, was ihm jedoch am linken Flügel der Partei keinesfalls schadete, ebensowenig, wie dies seine Vietnamdemonstration an der Seite des vietnamesischen Botschafters in Moskau zu tun vermochte, obwohl die gesamte bürgerliche Presse in den darauffolgenden Wochen Olof Palme unter schwersten Beschuß nahm!

Eine jüngst durchgeführte Umfrage unter den Delegierten des kommenden Parteikongresses ergab, daß Palme, sofern sich auch Erlander für ihn einsetzen sollte, mit 70 bis 75 Prozent der Stimmen bei der Wahl des nächsten Parteiführers rechnen kann. Nur noch jeder sechste Parteifunktionär wünscht Wicfc-man an der Spitze. Tage Erlander erschien auf der polltischen Bühne in einer für Schweden besonders günstigen Zeit; vieles, das ihm und seinem Lande half, war eine einmalige Erscheinung in Europa; die Versäumnisse, die Sünden und das Elend anderer europäischer Staaten ließen Schweden lange Zeit in einem verklärten Lichte erscheinen. Diese Zeit ist nun endgültig vorbei, nun kommen viele Sorgen, die früher nur die anderen Länder hatten. So wird es Olof Palme schwerer haben als Tage Erlander.

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