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Rennen ins Patt

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Lohnerhöhungen bis zu 26 Prozent, wiederholte Erhöhungen der Arbeitgeberausgaben, Herabsetzung des Pensionsalters, Verminderung der Arbeitszeit, Verlängerung des bezahlten Urlaubes, großzügiger Ausbau der Kinder-Tagesheime (der es möglich machen soll, mehr Frauen in der Industrie und in den Dienstleistungsbetrieben zu beschäftigen) — alles das und noch viel mehr wird gleichzeitig durchgeführt .oder soll in der nächsten Zukunft verwirklicht werden. Die Stimmen einiger Mahner, wie etwa des Generaldirektors der VOLVO-Werke, Pehr Gyllenham-mer, verhallen ungehört. Niemand beachtet die unübersehbaren Warnzeichen: man steht in einem Wahljahr, und da wird der Flut der bombastischen Zusagen und Versprechen keine Grenze gesetzt.

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Lohnerhöhungen bis zu 26 Prozent, wiederholte Erhöhungen der Arbeitgeberausgaben, Herabsetzung des Pensionsalters, Verminderung der Arbeitszeit, Verlängerung des bezahlten Urlaubes, großzügiger Ausbau der Kinder-Tagesheime (der es möglich machen soll, mehr Frauen in der Industrie und in den Dienstleistungsbetrieben zu beschäftigen) — alles das und noch viel mehr wird gleichzeitig durchgeführt .oder soll in der nächsten Zukunft verwirklicht werden. Die Stimmen einiger Mahner, wie etwa des Generaldirektors der VOLVO-Werke, Pehr Gyllenham-mer, verhallen ungehört. Niemand beachtet die unübersehbaren Warnzeichen: man steht in einem Wahljahr, und da wird der Flut der bombastischen Zusagen und Versprechen keine Grenze gesetzt.

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Am 19. September werden Parlamentswahlen stattfinden. Da die Zahl der Sitze von 350 auf 349 verringert worden ist, wird es diesmal zu keinem toten Rennen kommen. Alle Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, daß das siegreiche Lager nur über eine knappe Mehrheit verfügen wird, in einer Zeit, da sich die Gegensätze zwischen rechts und links von neuem verschärft haben und von einem Willen zur Zusammenarbeit weniger zu sehen ist als zuvor. Schon jetzt rechnen deshalb auch besonnene Beobachter damit, daß eine parlamentarische Kräfteverteilung, die vom Patt nicht weit entfernt ist, es der regierenden Partei, welche immer dies auch sein möge, so schwer machen wird, die Wahlversprechungen zu erfüllen, daß schon im nächsten Jahr eine weitere Wahl fällig sein wird. Es mag übertrieben pessimistisch aussehen, wenn man acht Monate vor einer Wahl sich schon mit dem denkbaren Ergebnis der übernächsten beschäftigt, aber in Schweden geschieht das tatsächlich.

Auf die Regierung kommen nun Probleme größten Ausmaßes zu. Die Arbeitslosigkeit ist, international gesehen, niedrig, doch die versteckte Arbeitslosigkeit ist dafür um so größer. Berücksichtigt man die bei Notstandsarbeiten, bei Umschulungskur-sen, bei der staatlich unterstützten beruflichen Weiterbildung und in den sogenannten „geschützten Werkstätten“ beschäftigten Personen, dann kommt man mühelos auf eine doppelt so große Arbeitslosenziffer, als die offizielle. Allein in einem Monat erhöhte sich die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen um 10.000.

Im vergangenen Jahr hat Olof Palme bei der Lösung einiger ganz spezieller Probleme mit der Hilfe der Volkspartei rechnen können. Vor kurzem ist jedoch deren Führer, der sehr konziliante Gunnar Helen, durch den jungen Per Ahlmark ersetzt worden, der heftig gegen die bisherige neutralistische Linie der schwedischen Außenpolitik opponiert. So fordert Ahlmark, der Vorsitzende einer schwedisch-israelischen Vereinigung ist, eine pronon-ciert israelfreundliche Haltung Schwedens im Sicherheitsrat der UNO: er kritisierte in der Weihnachtswoche von Israel aus die schwedische Außenpolitik und sprach am 7. Jänner, zusammen mit dem Botschafter Israels in Stockholm, Avner Idan, beim schwedischen Außenminister Sven Anders-son vor, um diesen zu einer israelfreundlichen Haltung in der UNO zu bewegen. Ein solcher Bruch mit der bisherigen gemeinsamen außenpolitischen Linie der politischen Parteien Schwedens ist so schwerwiegend, daß er eine Zusammenarbeit Palmes mit der Volkspartei fast unmöglich machen muß.

Die Streitigkeiten innerhalb der Kommunistischen Partei nehmen immer bösartigere Formen an. Die Parteiführung scheint entschlossen zu sein, jeden Funktionär auszuschließen, der eine betont moskaufreundliche Haltung einnimmt. Die linientreuen Kommunisten des Nordens aber halten trotzig an ihrer sowjetfreundlichen Politik fest, auch um den Preis einer Spaltung der Partei. Die KP Schwedens liegt gefährlich nahe jener 4-Prozent-Gren-ze, die man erreichen muß, will man eine Vertretung im Parlament erhalten. Bei einer Wahlkatastrophe für die KP aber würde Olof Palme seine zuverlässigste Stimmenhilfe im Parlament verlieren, und damit mit so gut wie absoluter Sicherheit auch sein Amt. Es ist deshalb durchaus denkbar, daß das Wahljahr 1976 auch das Ende der Ära Palme in der Stockholmer Regierungskanzlei bringt.

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